Hochbegabungspresse
Liebe Schweinehundefreunde,
haben Sie das Finale der Frauen-WM geguckt? Als die Teams in Stadion einliefen, schmachteten die Favoritinnen aus den USA sehnsuchtsvoll den Pokal an. Gewonnen haben die Japanerinnen. Am Ende zu Recht. Den Pokal haben sie vorher übrigens ignoriert.
Ziele werden überbewertet
Oder kennen Sie folgendes Szenario? Die Geschäftsleitung macht einen Vertriebsplan mit hohen Zielen. Das Team soll Vollgas geben. Bald aber zeigt sich, dass es Probleme gibt, die Ziele auch zu erreichen. Also wieder mal Fehleranalyse: Was läuft schief? Und warum? Nun wird entgegengesteuert. Die Zahlen (Ziele) werden (wie üblich) korrigiert. Beim nächsten Mal klappt’s bestimmt (wieder nicht).
Ach und neulich wollte mal wieder ein Freund mit dem Rauchen aufhören, ein bestimmtes Gewicht erreichen, pünktlich die Diplomarbeit abgeben oder endlich mal den Keller aufräumen. Leider n ix draus geworden (wie schon öfter). Trotz guter Ziele ...
Also: Lassen Sie uns eine heilige Kuh der Motivationslehre schlachten! Und zwar die allgemein akzeptierte Annahme, dass Ziele eine Voraussetzung für Erfolg sind. Dass wir sie uns nur möglichst groß, konkret, schillernd, motivierend, messbar, realistisch und was weiß ich noch alles vorstellen müssten, um unsere Ziele zu erreichen: die Meisterschale, das große Haus, die gewünschte Umsatzzahl, den Porsche in der Garage oder die Traumfrau. Einfach klar definieren, plastisch visualisieren – und schon sollen wir uns kraft der Gesetze des Universums darauf zu bewegen. Sagt man zumindest.
Nun, ich bin der Meinung, das ist bestenfalls naiv. Und damit behaupte hiermit hochoffiziell das Gegenteil: Die Bedeutung von Zielen wird überschätzt. Ja, die lieben Ziele sind oft sogar ziemlicher Quatsch! Statt uns Erfolge zu bringen, könne n sie uns selbige nämlich genauso verbauen. Und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen.
Ziele wirken wie Alibis
Zunächst etwas Grundsätzliches: Es dürfte offensichtlich sein, dass es nicht das Ziel an sich ist, das erfolgreich macht, sondern die aktive und konstante Handlung in eine bestimmte Richtung – in der im Idealfall auch das angestrebte Ziel steht. (Falls Sie hier anderer Meinung sind, lesen Sie am besten gar nicht erst weiter.) Beispiel: Nicht die Definition eines Zielgewichts während einer Diät macht schlank, sondern die richtige Ernährung und Bewegung. Das Zielgewicht ist bestenfalls ein wünschenswerter Endzustand.
Und damit wären wir beim ersten kniffligen Punkt: Oft wirken Ziele nämlich nicht als Antriebshilfen sondern eher wie Alibis! Denn: Ist ein Ziel erst mal definiert, verfallen wir gerne dem Irrglauben, jenes nun auch irgendwie automatisch zu erreichen. Mental haben wir es ja schon erreicht. Wir sehen das Ziel vor unserem inneren Auge – wozu also noch extra handeln? Wie schief diese Logik ist und wie häufig sie vorkommt, erleben wir andauernd: David Haye wollte Boxweltmeister werden, so manche Firma längst Marktführer sein und ich bereits heute mein neues Buch geschrieben haben. Hätte auch alles geklappt – wenn nicht ein gewisser Herr Klitschko gewesen wäre, ein paar pfiffige Mitbewerber und eine Menge anderer Projekte ... Nix geworden aus den Zielen. Obwohl sie da waren.
Die Logik, wir bräuchten nur Ziele zu haben, um selbige auch zu erreichen, ist Selbstbetrug. Warum? Einerseits scheinen wirklich viele an die magische Wirksamkeit von Zielen zu glauben. Andererseits beruhigen Ziele unser Gewissen und das unserer Umgebung. Motto: „Hauptsache, wir haben das Ziel mal definiert!“ – und schon haben wir unsere Ruhe: Steht das Zielgewicht fest, hat die Partnerin nicht zu meckern, wenn wir naschen – wir wissen schließlich, wo wir dank Diät hinwollen. Ist die Abgabe der Diplomarbeit für den XX.XX.20XX versprochen, können wir friedlich eine DVD gucken, statt am Computer zu sitzen und zu arbeiten – ohne uns dafür rechtfertigen zu müssen. Ist die Budgetplanung mal abgeschlossen und hat das ganze Team (vermeintlich) zugestimmt, klingt das Committment glaubhaft. Mehr muss es auch gar nicht – schließlich ist eh jedem klar, dass Ziele oft verfehlt werden. Sie wirklich zu erreichen, hat niemand behauptet. Günter rules ...
Ziele sind kein Selbstzweck, sondern nur Orientierungshilfe
Schade, wenn schöne Ziele so zu leeren Alibis verkommen! Denn eigentlich haben sie das nicht verdient. Immerhin sollen sie uns auf den richtigen Weg führen. Meist nur machen wir dabei folgende zwei Fehler: Wir überschätzen, was wir in kurzer Zeit erreichen können. Und wir unterschätzen, was wir in einem längeren Zeitraum auf die Reihe kriegen – vorausgesetzt, wir handeln dauerhaft in eine Richtung. In zwei Jahren große Karriere machen? Schafft man wohl nur bei der FDP. Nimmt man sich dafür aber mehr Zeit, geht es auch im realen Leben. In acht Wochen den Traumkörper basteln? Blöder Anspruch, natürlich meist unrealistisch. In zwei Jahren aber machbar – egal, von wo man startet. Vorausgesetzt eben, man wurschtelt sich kontinuierlich in die richtige Richtung.
Um aber dauerhaft in eine Richtung zu handeln, brauchen wir die Richtung – nicht jedoch Ziele. Insofern sind Ziele streng genommen nicht notwendig, um Erfolge zu erzielen – es geht ohne. Gute Sportler müssen sich nicht mit Pokalen locken, um durch Training besser zu werden – und dann Pokale zu gewinnen. Gute Verkäufer bringen auch ohne hohe Vorgaben Abschlüsse zustande – vielleicht sogar bessere als die vorgegebenen. So erreicht jeder Ziele, ohne dass diese im Vordergrund stehen müssen. Der eine, weil er gerne Fußball, Basketball, Minigolf oder was auch immer spielt, der andere, weil er gerne verkauft. Die Ziele sind dabei höchstens „nice to have“. Sie sind eine Art Orientierungshilfe oder Feedback: „Du hast einen bestimmten Meilenstein geschafft bzw. (noch) nicht geschafft!“. Zwingend notwendig aber sind sie nicht.
Ziele können bremsen
Im Gegenteil: Ziele können sogar wie eine Bremse wirken. Wer in erster Linie nur handelt, um bestimmte Ziele oder Belohnungen zu erreichen und Niederlagen oder Strafen zu vermeiden, bekommt schneller Motivationsprobleme. Weil es nun nicht mehr um den Weg zum Ziel geht, der zum Ziel führt, sondern nur um Ergebnisse.
Das aber führt sogar dann zu Motivationsproblemen, wenn alles zur vollsten Zufriedenheit läuft. Sobald ein Ziel nämlich erreicht ist, verliert es seine Bedeutung: Wozu sollte sich der gute Verkäufer noch weiter anstrengen, wenn er seine Zahlen bereits geschafft hat? Unnötig. Oder wenn ein Sportler als Ziel den Klassenerhalt ausgibt, gibt nicht mehr alles, sobald dieser erreicht ist. Jede Extraanstrengung wird überflüssig. Der Antrieb ist weg.
Auch wenn Ziele nicht geschafft werden, können sie zum Motivationskiller werden. Wer etwa nur spielt, um Meister zu werden, gibt nicht mehr alles, sobald sich ein anderer als Meister abzeichnet. Warum auch? Das Ziel kann nicht mehr erreicht werden, also ist auch hier ist der direkte Antrieb weg – wozu noch konsequent in eine Richtung handeln? Oder wieso eine Diät weitermachen, wenn man zwischendurch eh ständig „sündigt“? Wieso Nichtraucher bleiben, wenn man auf einer Party mal in Suff eine Zigarette geraucht hat? „Jetzt ist sowieso schon alles zu spät!“, hei& szlig;t es dann oft. Denn: Das Nichterreichen der geplanten Zwischenziele kommt einer Niederlage gleich – wir können getrost einen Gang zurückschalten. Wie sollen wir auch das große Ganze schaffen, wenn wir bereits im Kleinen scheitern? Dann lieber das süße Schicksal des bequemen Verlierers wählen: So tun als ob. Und seine Ruhe haben. Danke, liebe Ziele!
Es geht um den Prozess, nicht ums Ziel
Sie merken, worauf ich hinaus will: Im Kern geht es nicht um Ziele, es geht um Prozesse. Nur in deren Verlauf erreichen wir ein bestimmtes Ziel. Oder eben nicht. Und um ein Ziel zu erreichen, sollten wir uns tunlichst auf den Prozess konzentrieren – und uns eben nicht ums Ziel kümmern. So wie die Japanerinnen im WM-Finale: Sie haben die drückende Überlegenheit der USA und deren wahrscheinliche Bedeutung für den Spielgewinn schlicht nicht zur Kenntnis genommen – und weiter tapfer um jeden Ball gekämpft. Und um jede einzelne Chance. Die Wahrnehmung war jeweils nur auf den Moment gerichtet: „Wie leiste ich jetzt gerade das Bestmögliche?“ Und am Ende stand der Sieg.
(Die Ladies aus Japan haben dabei übrigens die „Nah-Fern-Taktik“ angewendet. Kennen Sie die? Wenn ein Ziel noch weit entfernt ist (das Spielende, der Abgabetermin, der Jahresabschluss), tu so als stünde es unmittelbar bevor! So wirst du JETZT IM MOMENT Vollgas geben (um jeden Ball kämpfen, fleißig arbeiten, mit Leidenschaft verkaufen). Und wenn ein Ziel unmittelbar bevorsteht, tu so, als sei es noch weit weg! So behältst du die Spannung und Konzentration bis zuletzt aufrecht.)
Zum ersten Mal ist mir die fast paradoxe Wirkung von Zielen als Arzt über den Weg gelaufen. Wie wollen Sie etwa einen Infarktkandidaten davon überzeugen, sich gesund zu ernähren, nicht mehr zu rauchen oder Sport zu machen? Das Ziel „Damit du keinen Herzinfarkt kriegst!“ können Sie knicken. Seien wir ehrlich: Es ist viel einfacher, sich ein paar Betablocker reinzupfeifen und Nitrospray dabeizuhaben, als sein eigenes Verhalten zu verändern. Die verquere Logik: „Nimmst du die Pillen, bist du nicht krank. Also bist du gesund und musst nix verändern!“ Pervers ist das. Das Ziel „Keinen Herzinfarkt kriegen“ sabotiert den Prozess, obwohl es im Kern löblich und richtig ist.
Wobei gerade Vermeidungsziele natürlich ihre Tücken haben: „Nicht insolvent gehen“, „nicht die Scheidung riskieren“, zum „Nichtraucher“ werden. Echt blöde Ziele sind das! (Nun, Sie kennen das ja: Denken Sie bitte NICHT an einen blauen Elefanten ...) Doch auch hier hilft es uns weiter, wenn wir uns dem Prozess widmen: Wir sollten ständig mehr Geld einnehmen als wir ausgeben, täglich unsere Beziehung pflegen oder ein gesundes Leben voller Kraft und Luft und Freiheit führen. Und schon fühlt sich auch ein ursprüngliches Vermeidungsziel attraktiv und machbar an.
Sehen Sie, was ich meine? Wollen wir die „große Liebe“ (ein Ziel) finden, denken wir vom Ergebnis her – und geraten dadurch in eine Schwarzweiß-Falle: Entweder wir haben sie, oder wir haben sie nicht. Die Lösung aber liegt darin, unseren Partner zu „lieben“ – und zwar aktiv und tagtäglich. Also nicht vom Ergebnis her gedacht, sondern als Prozess. Die Liebe (als Ergebnis) stellt sich dann wie von selbst ein, keine Sorge. Wir brauchen auch nicht „Top-Verkäufer im Team“ (Ziel) SEIN zu wollen, wenn wir uns tagtäglich aufs VERKAUFEN konzentrieren und uns dabei ständig verbessern. Im Ergebnis WERDEN wir dann sowieso zu Top-Verkäufern.
Äußere Anreize gehen oft daneben
Nochmal zurück zu den Belohnungen und Bestrafungen: Häufig werde n Ziele ja auch zum Problem, wenn sie uns von anderen „übergestülpt“ wurden und mit Anreizen oder Aversionen verknüpft sind. Dann stecken wir nämlich in einer extrinsischen Motivationsfalle: Wir wissen zwar, was wir zu tun haben. Wir strengen uns aber nur an, wenn die Anreize oder Drohungen hoch genug sind. Dass solche Anreizsysteme bestenfalls kurzfristig wirken, demonstriert Felix Magath im Zweijahresrhythmus in der Fußballbundesliga: Hohe Prämien für Siege, Straftraining für Niederlagen. So steigt zunächst zwar die Leistung, dann aber brennt das System aus: Wollen wir wetten, dass Wolfsburg auch in dieser Saison wieder nix Großes reißt?
Woran liegt das? Vereinfacht gesagt, wird mit solchen Anreizen im Hirn nur unser Nucleus accumbens stimuliert. Der ist so etwas wie unser Lustknopf im Kopf. Er reagiert auf kurzfristige Genüsse wie Fressen, Saufen, Sex, Geld und so weiter mit einem kleinen Drogenschuss. Er verschafft uns so kurzfristige Kicks, aber nutzt sich schnell ab: Wie bei einem Suchtmechanismus ist bald immer mehr Belohnung (oder Bestrafung) nötig, damit wir funktionieren. Ständig fragen wir uns: „Was kriegen wir?“ (Oder: "Was droht uns?") Und wenn wir zu wenig kriegen, haben wir keine Lust mehr, zu handeln. Klar: So ganz ohne Ziele ...
Dabei brauchen wir streng genommen überhaupt keine äußeren Anreize, um etwas Anstrengendes mit Freude zu tun! Unser innerer Antrieb reicht dafür völlig aus. Und zwar dann, wenn die Tätigkeit selbst die eigentliche Belohnung ist. Wie bei Kindern. Die sagen auch nicht: „Och, ich spiele nur von 9 bis 17 Uhr, darüber hinaus brauche ich Incentives!“ Nein, Kinder spielen, weil spielen schön ist. (Sie brauchen auch keine drei Bier, um auf Geburtstagspartys in Stimmung zu kommen.) Auch Ziele brauchen sie keine. So wie eigentlich niemand Ziele braucht, der gerne kickt, verkauft, Bücher schreibt, Schüler unterrichtet, Fremdsprachen lernt, ein Hotel führt, gerne Auto fährt, Buchhaltung macht oder sich gesund ernährt. Es ist der Weg, um den es geht.
Ja, sogar dann, wenn uns der Weg selbst eigentlich keinen Spaß macht, handeln wir ohne Ziele leistungsstärker: Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar bittet Sie am Sonntag, ihm beim Möbelumräumen zu helfen. Er hätte nur heute Zeit und ihm sei jemand abgesprungen. Was würden Sie tun? Vermutlich mit anpacken. Aus „höheren“ Motiven heraus: aus Solidarität, Hilfsbereitschaft, Freundschaft. Dann stellen Sie sich vor, er wolle Sie noch extra motivieren und böte Ihnen 10 Euro pro Stunde an. Vermutlich fiele es Ihnen nun schwerer, zu helfen. Denn plötzlich ginge es „nur“ noch ums Geld, um schnöde finanzielle Zielchen.
Ziele sabotieren das Ergebnis
Oft macht zuviel Zielfokussierung sogar richtig Probleme. Zum Beispiel blockiert sie unsere Kreativität und Lösungskompetenz. Denn unser Denken läuft dabei in zu engen Bahnen ab. Haben wir unseren (Ziel-)Tunnelblick aufgesetzt, nehmen wir rechts und links nichts mehr wahr – und übersehen Lösungen. Sicher kennen Sie das Phänomen, unter Druck „auf dem Schlauch“ zu stehen. Etwa in einer Prüfung, während eines Flirts oder Streitgespräches. Irgendwie fällt uns da nicht ein, was uns einfallen sollte. Kaum ist die akute Situation aber vorbei, spuckt unser Hirn plötzlich die Lösung aus. Und wir wundern uns: „Warum bist du nicht früher drauf gekommen?“ Weil wir blockiert waren – von unseren unmittelbaren Zielen: Die Prüfung bestehen wollen, das schöne Mädel abschleppen, den Streit gewinnen. Wir waren mental so auf Schwarzweiß eingestellt, dass unserem Hirn zeitweise die Ideen (Grautöne) ausgingen. Dabei wäre der Weg ins Ziel ein ganz anderer gewesen: Locker bleiben. Und nicht nur „abschlussorientiert“ denken.
(Behalten Sie das unbedingt im Hinterkopf, wenn Sie das nächste Mal Prämien ausloben, Gesprächsleitfäden für Verkaufsgespräche kreieren oder Ihrem Kind für eine bestimmte Note eine Belohnung versprechen wollen! Sie können sich mit der ganzen Zielfokussierung echt die Ziele versauen ...)
Erst der Sinn, dann die Richtung – und dann erst das Ziel
Wir können also schon mal festhalten: Die Richtung, in die wir handeln, ist wichtiger ist als einzelne Ziele. Das dürfte mittlerweile klar sein. Aber: Wir müssen uns sogar noch weiter vom allgemeinen Zieldogma entfernen! Denn: Was weitaus wichtiger ist als die Richtung, ist der Sinn unseres Handelns! Der steht letztlich über allem. Nur er definiert die Richtung und damit die Ziele.
Ein Beispiel: Das Ziel einer Diät mag ein bestimmtes Gewicht sein und die Richtung, sich überwiegend gut zu ernähren und zu bewegen. Doch ist das auch der Sinn der Diät? Keineswegs: Der liegt nämlich darin, sich fit, gesund, schön oder jung zu fühlen! Und wie immer gilt: Passen Ziele nicht zum höheren Sinn, verbauen sie uns den Erfolg. Wer sich also durch eine allzu strikte und alltagsfremde Diät selbst kasteit, mag zwar für eine gewisse Zeit sein Zielgewicht erreichen, aber er hält sein Verhalten nicht dauerhaft aufrecht – und verfehlt sein Ziel letztlich dauerhaft. Denn er fühlt sich nicht fit, gesund, schön oder jung, sondern zwanghaft, genussgehemmt oder dauerschwächlich. Also: Nur aufs Ziel gestarrt, Sinn verpeilt, Diät gescheitert. Dumm gelaufen.
Bitte verstehen Sie mich richtig: Natürlich ist zielgerichtetes Handeln sinnvoll, um gewünsch te Ergebnisse zu erzielen. Aber es muss die Hierarchie stimmen: Erst der Sinn, dann die Richtung und dann erst das Ziel.
Ein Beispiel aus der Politik: Wir wissen alle, dass in Deutschland zu wenige Kinder geboren werden. Einer der Gründe sind Schwächen bei den Betreuungsmöglichkeiten. Vor allem wenn die Eltern berufstätig sind oder sein wollen. Also definiert man das Ziel, bis 2013 für alle einen Krippenplatz zur Verfügung stellen zu wollen. Soweit löblich, Ziel und Richtung scheinen zu stimmen. Wo aber liegen die Probleme, selbst wenn berufstätige Eltern für ihre Kinder einen Krippenplatz haben? Dass die verdammten Öffnungszeiten ein Witz sind! Macht die Krippe um 16 Uhr zu, kann Mama nicht um 17 Uhr an einer Besprechung teilnehmen. Also: Kinder machen? Irgendwann mal, jetzt geht’s noch nicht. Sinn verfehlt.
(Vor kurzem erzählte mir ein Bekannter, er habe vorgehabt, eine eigene Krippenkette f ür solvente berufstätige Familien aufzubauen. Mit flexiblen Öffnungszeiten für höchste Ansprüche. Als Geschäftsidee, weil der Markt ganz offensichtlich da ist. Auf dem zuständigen Amt hingegen konnte man den „Bedarf nicht feststellen“, der allgemeine Betreuungsschlüssel würde stimmen. Außerdem wurden ihm so viele Auflagen und Vorschriften um die Ohren gehauen, dass er das Projekt ganz schnell beendete, bevor es richtig losging. Es lebe die Bürokratie! Tja, Fokussierung auf Ziele statt auf Sinn und Richtung ...)
Aber das kennen wir ja alle. Schlimmer noch: Wir haben uns längst daran gewöhnt. Die einzelnen Rädchen im System starren auf ihre jeweiligen Ziele. Aber sie sind blind für das große Ganze. Sinn- und Richtungsfragen stellen viel zu Wenige, obwohl es bitter nötig ist: Welchen Sinn ergibt es, immer mehr für die Behandlung Kranker auszugeben, anstatt in Prävention zu investieren? Warum verweigern wir engagierten jungen Menschen Studienplätze, nur weil sie zu Schulzeiten bestimmte Noten (Ziele) nicht erreicht haben und klagen andererseits über Akademikermangel? Warum lernen wir in der Schule zwar Integralrechnung und Kurvendiskussionen, müssen uns aber vom Bankberater erklären lassen, wie Darlehen funktionieren und auf Seminaren nachholen, was ein Deckungsbeitrag ist? Warum bringen wir Menschen bei, sich zu bewerben, anstatt Geschäftsideen zu finden? Warum starren wir blind auf Ziele, nur weil die mal irgendjemand definiert hat? Statt brav über alle gegebenen Hürden zu hüpfen, sollten wir routinemäßig Sinn und Richtung überprüfen.
Also: Wir sollten nicht immer alles richtig machen wollen, sondern öfter das Richtige tun. Wer Sinn und Richtung ignoriert, braucht sich nicht zu wundern, wenn es mit den Zielen nicht klappt. Sparziele für die USA, Griechenland, Bremen? Schön und gut. Aber kann auch jeder im System (in den Parlamenten und Behörden) ökonomisch denken und entscheiden? Falls nicht (und davon ist auszugehen), wird es schwierig: Es wird immer wieder an Sinn- und Richtungsfrage scheitern. Und wenn ein Vertrieb seine vorgegebenen Ziele nicht erreicht, kann das daran liegen, dass der einzelne seine eigenen längst erreicht hat: relative Sicherheit in der Festanstellung und ein monatliches Gehalt. Entspricht das aber dem Sinn und der gewünschten Richtug des Jobs? Natürlich nicht. Also: Trotz aller Ziele am Ziel vorbei.
Die Lösung: Handlungs- und Seinziele statt Ergebnisziele!
Was also tun? Die bösen Ziele gleich allesamt in die Tonne kloppen? Die Motivationslehre neu schreiben? Den Vertriebschef der Inkompetenz bezichtigen?
Ich glaube, es geht einfacher: Verwenden wir statt der Ergebnisziele Handlungsziele!
Fragen wir uns also nicht mehr: „Was musst du erreichen?“
Fragen wir uns stattdessen: „Was musst du konkret tun, um erfolgreich zu sein?“
Wir können sogar noch einen Schritt weiter gehen und uns fragen: "Wie musst du sein, um tun zu können, was dich zum Ergebnis führt?"
Denn wenn uns klar ist, was wir tun und wie wir sein müssen, werden wir viel mehr gewünschte Ergebnisse erreichen: Wir können uns darüber freuen, bei Stress keine Zigarette mehr zu brauchen. Wir können unserem Kunden zuhören, damit wir ihn verstehen. Wir können tagtäglich an unserem Manuskript schreiben, weil wir jemand sind, der das Schreiben liebt und übt. GENAU DAS sind die Ziele, um die es geht! GENAU DAS sind die Wahrnehmungen, Handlungsweisen und Reaktionen, die uns dahin bringen, wohin wir wollen! Und nebenbei fühlen wir uns als echte Nichtraucher, verkaufen besser und schreiben endlich unser Buch. Weil das Ziel das Schreiben des Buches ist, nicht der Abgabetermin. Weil der Sinn des Nichtrauchens nicht im Verzicht liegt, sondern im genussvollen leben. Weil der Prozess einer Kommunikation immer wieder neu und spannend ist. Weil es eben immer wieder um den Weg geht. Um jeden einzelnen Moment unterwegs.
Na? An welchen Zielen haben Sie sich zuletzt die Zähne ausgebissen? Dann machen Sie mal folgendes:
Schreiben Sie Ihre bisherigen Problemziele mal untereinander auf ein Blatt Papier.
Und dann „übersetzen“ sie sie in Handlungen: Was müssen Sie konkret und dauerhaft TUN, um Ihre Ziele zu erreichen?
Anders formuliert: Was für ein Mensch müssen Sie dafür werden? Also: Wie ist einer drauf, der keine Zigaretten mehr braucht, anderen zuhört, gerne Texte schreibt, erfolgreich Geschäftsideen umsetzt, regelmäßig Sport macht und so weiter?
Ich bin mir sicher: Wenn Sie ein Mensch sind, der seine Ziele gerne erreicht, haben Sie jetzt erst mal eine Menge zu tun ... ;-)
In diesem Sinne: Einen erfolgreichen August!
Herzliche Schweinehundegrüße
Ihr
Stefan Frädrich
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Dr. Stefan Frädrich
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