Tumoren der Bauchspeicheldrüse (Pankreaskrebs) zählen zu
den Krebserkrankungen, gegen die Ärzte auch heute noch sehr wenig ausrichten
können: Nur etwa fünf Prozent der Patienten überleben die ersten fünf Jahre
nach ihrer Diagnose. Gründe für die schlechte Prognose sind das sehr aggressive
Wachstum der Tumoren und ihre Tendenz, bereits in einem sehr frühen Stadium zu
streuen und Metastasen zu bilden.
Wenn sich Krebszellen vom Tumor ablösen, durchlaufen sie
ein komplexes Programm. "Sie machen eine regelrechte Verwandlung durch.
Dabei verändern sie ihre Form, steigern ihre Beweglichkeit und haften nicht
mehr aneinander", erklärt Professor Ana Martin-Villalba vom Deutschen
Krebsforschungszentrum. "Gleichzeitig erwerben sie dabei auch
Stammzell-Eigenschaften, also die Fähigkeit, neue Tumoren oder Metastasen zu
bilden."
Eine ganze Reihe von Wachstumsfaktoren kann dieses
Entwicklungsprogramm anregen. Ana Martin-Villalba hatte bereits 2008 beim
Glioblastom, dem gefährlichsten unter den Hirntumoren, entdeckt, dass das
Oberflächenprotein CD95 wie ein Wachstumsfaktor auf die Hirntumorzellen wirkt
und ihre Aggressivität steigert. Nun hatte die Wissenschaftlerin den Verdacht,
dass CD95 auch bei Pankreaskrebs die Verwandlung zur Bösartigkeit und zur
Metastasierung vorantreiben könnte.
Die Forscher aus Martin-Villalbas Team entdeckten an
Tumorgewebeproben, dass Pankrebskrebszellen deutlich mehr CD95 auf ihrer
Oberfläche tragen als gesunde Zellen der Bauchspeicheldrüsen. Krebszellen, die
besonders viel CD95 bilden, zeigten die deutlichsten Merkmale des Programms in
Richtung Bösartigkeit. Krebszellen aus Metastasen trugen darüber hinaus mehr
CD95 als Zellen des Primärtumors.
Nicht jede Krebszelle kann einen neuen Tumor oder eine
Metastase hervorbringen, dies ist eine exklusive Fähigkeit der so genannten
Krebsstammzellen, auch "tumorinitiierenden Zellen" genannt. Als
Beweis für diese Stammzelleigenschaft gilt es, wenn auf immungeschwächte Mäuse
übertragene Krebszellen zu einem neuen Tumor auswachsen - was mit den
CD95-tragenden Pankreaskrebszellen gelang.
Zusammengenommen sind diese Ergebnisse ein starkes Indiz
dafür, dass CD95 eine ursächliche Rolle für die Aggressivität von Pankreaskrebs
spielt - aber noch kein Beweis dafür. Um diesen Nachweis zu erbringen,
blockierten die Wissenschaftler die Aktivierung von CD95 mit einem spezifischen
Wirkstoff. Mäuse, denen die Tumorzellen übertragen wurden und die zusätzlich
mit dem Wirkstoff erhielten, entwickelten kleinere Tumoren und auch weniger und
kleinere Metastasen als die Kontrolltiere.
CD95 war ursprünglich als "Todesrezeptor"
bekannt geworden, weil es den programmierten Zelltod Apoptose einleitet. Daher
wurde es zunächst sogar für einen Tumor-Suppressor gehalten. Der Wirkstoff
APG101, mit dem Martin-Villalbas Team das Krebswachstum drosseln konnte,
vereitelt den Kontakt zwischen den CD95-Molekülen auf der Oberfläche der
Krebszellen mit ihrem spezifischen Bindungspartner. Dadurch verhindert APG101,
dass CD95-abhängige Reaktionswege in der Zelle aktiviert werden.
Im Falle der Pankrebskrebszellen, so fanden die
DKFZ-Forscher heraus, greift CD95 über das Adapterprotein Sck in einen
bekannten Signalweg ein, der das Wachstum der Zellen anfeuert.
"Krebsforscher suchen dringend nach
Marker-Molekülen, über die sie im Blut von Krebspatienten Tumorzellen mit
Metastasierungspotenzial identifizieren können. Dafür ist CD95 ein geeigneter
Kandidat. Das könnte Medizinern helfen, den weiteren Verlauf der Erkrankung
besser einzuschätzen", sagt Ana Martin-Villalba und ergänzt: "Darüber
hinaus ist CD95 aber auch ein vielversprechendes Zielmolekül, über das wir
möglicherweise sehr spezifisch Wachstum und Ausbreitung von Bauchspeicheldrüsenkrebs
bremsen könnten."
Der Wirkstoff APG101 wird vom Heidelberger
Biotechnologie-Unternehmen Apogenix GmbH entwickelt. Die Gesellschaft ist eine
Ausgründung des DKFZ. Die vielversprechende Substanz wurde bereits erfolgreich
in einer klinischen Phase II-Studie zur Behandlung des Glioblastomrezidivs
geprüft: APG101 verlängerte deutlich das Gesamtüberleben der Patienten.
M. Teodorczyk, S. Kleber, D Wollny, J.P. Sefrin, B Aykut,
A. Mateos, P. Herhaus, I. Sancho-Martinez, O. Hill, C. Gieffers, J. Sykora, W.
Weichert, C. Eisen, A. Trumpp, M. Sprick, F. Bergmann, T. Welsch und A.
Martin-Villalba: CD95 promotes metastatic spread via Sck in pancreatic ductal
adenocarcinoma. Cell Death and Differentiation 2014, DOI: 10.1038/cdd.2014.217
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren
und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs
erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser
diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären
Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs
auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das
Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem
vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen
werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem
der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren
an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu
10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
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