Jülich, 29. Januar 2015 – Sprechen und Sprache
verstehen sind komplexe Leistungen, bei denen im Gehirn zahlreiche Gebiete
zusammenarbeiten. Der JARA-BRAIN Wissenschaftler Prof. Karl Zilles und ein Team
aus Jülich, Aachen, Leipzig und Finnland konnten nun erstmals nachweisen, dass
es einen einzigartigen molekularen Fingerabdruck gibt, der die sprachrelevanten
Hirnregionen auszeichnet. Der gemeinsame Code definiert sich durch die
spezifische Konzentration verschiedener Transmitterrezeptoren, die
Schlüsselmoleküle der Signalverarbeitung sind. Ihre typischen Konzentrationen
in den Sprachregionen unterscheiden sich deutlich von denen anderer Regionen,
die keine sprachrelevanten Aufgaben wahrnehmen. Die Forschungsergebnisse wurden
kürzlich im renommierten Fachmagazin "Cortex" publiziert. (DOI:
10.1016/j.cortex.2014.07.007)
Presseportal für Hochbegabung Beim Sprechen und Sprachverständnis arbeiten nicht nur nahe
zusammenliegende, sondern auch weit entfernte Gehirnareale zusammen. Laute
müssen aufgenommen und Begriffen zugeordnet, Wörter im Satzzusammenhang erfasst
werden und vieles mehr. Diese Informationen werden über Nervenfasern
weitergeleitet und in den beteiligten Sprachregionen verarbeitet. "Bisher
war die molekulare Grundlage dieser Verarbeitungsprozesse nicht bekannt",
erläutert der Neuroanatom Karl Zilles. Ihm und seinem Team gelang es, den
molekularen Code zu bestimmen, indem sie in einem aufwändigen Prozess Tausende
von hauchdünnen post mortem Hirnschnitten analysierten. Im Fokus des
wissenschaftlichen Interesses standen dabei fünfzehn verschiedene
Transmitterrezeptoren, die bei der Signalübertragung im Gehirn eine große Rolle
spielen. Transmitterrezeptoren sind komplexe Eiweißmoleküle, die als
"Andockstationen" für Botenstoffe wie etwa Glutamat, GABA,
Acetylcholin, Noradrenalin, Serotonin und Dopamin im Gehirn dienen. Sie sitzen
in der äußeren Hülle ("Membran") der Nervenzellen. Mit der
quantitativen Rezeptorautoradiographie machten die Forscher die Verteilung und
Konzentration dieser Rezeptoren in den acht untersuchten Hirnarealen für
Sprachverständnis und in zahlreichen anderen, nicht-sprachrelevanten Arealen
sichtbar.
"Bei unseren Untersuchungen erhielten wir eine sehr genaue Vorstellung
davon, in welcher Konzentration die Rezeptoren an welcher Stelle des jeweiligen
Hirnareals vorlagen", so Zilles. Um zu sehen, welche Areale miteinander in
Verbindung stehen, verglichen die Forscherinnen und Forscher anschließend die
Rezeptorausstattung der unterschiedlichen Regionen mit Hilfe eines
statistischen Verfahrens, der hierarchischen Clusteranalyse. Damit lassen sich
in großen Datenmengen Gruppen identifizieren, die Gemeinsamkeiten haben –
sogenannte Cluster. Das Ergebnis: "Die molekularen Fingerabdrücke der
sprachrelevanten Areale ähnelten sich, so dass sie ein Cluster bilden. Dieses
unterscheidet sich deutlich von Clustern anderer Hirnregionen, die beispielsweise
sensorische Signale aus den Augen, Ohren oder den Tastorganen
weiterverarbeiten." Bei der Clusteranalyse zeigte sich außerdem, dass das
Sprachcluster in der linken Hemisphäre mehr Regionen umfasst als in der
rechten. Dies entspricht auf molekularer Basis der klinischen Erfahrung, dass
die linke Hemisphäre beim Sprechen und Sprachverständnis dominiert.
Untersuchte Hirnregionen
Copyright: Forschungszentrum Jülich
Copyright: Forschungszentrum Jülich
Weitere Abbildung:
Verteilung von 15 verschiedenen Transmitterrezeptoren in
der Hirnrinde des Areals 45d der Broca‘schen Sprachregion des
Menschen (PDF, 123 kB)

Weitere Informationen:
Ansprechpartner:
Prof. Karl Zilles, JARA-Senior Professor of Brain Research, Institut für
Neurowissenschaften und Medizin, Bereich Strukturelle und Funktionelle
Organisation des Gehirns (INM-1), Forschungszentrum Jülich
und
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, RWTH Aachen,
Tel. 02461 61-3015
E-Mail: k.zilles@fz-juelich.de
und
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, RWTH Aachen,
Tel. 02461 61-3015
E-Mail: k.zilles@fz-juelich.de
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