Westafrika ist im Wandel. Rapide wachsende Bevölkerung,
massive Urbanisierung, komplexe meteorologische Einflüsse, unkontrollierter
Waldabbau und Luftverschmutzung verändern die Zusammensetzung der Atmosphäre
und damit das Wetter und Klima. Was für Folgen die Luftverschmutzung aber für
Land und Leute hat, und wie die verschiedenen Emissionsquellen die Region
langfristig beeinflussen, ist bislang unzureichend erforscht. Wissenschaftler
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchten deshalb mit
dem Forschungsflugzeug Falcon die tropische Luft der westafrikanischen Küste
auf ihre Zusammensetzung und wie sich diese auf die klimarelevanten
Wolkeneigenschaften auswirken. Die Messflüge waren Teil des fünf Jahre
dauernden EU-Projekts DACCIWA (Dynamics-aerosol-chemistry-cloud interactions in
West Africa).
Ein Cocktail an Emissionen
Monsunwind mit Seesalz aus dem Süden, Saharawind mit
Staub aus dem Norden, Holzkohlefeuer und verbrannter Müll aus den Städten und
Kraftwerken, Schiffsverkehr, Ölplattformen und veraltete Motoren – die Luft in
der Küstenregion Westafrikas vermengt sich zu einem einzigartigen Gemisch aus
verschiedensten Spurengasen, Flüssigkeiten und Teilchen. Gleichzeitig bilden
sich regelmäßig in der Atmosphäre zum Teil mehrschichtige Wolkendecken, die
großen Einfluss auf das lokale Wetter und Klima haben. Wie sich die
Luftpartikel aber genau zusammensetzen und welchen Einfluss sie auf das
Entstehen und Verschwinden von Wolkenformationen haben, ist bislang
unzureichend erforscht und nicht in aktuelle Klimamodelle integriert.
Flugzeuge, Bodenstationen und Wetterballons
Forscher aus insgesamt 16 wissenschaftlichen
Einrichtungen in sechs Ländern untersuchen in dem vom Karlsruher Institut für
Technologie (KIT) koordinierten EU-Projekt DACCIWA die Zusammenhänge zwischen
Wettereinflüssen, Klimawandel und Luftverschmutzung. In einer koordinierten
Messkampagne erforschen die Wissenschaftler dabei erstmals die gesamte Kette
der Auswirkungen von natürlichen und menschengemachten Emissionen auf die
westafrikanische Atmosphäre. Von Juni bis Juli waren sie dazu mit drei
Forschungsflugzeugen in Westafrika vor Ort. Für die Messungen bauten sie drei
hochinstrumentierte Messstandorte im Landesinneren auf, ließen mehrmals am Tag
an sieben Standorten Wetterballons steigen, bestimmten die urbanen Emissionen
und werteten Gesundheitsdaten der Stadtbewohner aus. Das Projekt schafft damit
Grundlagen für neue und präzisere Klima-, Wetter- und Luftqualitätsmodelle, die
eine nachhaltigere Entwicklungspolitik ermöglichen.
Wolkenschichten unter der Lupe
Vom Flughafen Lomés aus, nur fünf Kilometer von der
Grenze Ghanas entfernt, starteten die DLR-Forscher mit dem, gerade 40 Jahre
gewordenen, Forschungsflugzeug Falcon in die westafrikanischen Lüfte. Die
Piloten der DLR-Einrichtung Flugexperimente aus Oberpfaffenhofen steuerten die
Falcon in verschiedenen Höhen durch Wolkenschichten und flogen gezielt in
Abgasfahnen hinein. Auch der Schiffsverkehr vor der südlichen Küste Westafrikas
und die Emissionen einer Ölplattform vor Ghana wurden untersucht. In der Kabine
schwitzten während der Flüge die Klimaexperten des DLR-Instituts für Physik der
Atmosphäre bei über 40 Grad. Mit Hilfe von Spurengas-, Partikel- und
Wolkenmessinstrumenten sammelten sie Daten innerhalb und außerhalb der Wolken.
„Aerosole sind Partikel in der Atmosphäre, die von
natürlichen und anthropogenen, also menschengemachten Quellen stammen“, erklärt
DLR-Projektleiter Dr. Hans Schlager. „Mit der Falcon fliegen wir gezielt in
Wolken und messen die Aerosolbelastung der Luftmassen. Das erlaubt es uns, den
Einfluss der vorherrschenden Luftverschmutzung auf die Wolkeneigenschaften zu
untersuchen.“ Da sich über der Küste Westafrikas jeden Tag eine ausgedehnte
Stratus-Wolkenschicht bildet, eignet sich die Region hervorragend als Labor, um
diese Wechselwirkungen zu studieren.
Drei Forschungsflugzeuge flogen dazu koordinierte
Messflüge: Neben der DLR-Falcon waren das eine Twin Otter-Propellermaschine des
British Antarctic Survey und die ATR des Service des Avions Français
Instrumentés pour la Recherche en Environnement (SAFIRE) der französischen
Forschungsinstitutionen CNRS, Météo-France und CNES. Die unterschiedlichen
Flugzeugstypen spielten jeweils ihre besonderen Stärken aus (Reichweite,
Flughöhe und -dauer) – flogen jedoch mit ähnlicher Instrumentierung, um einen
konsistenten gemeinsamen Datensatz zu generieren.
Überraschende Erkenntnisse
Die Luftverschmutzung bleibt nicht dort wo sie entsteht,
sondern zieht sich bis zu 300 Kilometer ins Landesinnere. Deshalb verfolgten
die Forschungsflugzeuge die Abgasfahnen der großen Küstenstädte Accra, Abidjan,
Lomé und Cotonou auf ihrem Weg von der Küste bis ins Landesinnere, bevor sie –
über Wälder und Savannen hinweg – weiter in Richtung Sahara ziehen.
Erste Ergebnisse zeigen überraschenderweise, dass die
Abgasfahnen einen sehr hohen Anteil an organischem Material enthalten. Ein
Befund, der auf Verbrennungen von Holzkohle, Müll und landwirtschaftlichen
Abfällen bei niedriger Temperatur hindeutet. Die vielen Luftpartikeln führen
dabei zu einer erheblichen Trübung der Atmosphäre. Dadurch erreicht weniger
Sonnenlicht den Erdboden und es ändert sich der Tagesverlauf von Temperatur,
Wind, Wolken und Regen. Die Messungen zeigten nun zum ersten Mal die enorme
Komplexität in den verschiedenen Wolkenschichten, deren Ursachen nach wie vor
unklar sind.
Forschung bis 2018
Noch bis 2018 erforschen die Wissenschaftler im Projekt
DACCIWA die Einflüsse der verschiedenen Emissionen auf die Wolkeneigenschaften
und die Luftqualität in Westafrika. „Unsere Ergebnisse dienen dazu, die gegenwärtigen
Klima- und Wettermodelle zu verbessern. Dann können wir gemeinsam mit unseren
afrikanischen Partnern belastbarere Prognosen für Westafrika aufstellen – einer
Region, die weltweit mit am stärksten die Auswirkungen des Klimawandels zu
spüren bekommen wird“, wagt Dr. Schlager einen Blick in die Zukunft.
Kontakte
Fabian Locher
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation, Redaktion Luftfahrt
Tel.: +49 2203 601-3959
Fax: +49 2203 601-3249
Dr. Hans Schlager
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut
für Physik der Atmosphäre
Tel.: +49 8153 28-2510
Fax: +49 8153 28-1841
Oliver Brieger
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Flugexperimente, Leiter Forschungsflugbetrieb
Tel.: +49 531 295-2800
Fax: +49 8153 28-1347