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MYA II Sylt
Das neue Forschungsschiff MYA II der Wattenmeerstation Sylt
des Alfred-Wegener-Instituts bei ersten Ausfahrten im Heimatrevier.
Foto: Florian Lange, Alfred-Wegener-Institut
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Presseportal für Hochbegabung
List/Bremerhaven, den 12. August
2013. Gut 21 Meter lang, 1,30 Meter Tiefgang, zehn Knoten
Maximalgeschwindigkeit und voller modernster Technik: Das Forschungsschiff MYA
II wird am 13. August 2013 in List auf Sylt feierlich an die Wissenschaft
übergeben. Schleswig-Holsteins Ministerin für Bildung und Wissenschaft Prof.
Dr. Waltraud Wende wird ebenso an der Veranstaltung teilnehmen wie Vertreter
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Entwicklungs- und
Baukosten der MYA II in Höhe von 4,5 Millionen Euro stammen zu zehn Prozent vom
Land Schleswig-Holstein und zu 90 Prozent aus Bundesmitteln. Ein Höhepunkt wird
die Verleihung des Umweltzeichens „Blauer Engel“ für das umweltfreundliche
Schiffsdesign der MYA II. Im Anschluss ist die Öffentlichkeit eingeladen, das
Schiff im Lister Hafen kennenzulernen und sich beim Tag der offenen Tür in der
benachbarten Wattenmeerstation Sylt des Alfred-Wegener-Instituts mit den
Wissenschaftlern auszutauschen.
„Das ist das zwar unser kleinstes
Forschungsschiff, aber hochmodern und sehr gut für die Küstenforschung
ausgestattet“, sagte Prof. Dr. Karin Lochte, Direktorin des
Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
(AWI), anlässlich der Taufe der MYA II letzten Monat in der Fassmer-Werft. Sie
zeigt sich beeindruckt von der modernen Technik an Bord, die an die Ausstattung
großer Forschungsschiffe erinnert. Das Schiff verfügt über ein Netzwerk- und
Datenerfassungssystem, in dem kontinuierlich die Messwerte verschiedener
Sensoren zentral gespeichert werden. Fest installiert sind beispielsweise eine
Navigationsanlage zur genauen Positionsbestimmung, ein Fächersonar zur Kartierung
des Meeresbodens ein Multifrequenzecholot zur Abschätzung der Biomasse von
Fischen und ein ADCP zur Strömungsmessung. Außerdem besitzt die MYA II am Heck
einen Kranausleger, den sogenannten A-Galgen. Mit seiner Hilfe können die
zweiköpfige Besatzung und bis zu zwölf Wissenschaftler auch große Geräte bis zu
einer Tonne Gewicht vom Arbeitsdeck ins Wasser heben, wie zum Beispiel
Kastengreifer zur Gewinnung von Bodenproben. Bewegt werden diese
wissenschaftlichen Mess- oder Beprobungsgeräte über Kurrleinen- oder
Forschungswinden. Ein sogenanntes Einleiterkabel ermöglicht zusätzlich zur
Erfassung von Messwerten die Probennahmegeräte vom Computer aus im Wasser zu
öffnen oder zu schließen, wenn die Sensoren Bedingungen anzeigen, die auf
spannende Kleinalgen oder Tiere hinweisen.
Anders als der Vorgänger, der
Forschungskatamaran MYA, ist die MYA II ein Einrumpfschiff und erreicht bis zu
zehn Knoten Geschwindigkeit. „Damit können wir unseren Untersuchungsradius um
Sylt und bis nach Helgoland ausweiten“, freut sich der Geologe Dr. Christian
Hass von der Wattenmeerstation Sylt. Der AWI-Forscher wird einer der
Hauptnutzer sein und mit Bodengreifern Proben vom Meeresgrund nehmen.
Korngrößenanalysen von Sand und Schlick kombiniert er mit bathymetrischen und
anderen hydroakustischen Messdaten und berechnet daraus flächendeckende Karten.
„Sie geben uns Aufschluss darüber, wo sich welche Sedimente ablagern, wie der
Meeresboden strukturiert ist und für welche Pflanzen und Tiere er sich dadurch
als Lebensraum eignet“, erklärt Hass. „Regelmäßig wiederholt erlauben diese
Messungen, dass wir Veränderungen erkennen und steuernden Faktoren wie
Klimaveränderungen oder menschlichen Eingriffen zuordnen können“, so der
Geologe.
Gemeinsam mit den Biologen der
Wattenmeerstation nutzt Hass an Bord ein Unterwasservideosystem. Es ermöglicht
einerseits direkt zu kontrollieren, ob der Meeresboden tatsächlich so aussieht,
wie aus den Messdaten interpretiert. Andererseits zeigt es auch, was unter der
Wasseroberfläche lebt. Das Zusammenspiel von Pflanzen und Tieren im
Nahrungsnetz ist eines der biologischen Schwerpunktthemen an der
AWI-Wattenmeerstation. Dabei sind die Forschenden längst über die einfache
Beschreibung „Wer frisst wen?“ hinaus: Mit Computermodellen berechnen sie die
Stoffflüsse zwischen den verschiedenen Ebenen des Nahrungsnetzes unter
verschiedenen Umweltbedingungen. Angefangen bei der Produktivität von
Kleinstalgen (Phytoplankton), die aus Sonnenlicht Energie gewinnen, über
Krebstiere und Fische bis hin zu Robben und auch zum Menschen als
Endverbraucher. „Das neue Multifrequenzecholot erlaubt es uns beispielsweise,
die Fischbiomasse ohne Netzfänge abzuschätzen. Dazu mussten wir bisher viele
Fische fangen und ihre Länge einzeln mit dem Messbrett bestimmen“, erläutert
der Sylter Küstenforscher PD Dr. Harald Asmus die Vorteile der neuen
Messtechnik. „Ohne in das Ökosystem einzugreifen können wir jetzt die Ansprüche
einzelner Arten und ihr Zusammenspiel untersuchen. Das liefert uns die
Grundlage für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem UNESCO-Weltnaturerbe
Wattenmeer“, so der Biologe.
Auch der wissenschaftliche Nachwuchs
wird das neue Werkzeug der Küstenforschung nutzen. Studierende von nationalen
und internationalen Universitäten sind regelmäßig zu Gast auf Sylt. Ebenso wie
Teilnehmer an Graduiertenschulen, Praktika und Sommerschulen, lernen sie an
Bord den Umgang mit modernen ozeanographischen Geräten kennen. Bis in flache
Priele bringt das motorisierte Beiboot diejenigen, die sich für Prozesse im
Flachwasser und auf den Wattflächen interessieren.
„Damit das Wattenmeer möglichst
wenig durch Forschungsaktivitäten belastet wird, haben wir beim Bau der MYA II
großen Wert auf umweltfreundliche Technik gelegt“, sagt AWI-Direktorin Prof.
Dr. Karin Lochte. Der Schiffsneubau im Wert von 4,5 Millionen Euro verfügt
neben einem Partikelfilter über eine Abgasreinigungsanlage, die den
Motorabgasen Stickstoffoxide (NOx) entzieht. Damit liegen die NOx-Emissionen
der MYA II rund 85 % unter dem heutigen Grenzwert. Weiterhin wurde ein umweltfreundlicher
Schiffsanstrich verwendet und eine Fremdstromanlage zum Korrosionsschutz des
Rumpfes installiert, die toxische Zinkanoden ersetzt. Weder Abwasser noch
ölhaltiges Bilgenwasser aus dem Maschinenraum gelangt ins Meer, sondern wir im
Hafen entsorgt. Dr. Ralf-Rainer Braun, Mitglied der Jury Umweltzeichen freut
sich über die Auszeichnung: „Die MYA II zeigt, dass ein Mehr an Umweltschutz
beim Schiffsbau möglich ist. Wir hoffen, dass der Blaue Engel der MYA II
Vorbildfunktion für weitere Forschungsschiffe haben wird.“
Das Umweltzeichen wird am 13. August
2013 bei der Übergabe der MYA II an die Wissenschaft feierlich enthüllt. Im
Anschluss an die Indienststellung öffnet das Schiff von 16:30 bis 19:00 Uhr im
Hafen von List auf Sylt seine Türen, damit auch interessierte Gäste das neue
Forschungsschiff erkunden können. In der nahegelegenen Wattenmeerstation
(Hafenstraße 43) laden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 16:30 bis 21:00
Uhr ein zum Tag der offenen Tür und freuen sich auf den Austausch mit den
Gästen über ihre aktuelle Forschung.
Technische Daten:
- Name: MYA II
- Heimathafen: List, Sylt
- Bau: Fassmer-Werft, Berne
- Baujahr: 2013
- Länge über alles: 21,70 Meter
- Breite: 6,00 Meter
- Tiefgang: maximal 1,50 Meter
- Verdrängung: 120 Tonnen
- Geschwindigkeit: maximal 10 Knoten
- Besatzung: 2 Personen
- wissenschaftl. Personal: maximal 12 Personen
Ausstattung:
- Laborraum mit Nassarbeitsplatz, Spülbecken und Anschuss von Frisch- und Seewasser
- IT-Arbeitsplätze unter anderem zur Steuerung der hydroakustischen Anlagen
- Netzwerk sowie Datenerfassungs- und Managementsystem „DShip“
- Zwei Kurrleinenwinden und zwei Forschungswinden (eine mit Einleiterdraht)
- Heckkran (A-Galgen – eine Tonne) sowie ein Arbeitskran (0,85 Tonnen bei zehn Metern Auslage)
- Zwei Seitenarme zum Ausbringen wissenschaftlicher Geräte bis zu vier Meter unter Kiel.
- Kokerrohr im Labor, durch das Messgeräte ins Wasser gebracht werden können
- Spül-/Sortiertisch an Deck mit See und Frischwasseranschluss
- Schraubraster (ein Meter) an Deck zum Befestigen verschiedenster Geräte
- Arbeitsplattform am Heck (zum Beispiel für Taucher)
- Motorisiertes Beiboot mit kleinem Kranausleger
- Ausrüstung zum Betrieb des Schiffes beim Trockenfallen auf dem Watt
Hinweise für Redaktionen:
Druckbare Bilder finden Sie unter: www.awi.de/de/aktuelles_und_presse/pressemitteilungen.
Ihre Ansprechpartnerin in der
Pressestelle des Alfred-Wegener-Instituts ist Dr. Folke Mehrtens (Tel.: 0471
4831-2007; E-Mail: medien@awi.de).
Ihr Ansprechpartner an der
AWI-Wattenmeerstation Sylt ist Dr. Matthias Strasser (Mobiltelefon: 0151 174 53
497; E-Mail Matthias.Strasser@awi.de)
Das Alfred-Wegener-Institut forscht
in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es
koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur
wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und
Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das
Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der
Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.