Eine steigende Zahl von Krebsfällen im Rachenraum gilt
als Folge einer Infektion mit humanen Papillomviren (HPV). Wissenschaftler im
Deutschen Krebsforschungszentrum fanden nun heraus, dass ein Bluttest auf
bestimmte Antikörper gegen HPV gefährdete Personen identifizieren kann - mit
einer einzigen Untersuchung und bereits mehr als zehn Jahre vor der
Krebsdiagnose.
Krebs des Rachenraums tritt immer häufiger auf: Allein in
den USA hat sich die Neuerkrankungsrate innerhalb der letzten drei Jahrzehnte
verdreifacht. Etwa 70 Prozent dieser Tumoren werden durch eine Infektion mit
dem humanen Papillomvirus (HPV) Typ 16 verursacht.
Tim Waterboer und seine Kollegen im Deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben nun herausgefunden, dass sich mit einem von
ihnen entwickelten Antikörper-Nachweis bereits frühzeitig erkennen lässt,
welche Personen Gefahr laufen, an einem HPV-bedingten Tumor des Rachenraums zu
erkranken. Dazu arbeiteten die DKFZ-Forscher mit Kollegen von der
Internationalen Krebsforschungsagentur IARC und mit dem amerikanischen National
Cancer Institute zusammen.
Auf eine Infektion mit HPV reagiert das Immunsystem mit
der Produktion von Antikörpern gegen Bestandteile des Erregers. Das HPV-Protein
E6 wird von chronisch infizierten Zellen produziert und spielt bei der
Krebsentstehung eine wichtige Rolle. Daher gelten Antikörper gegen E6 als
besonders aussagekräftig.
Die Wissenschaftler konnten für diese Untersuchung auf
Blutproben der US-amerikanischen PLCO-Studie zugreifen. In diese
Krebs-Früherkennungsstudie wurden zwischen 1993 und 2001 rund 150.000 gesunde
Teilnehmer aufgenommen und deren im Untersuchungszeitraum auftretenden
Krebserkrankungen dokumentiert. Den DKFZ-Forschern standen Blutproben von 198
Patienten mit Tumoren im Rachenraum zur Verfügung. Die Proben waren beim
Studieneintritt der Teilnehmer genommen worden - also lange vor dem Ausbruch
der Krebserkrankung. Die Kontrollproben stammten von 924 PLCO-Teilnehmern ohne
Krebsdiagnose.
Die DKFZ-Forscher konnten bei 42,3 Prozent aller
Patienten mit Krebs im Rachenraum Antikörper gegen HPV16-E6 in deren Blutproben
nachweisen "Das entspricht ziemlich genau dem Anteil HPV-bedingter Fälle
unter den Rachentumoren, den wir für den damaligen Zeitpunkt in der
amerikanischen Bevölkerung erwartet hatten", so Tim Waterboer. Dagegen
fiel der Test bei nur 0,5 Prozent der Personen aus der Kontrollgruppe positiv
aus.
Von einigen der Studienpatienten stand neben den
Blutproben auch Tumorgewebe zur Verfügung. An der Aktivität von Virusgenen im
Gewebe konnten die Forscher identifizieren, welche der Tumoren durch HPV
verursacht wurden. Es zeigte sich, dass der Antikörper-Nachweis ausschließlich
bei solchen Patienten positiv ausfiel, deren Krebs tatsächlich mit HPV16 im
Zusammenhang stand.
Fällt der Test auf HPV16-E6-Antikörper einmal positiv
aus, so bleibt das Ergebnis über Jahre stabil. Das zeigten die Forscher an
Studienteilnehmern, denen über einen langen Zeitraum wiederholt Blutproben
entnommen worden waren. Die Blutproben waren teilweise bis zu 13 Jahre vor der
Tumordiagnose genommen worden. "Das bedeutet, ein einziger Bluttest zu
einem beliebigen Zeitpunkt könnte ausreichen, um das Risiko einzuschätzen,
innerhalb der nächsten zehn Jahre an einem Rachentumor zu erkranken", sagt
Waterboer.
Der Nachweis von HPV16-E6-Antikörpern ist dennoch -
zumindest derzeit - nicht als Methode zur Krebsfrüherkennung in größeren
Bevölkerungsgruppen geeignet. "Die Neuerkrankungsrate von Krebs im
Rachenraum ist mit etwa 5 Fällen pro 100.000 Einwohnern eher niedrig: Das
bedeutet, dass trotz der hohen Spezifität des Tests sehr viele gesunde Menschen
fälschlicherweise ein positives Testergebnis erhalten würden", sagt
Studienleiter Tim Waterboer. "In bestimmten Hochrisikogruppen können
allerdings bis zu 10 Mal mehr Menschen erkranken. Mit dem
HPV16-E6-Antikörper-Nachweis steht erstmals ein leicht zu analysierender
Biomarker zur Verfügung, mit dem wir den Kreis der besonders krebsgefährdeten
Personen leicht einengen können." Die DKFZ-Virologen prüfen derzeit die
Möglichkeiten, den Biomarker klinisch nutzbar zu machen.
Nicht geeignet ist der Test auf Antikörper gegen HPV16-E6
dagegen, um das Risiko von Gebärmutterhalskrebs und anderen HPV-bedingten
Tumoren im Genitalbereich einzuschätzen. Im Gegensatz zu Krebs des Rachenraums
treten die verräterischen Antiköper hier erst auf, wenn der Krebs bereits
klinisch diagnostiziert werden kann.
Aimée R. Kreimer, Mattias Johansson, Elizabeth Yanik,
Hormuzd A. Katki, David P. Check, Krystle A. Lang Kuhs, Martina
Willhauck-Fleckenstein, Dana Holzinger, Allan Hildesheim, Ruth Pfeiffer, Craig
Williams, Neal D. Freedman, Wen-Yi Huang, Mark P. Purdue, Angelika Michel,
Michael Pawlita, Paul Brennan, Tim Waterboer: Kinetics of the human
papillomavirus type 16 E6 antibody response prior to oropharyngeal cancer
Journal of the National Cancer Institute 2017, DOI: 10.1093/jnci/djx005
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass
Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren
präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden
können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes
(KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die
Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat
das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die
Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale
Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären
Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der
hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um
die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land
Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft
deutscher Forschungszentren.
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