Hochbegabungspresse Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum
und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg suchten nach
neuen Wegen, um bei Krebserkrankungen die Entstehung von Metastasen zu
verhindern. Dazu kombinierten sie einen Antikörper gegen ein zentrales
Steuerprotein der Blutgefäßzellen mit einer niedrigdosierten Chemotherapie. So
behandelte Mäuse entwickelten weniger Metastasen und überlebten länger. Die
Kombinationstherapie wirkt gleich mehrfach gegen eine Ansiedlung von Tochtergeschwülsten:
Sie verhindert, dass Blutgefäße die neu entstehenden Metastasen versorgen.
Gleichzeitig reduziert sie die Anzahl bestimmter Immunzellen, die die
Ansiedlung von Krebszellen fördern.
Bei vielen Krebserkrankungen gilt der Patient nach
chirurgischer Entfernung des Tumors als krebsfrei. Doch bei einem großen
Prozentsatz der Kranken hat der Tumor zu diesem Zeitpunkt bereits Zellen
ausgestreut. Daher verordnen Ärzte im Anschluss an die Operation oft eine
Chemotherapie, die abgesiedelte Krebszellen bekämpfen soll. Doch da es keine
Methode gibt, diese gefährlichen Zellen direkt nachzuweisen, wissen Ärzte
nicht, welcher Patient tatsächlich von der belastenden Therapie profitiert.
"Das ist ein großes Dilemma für viele
Krebspatienten: Sollen sie sich für eine hochdosierte Chemotherapie mit allen
schweren Nebenwirkungen entscheiden oder stattdessen ein höheres Risiko für
Metastasen in Kauf nehmen?", fragt Professor Hellmut Augustin. Seine
Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum und der Medizinischen
Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg sucht daher nach schonenderen
Alternativen, um die Entstehung von Tochtergeschwülsten zu unterdrücken.
Dabei setzen die Forscher auf neue wissenschaftliche
Erkenntnisse, die eine weitaus aktivere Rolle der Wandzellen der Blutgefäße
(Endothelzellen) für das Tumorwachstum nahelegen, als dies bisher bekannt war.
Tumorzellen veranlassen Blutgefäße in ihrer Umgebung dazu, neue Kapillaren
sprossen zu lassen, die den Tumor versorgen und sein Wachstum ermöglichen. Dieser
"Angiogenese" genannte Prozess wird bereits seit zehn Jahren
therapeutisch genutzt; Angiogenese-hemmende Medikamente sollen die Wirkung
etablierter Chemotherapeutika unterstützen.
Neuere Erkenntnisse zur Metastasierung weisen darauf hin,
dass Endothelzellen darüber hinaus selbst zahlreiche Faktoren produzieren, die
das Tumorwachstum fördern. Augustins Ansatz ist es daher, nicht nur die
Gefäßbildung in Tumoren zu unterdrücken, sondern gleichzeitig die Produktion
dieser Wachstumsfaktoren zu hemmen. In ihrer aktuellen Arbeit haben die
Wissenschaftler das Molekül Angiopoietin-2 ins Visier genommen. Es wird von
Endothelzellen gebildet und spielt eine zentrale Rolle bei der Angiogenese.
Die Forscher übertrugen Brust- oder Lungenkrebszellen auf
Mäuse, ließen Tumoren heranwachsen und entfernten sie zu einem frühen Zeitpunkt
operativ. Um Metastasen vorzubeugen, erhielten die Tiere nach der Operation
verschiedene Arten der Chemotherapie sowie teilweise zusätzlich einen
blockierenden Antikörper gegen Angiopoietin-2. Während die Chemotherapie allein
nicht wirksam war, entwickelten mit dem Angiopoietin-2-Antikörper behandelten
Tiere deutlich weniger Metastasen in Lunge und Knochen als ihre unbehandelten
Artgenossen.
Gesteigert wurde dieser Effekt durch Kombination des
Antikörpers mit einer so genannten metronomen Chemotherapie: Dabei werden die
zytostatischen Substanzen niedrigdosiert dauerhaft verabreicht. Mäuse, die die
Kombinationstherapie erhielten, lebten länger als Tiere, die nur mit dem
Antikörper gegen Angiopoietin-2 behandelt wurden.
In anschließenden Gewebeanalysen untersuchten die
Wissenschaftler, was die Kombinationstherapie genau bewirkt. Dabei entdeckten
sie, dass Angiopoietin-2 nicht nur das Gefäßwachstum fördert, sondern darüber
hinaus auf die Endothelzellen zurückwirkt und sie dazu anregt, tumorfördernde
Makrophagen in die Umgebung der Krebszellen zu locken. Wurde Angiopoietin-2
blockiert, wanderten deutlich weniger krebsfördernde Immunzellen in die
Tumorumgebung ein.
Die niedrigdosierte metronome Chemotherapie, die die
Wirksamkeit des Therapieansatzes weiter steigerte, richtet sich im Gegensatz
zur herkömmlichen Hochdosis-Chemotherapie nicht primär gegen die Tumorzellen
selbst, sondern verhindert, dass sich bestimmte Zellen aus dem Knochenmark im
Tumor ansiedeln, die ebenfalls das Tumorwachstum fördern.
"Mit unserer Kombinationstherapie gehen wir also von
mehreren Seiten gleichzeitig gegen die Ansiedlung von Metastasen vor: Zum einen
drosseln wir ihre Gefäßversorgung. Zum anderen verhindern wir, dass sich
tumorfördernde Makrophagen ansiedeln, die eine entzündliche Umgebung schaffen
und damit gewissermaßen den Boden für eine dauerhafte Ansiedlung der
Krebszellen bereiten", erklärt Hellmut Augustin.
"Wir können natürlich nicht voraussagen, ob sich die
Ergebnisse dieser präklinischen Untersuchungen eins zu eins auf den Menschen
übertragen lassen", betont der Wissenschaftler. "Aber wir haben bei
unseren Experimenten viel darüber gelernt, wie Metastasen entstehen. Das Wissen
wollen wir nun gezielt in eine klinische Anwendung übersetzen."
Kshitij Srivastava, Junhao Hu, Claudia Korn, Soniya
Savant, Martin Teichert, Stephanie S. Kapel, Manfred Jugold, Eva Besemfelder,
Markus Thomas, Manolis Pasparakis und Hellmut G. Augustin: Postsurgical
adjuvant tumor therapy by combining anti-Angiopoietin-2 and metronomic
chemotherapy limits metastatic growth. Cancer Cell 2014, DOI
10.1016/j.ccell.2014.11.005
Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur
Verfügung unter:
Legende: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer
Lungenmetastase: Tumorzellen (grün) formen solide Tumorknoten, die in engem
Kontakt mit umgebenden Kapillaren (rot) stehen. Die wechselseitige
Kommunikation zwischen Tumorzellen und Endothelzellen ermöglicht das Wachstum
von Metastasen. Endothelzellen können das Tumorwachstum dabei aktiv fördern.
Quelle: Oliver Meckes (Eye of Science) / H. Augustin
(DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren
und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs
erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser
diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären
Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs
auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das
Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem
vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen
werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem
der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren
an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu
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