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Mobil telefonieren, schnelles Surfen im Internet,
aktuelle Wetterdaten und Navigationsprogramme, die immer und überall verfügbar
sind - Satelliten machen dies möglich. Eine wesentliche Rolle spielen hier
Bandbreiten und Frequenzen, die alle drei bis vier Jahre auf der
Weltfunkkonferenz verhandelt werden. Derzeit findet diese Konferenz mit 3.800
Delegierten aus 193 Ländern in Genf statt - es ist die größte
Weltfunkkonferenz, die es bisher gegeben hat. Dr. Ralf Ewald vom
Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist
Frequenzkoordinator und verhandelt noch bis zum 27. November 2015 gemeinsam mit
der deutschen Delegation die Bandbreiten und Frequenzspektren, die unter
anderem Satellitenmissionen zukünftig zur Verfügung stehen. Hier wurde jetzt
für eine neue deutsche Radarsatellitenmission im X-Band eine Einigung erzielt.
Interview von Martin Fleischmann
Was wird auf der Weltfunkkonferenz verhandelt?
Wir verhandeln in Genf Völkerrecht. Zwar unterliegt die
Nutzung des Frequenzspektrums in Deutschland nationalem Recht und wird durch
die Bundesnetzagentur festgelegt. Doch Funkwellen und Frequenznutzug kennen
keine Grenzen. Sobald man mit dem Mobiltelefon im Ausland telefoniert, reden
wir über grenzüberschreitende Frequenznutzung. Das gilt natürlich besonders für
Satelliten, da sie ja permanent andere Staaten überfliegen. Sobald Funkwellen
die Landesgrenzen überschreiten, ist die Internationale Kommunikationsunion ITU
zuständig. Sie regelt alle "übernationalen" Angelegenheiten. Diese
Regeln werden in einem völkerrechtlichen Vertrag festgelegt und dann meistens
auch in nationales Recht überführt. Etwa drei bis vier Jahre tagt die
Weltfunkkonferenz, um diesen völkerrechtlichen Vertrag - wenn notwendig - zu
ändern. Um die jeweiligen Landesinteressen zu vertreten, sendet jedes Land eine
Delegation zu dieser Konferenz. 70 deutsche Delegierte sind diesmal in Genf mit
dabei - die stärkste deutsche Mannschaft, die jemals teilgenommen hat.
Das unterstreicht die Bedeutung dieses Funkgipfels. Warum
sind diese Verhandlungen so wichtig?
Wir haben ein Problem: Jeder Dienst - ob Mobilfunk,
Wissenschaft oder Satellitenkommunikation - braucht wegen der technischen
Weiterentwicklung immer mehr Bandbreite. Das ist ein Grundsatz. Dummerweise ist
aber das Frequenzspektrum, das man dafür nutzen kann, begrenzt. Daher
verhandelt diese Delegation, die durch das Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur angeführt und von der Bundesnetzagentur, Vertretern aus
der Industrie - zum Beispiel Mobilfunkanbietern - sowie dem DLR unterstützt
wird, um mehr Bandbreite und deren sinnvollen Einsatz. Das DLR vertritt dabei
die Interessen der Bundesregierung bezüglich der wissenschaftlichen
Satelliten-Funkdienste. Meine Aufgabe ist es, diese Themen aus deutscher Sicht
umzusetzen, so dass der Vertragstext nachher mit unseren Interessen
übereinstimmt.
Zudem wird ja ein sehr wichtiges Thema für das DLR
verhandelt...
Ja, genau. Was als Tagesordnungspunkt 1.12 verhandelt
wird, birgt Zündstoff. Banal gesagt geht es um mehr Bandbreite. DLR und Airbus
Defence & Space wollen für die Erdbeobachtung im sogenannten X-Band -
also da, wo wir die beiden Radarzwillinge TerraSAR-X und TanDEM-X betreiben -
die nächste Generation dieser SAR-Satelliten vorbereiten. Wir wollen Bilder in
einer Auflösung erzeugen, die mit optischen Aufnahmen vergleichbar sind - also
Aufnahmen in einer Größenordnung von weniger als 25 Zentimetern pro Bildpunkt.
Die beste Auflösung von TerraSAR-X liegt bei einem ein Meter. Um diese
Verbesserung zu erreichen, braucht man ein größeres Frequenzspektrum, da
Auflösung gleichbedeutend mit Bandbreite ist. Das heißt, wir brauchen eine sehr
große Bandbreite, um unsere Wunschauflösung zu erreichen. Völkerrechtlich
vereinbart ist hierfür bisher mit 600 Megahertz nur die Hälfte der benötigten
Bandbreite. Wir haben gerade, mit 1,2 Gigahertz, das Doppelte bekommen.
Warum war es so schwer, eine Lösung zu finden?
Durch unseren Vorstoß, über die beantragten 600 Megahertz
insgesamt ein Frequenzband von 1,2 Gigahertz zu bekommen, geraten viele schon
genutzte Anwendungen vermeintlich unter Druck. Das hat zunächst einige Länder
dazu bewogen, unseren Vorschlag abzulehnen. Wir wollten wissen, wie groß dieser
Druck ist und ob die Sorge berechtigt ist. Daher haben wir diese Frage in den
letzten drei Jahren in Studien untersucht. Hier haben wir nun versucht, auf
einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Andere Staaten, die sich ebenfalls für mehr
Bandbreite in diesem Frequenzband einsetzen und stark an radargestützter
Erdbeobachtung interessiert sind, haben uns geholfen. Diese Länder - zum
Beispiel die ozeanischen Staaten - brauchen bessere Erdbeobachtungstechnologie,
damit ihren Rettungskräften nach einer möglichen Flutkatastrophe aktuelles und
hochaufgelöstes Kartenmaterial zur Verfügung steht. Wir haben tagelang in
unzähligen multilateralen und bilateralen Besprechungen nach einer Lösung
gesucht. Jetzt haben wir einen guten Kompromiss gefunden, dem alle 193
Mitgliedsstaaten - bei der Weltfunkkonferenz müssen alle Beschlüsse immer
einstimmig gefällt werden - zugestimmt haben. Das Ergebnis: 600 Megahertz mehr
an Bandbreite und die Option für eine X-Band-Erdbeobachtungsmission mit einer
noch nie dagewesenen, nahezu optischen Auflösung.
Kontakte
Martin Fleischmann
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Raumfahrtmanagement, Kommunikation
Tel.: +49 228 447-120
Fax: +49 228 447-386
Dr. Ralf Ewald
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Raumfahrtmanagement, Satellitenkommunikation
Tel.: +49 228 447-219
Fax: +49 228 447-737