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Teilansicht des experimentellen Aufbaus, an dem die AEI-Wissenschaftler ihre neue Quantenmessmethode demonstrierten.© Albert-Einstein-Institut Hannover |
Hochbegabungspresse
Physiker der Max-Planck-Gesellschaft
und der Leibniz Universität Hannover entwickeln neues Konzept, um die
Empfindlichkeit von Gravitationswellendetektoren zu verbessern
Laserinterferometer messen winzige
Abstandsänderungen mit hoher Präzision. Doch in diesen Instrumenten
auftretendes Streulicht beeinträchtigt und begrenzt die Messgenauigkeit.
Forscher des Albert-Einstein-Instituts Hannover haben nun erstmals gezeigt, wie
sich mittels Laserlicht mit maßgeschneiderten Quanteneigenschaften eindeutig
zwischen Messsignal und Streulicht unterscheiden lässt. Das neuartige
Messkonzept umgeht die Heisenbergsche Unschärferelation und kann zukünftig die
Genauigkeit von Gravitationswellendetektoren wie GEO600 oder dem mit GEO eng
kooperierenden amerikanischen Advanced LIGO-Projekt (aLIGO) steigern.
Geschärfter Quantenblick auf
Gravitationswellen
Die Wissenschaftler des
Albert-Einstein-Instituts (AEI; Institut für Gravitationsphysik der Leibniz
Universität Hannover und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik) in
Hannover sind der letzten offenen Vorhersage von Einsteins Allgemeiner
Relativitätstheorie auf der Spur – den schwer zu fassenden Gravitationswellen,
die ein neues Fenster zum All öffnen werden. Die Forscher wollen die
Kräuselungen der Raumzeit mit Detektoren wie GEO600 in Ruthe bei Hannover und
aLIGO in den USA aufspüren. Dort arbeiten Laser, die winzige, von
Gravitationswellen hervorgerufene Längenänderungen registrieren sollen. Die
stetige Verbesserung der verwendeten Laser und die Minimierung von
Störeinflüssen – etwa Laserstreulicht – ist daher von großer Bedeutung.
Nun erzeugten die Physiker erstmals
Laserlicht mit maßgeschneiderten Quanteneigenschaften. Damit umgehen sie sogar
die Heisenbergsche Unschärferelation, die gewöhnlich die Genauigkeit von
Messungen begrenzt. „Durch den Einsatz unseres neuartigen Verfahrens kann der
Störeinfluss von Streulicht in Gravitationswellendetektoren zukünftig deutlich
reduziert werden. Damit würde GEO600 dann noch empfindlicher nach
Gravitationswellen aus dem All lauschen. Nach einem erfolgreichen Einbau kann
die Technologie dem weltweiten Netz der Gravitationswellenobservatorien zur
Verfügung gestellt werden“, sagt Roman Schnabel, Leiter der Arbeitsgruppe für
Quanteninterferometrie und gequetschtes Licht am AEI und Wissenschaftler im
Forschungsbereich „Quantensensoren“ des Exzellenzclusters QUEST.
Verschränkte Zustände
spielen die Hauptrollen im neuen
Messverfahren der Hannoveraner Forscher. Nach der Heisenbergschen
Unschärferelation lassen sich die quantenmechanische Eigenschaften prinzipiell
nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmen. Bei Teilchen gilt das etwa für Ort
und Impuls, bei Lichtwellen für Amplitude und Phase.
Bisher verwendeten die
AEI-Wissenschaftler bei GEO600 sogenanntes gequetschtes Laserlicht. Dabei
verringern die Forscher die Unschärfe in der Phase oder in der Amplitude des
Lichts, allerdings auf Kosten einer erhöhten Unschärfe in der anderen
Messgröße. So lassen sich jeweils nur entweder die Phase oder die Amplitude
sehr genau auslesen. „Für laserbasierte Präzisionsmessungen mit Hilfe einer
einzigen Quanteneigenschaft des Lichts ist ein Quetschlichtlaser das Instrument
unserer Wahl. Aber wir haben uns gefragt, ob auch in der anderen Messgröße
verwertbare Informationen stecken“, so Schnabel.
Daher wendeten die Forscher einen
weiteren Trick an. Durch die Überlagerung von zwei Quetschlichtlaserstrahlen
erzeugten sie zwei neue Laserstrahlen, die quantenmechanisch miteinander
verschränkt sind. Einer der Strahlen wird zur Präzisionsmessung verwendet, der
andere dient als Referenzstrahl. Durch einen Vergleich zwischen Mess- und
Referenzstrahl können die Forscher nun Phase und Amplitude gleichzeitig mit
verringerter Unschärfe vermessen und so winzige Schwankungen in beiden Größen
registrieren.
„Wir können der Heisenbergschen
Unschärferelation nun erstmals ein Schnippchen schlagen, weil wir die
Messgrößen relativ zu einem verschränkten Referenzsystem aufnehmen“, erklärt
Sebastian Steinlechner, Erstautor der nun in Nature Photonics erschienenen
Veröffentlichung. Er arbeitet als Doktorand in Schnabels Arbeitsgruppe im
Rahmen des Sonderforschungsbereich/Transregio 7.
Rote Karte für Streulicht
Damit unterdrücken die Physiker den
störenden Einfluss von Laserstreulicht im Detektor. Schon einzelne
Laserphotonen, die auf unerwünschten Umwegen durch den Detektor laufen, können
sich untrennbar mit dem Messsignal überlagern und so die Ergebnisse verfälschen.
Doch das neue Verfahren erlaubt nun eine genauere und voneinander unabhängige
Messung der Phasen- und Amplitudenschwankungen des Laserlichts. Durch diese
Aufspaltung in zwei unabhängige Komponenten lässt sich das Streulicht schon
während der Messung direkt identifizieren. Betroffene Messdaten werden von der
weiteren Auswertung ausgeschlossen – und die Genauigkeit des Endergebnisses
erhöht sich.
Der Gravitationswellendetektor
GEO600
kann die erste praktische Anwendung
für das neuartige Messkonzept der AEI-Wis\-sen\-schaft\-ler werden. Denn die
erforderlichen Technologien sind in einfacherer Form bereits seit zwei Jahren
im Detektor eingebaut und haben sich bewährt: Seit 2011 wurde die
Messgenauigkeit des interferometrischen Detektors GEO600 durch die Verwendung
gequetschten Laserlichts bereits um rund 50 Prozent gesteigert.
Doch wird sich die Empfindlichkeit
des Detektors nur dann weiter verbessern lassen, wenn die Physiker dem
Streulicht auf die Spur kommen. Die Forscher sind zuversichtlich, diesen
störenden Einfluss mit ihrem neuartigen Verfahren zu reduzieren und auf diese
Weise die Wahrscheinlichkeit einer ersten direkten Messung der
Gravitationswellen zu erhöhen.
Originalveröffentlichung
Quantum Dense Metrology: Steinlechner, S., Bauchrowitz, J., Meinders, M.,
Müller-Ebhardt, H., Danzmann, K. und Schnabel, R. in Nature Photonics,
im Druck; erhältlich über die Nature Photonics Homepage für registrierte
Journalisten.
Kontakt:
Prof. Dr. Roman Schnabel
Arbeitsgruppenleiter „Quanteninterferometrie und
gequetschtes Licht“
Albert-Einstein-Institut Hannover
Tel.: +49-(0)511-762-19169
E-Mail: roman.schnabel@aei.mpg.de
Dipl.-Phys. Sebastian Steinlechner
Erstautor der Veröffentlichung
Albert-Einstein-Institut Hannover
Tel.: +49-(0)511-762-17076
Dr. Benjamin Knispel
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Albert-Einstein-Institut Hannover
Tel.: +49-(0)511-762-19104
E-Mail: benjamin.knispel@aei.mpg.de
Weitere Informationen:
Homepage der Arbeitsgruppe
„Quanteninterferometrie und gequetschtes Licht“:
Homepage des
Albert-Einstein-Instituts:
Homepage des
Gravitationswellendetektors GEO600:
Homepage des
Exzellenzclusters QUEST:
Homepage des
Sonderforschungsbereich/Transregio 7:
Bilder zu dieser
Pressemitteilung auf Anfrage oder nach Ablauf des Embargos unter:
Milde Marketing
Science Communication
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