Hochbegabungspresse
Themen
von natürlichen Ressourcen in alten Kulturen und Moderne über CO2-Abscheidung
bis zu Energiewandlung und Tumortherapie / Insgesamt 94 Millionen Euro für
erste Förderperiode
24.
Mai 2013
Die
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zwölf weitere
Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss jetzt der zuständige
Bewilligungsausschuss der DFG auf seiner Frühjahrssitzung in Bonn. Die neuen
SFB werden mit insgesamt 94 Millionen Euro für zunächst drei Jahre und neun
Monate gefördert. Hinzu kommt eine jeweils 20-prozentige Programmpauschale für
indirekte Kosten, die sich aus den Forschungsprojekten ergeben.
Themen
der neu bewilligten SFB sind unter anderem der soziokulturelle Umgang mit Öl,
Metallen, Nahrung und anderen natürlichen Ressourcen in alten Kulturen und der
modernen Gesellschaft, pathogene Pilze und durch sie ausgelöste Infektionen
oder die elementaren Schritte der Energiewandlung in Materialien. Weitere
Einrichtungen wollen die wissenschaftlichen Grundlagen für neue Technologien
zur CO2-Abscheidung oder neue Wege der Tumortherapie legen.
Drei der zwölf neuen Verbünde sind SFB/Transregio (TRR),
die sich auf mehrere Forschungsstandorte verteilen. Zusätzlich zu diesen
Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 20 SFB
für jeweils eine weitere Förderperiode. Die DFG fördert damit ab Oktober 2013
insgesamt 232 Sonderforschungsbereiche.
Neben
seinen Förderentscheidungen diskutierte der Bewilligungsausschuss auch intensiv
über finanzielle Rahmenbedingungen. Angesichts der vor allem in der
Einzelförderung stark steigenden Antragsvolumina sieht sich die DFG in der
Verantwortung, die Balance zwischen ihren Förderprogrammen im Blick zu
behalten, ohne die Funktionsfähigkeit einzelner Programme und Projekte zu
gefährden. Der Bewilligungsausschuss folgte daher einem Vorschlag von
DFG-Präsident Strohschneider als Ausschussvorsitzendem, der zwei finanztechnische
Maßnahmen vorsieht: ein Moratorium für
zusätzliche Anträge im Rahmen laufender SFB („Nachanträge“) bis Ende
2014 und eine Verkürzung der ersten Förderperiode für alle bis einschließlich
Mai 2014 neu bewilligten SFB um drei Monate. Die durch diese Maßnahmen bis Ende
2014 frei werdenden Mittel in Höhe von etwa 35 Millionen Euro sollen in die
Einzelförderung fließen.
Die
neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen
(in
alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen)
Trotz
der mit der Energiewende verbundenen Umstellung auf regenerative Energien wird
weiterhin auch der Rückgriff auf fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdgas
unverzichtbar bleiben. Das dabei freigesetzte CO2 gilt es im
Interesse der Umwelt aber zu reduzieren. Hier setzen „Carbon Capture and
Storage“-Methoden an, etwa die sogenannte Oxyfuel-Verbrennung. Sie ist eine der
vielversprechendsten Technologien zur CO2-Abscheidung: Der
Brennstoff wird dabei anstelle von Luft mit einem Gemisch aus Sauerstoff und
Rauchgas verbrannt. Der SFB/Transregio „Oxyflame – Entwicklung von Methoden
und Modellen zur Beschreibung der Reaktion fester Brennstoffe in einer
Oxyfuel-Atmosphäre“ will diese Technologie grundlegend erforschen.
(Sprecherhochschule:
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Sprecher: Professor
Dr.-Ing. Reinhold Kneer; außerdem beteiligt: Ruhr-Universität Bochum,
Technische Universität Darmstadt)
Der
SFB „Nanocarrier: Architektur, Transport und zielgerichtete Applikation von
Wirkstoffen für therapeutische Anwendungen“ legt seinen Schwerpunkt auf die
Behandlung von entzündlichen Hauterkrankungen durch wirkstoffbeladene
Trägersysteme aus dem Nanogrößenbereich: den sogenannten Nanocarriern. Für eine
erfolgreiche topische, also örtliche, äußerliche Therapie ist die Aufnahme von
Wirkstoffen bedeutsam – ihre Konzentration am Wirkort bei gleichzeitiger
Reduktion systemischer Wirkungen erscheint dabei am effizientesten. Das
erklärte Forschungsziel des SFB ist es, die nanoskopischen Trägersysteme ebenso
zu optimieren wie die Konzepte der topischen Therapie insgesamt.
(Sprecherhochschule:
Freie Universität Berlin, Sprecher: Professor Dr. Eckart Rühl; außerdem
beteiligt: Charité Berlin, Helmholtz-Zentrum Geesthacht: Institut für
Polymerforschung Teltow)
Ein
neurowissenschaftliches Themenfeld greift der SFB „Funktion synaptischer
Mikronetzwerke und deren Störungen bei Erkrankungen des Zentralnervensystems“ auf:
Er verfolgt das Ziel, (patho-)physiologische Eigenschaften und Funktionsweisen
synaptischer Mikronetzwerke zu analysieren. Aus diesen Netzwerken bauen sich
die komplexen Eigenschaften des Gehirns auf. Bislang ungeklärt ist jedoch, wie
die unterschiedlichen zellulären und synaptischen Elemente eines solch
neuronalen Netzwerkes interagieren. An den beteiligten Institutionen in Bonn
und in Israel will man insbesondere Mikronetzwerke im gesunden Organismus mit
Zuständen bei neuronalen Erkrankungen wie der Epilepsie und der
Alzheimerkrankheit vergleichen.
(Sprecherhochschule:
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Sprecher: Professor Dr. Heinz
Beck; außerdem beteiligt: Technion – Israel Institute of Technology Haifa,
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Bonn, Forschungszentrum
caesar Bonn, Weizmann Institute of Science Rehovot, Israel)
B-Zellen
sind ein wesentlicher Bestandteil des Immunsystems und spielen daher eine große
Rolle bei der Behandlung zahlreicher Krankheiten, die auf Autoimmunreaktionen
basieren, wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis oder Allergien. Der
SFB/Transregio „B-Zellen: Immunität und Autoimmunität“ rückt die
B-Zell-Aktivierung, B-Zell-induzierte Antikörper-Antworten sowie ihre
Dysregulation in Autoimmunkrankheiten in das Zentrum seiner Forschung. Damit
will er einen Beitrag zu dem grundlegenden Verständnis von
Autoimmunerkrankungen leisten. Im Idealfall kann dies zu verbesserten
Therapiemöglichkeiten wie auch zu Immunisierungen durch gezielte Impfungen
führen. Der Forschungsansatz des SFB sieht eine Kombination von
Grundlagenforschung, etwa in Mausmodellen, mit Studien von menschlichen
Patienten vor.
(Sprecherhochschule:
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecher: Professor Dr. Lars
Nitschke; außerdem beteiligt: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Charité
Berlin, Georg-August-Universität Göttingen, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum
Berlin (DRFZ), Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie Berlin)
Fette
und Fettsäuren gehören zur Gruppe der Lipide, deren wichtige, aber eher
„inaktive“ Funktion etwa als Bestandteile von Zellmembranen schon lange bekannt
ist. Erst seit Kurzem jedoch wird klar, dass Lipide auch eine aktive Rolle als
Signalmoleküle für die inter- und intrazelluläre Kommunikation spielen und
ihnen bei Entzündung und Schmerz sowie der Entstehung und dem Verlauf von
Krankheiten wie Arteriosklerose, Diabetes oder Krebs eine wichtige Rolle
zukommt. Der SFB „Krankheitsrelevante Signaltransduktion durch
Fettsäurederivate und Sphingolipide“ verfolgt das Ziel, lipidvermittelte
Signalnetzwerke umfassend von der molekularen und zellulären Ebene bis hin zur
systemischen Ebene bei der Steuerung der Organfunktion und des Gesamtorganismus
zu verstehen. Die einzelnen Komponenten dieser Signalwege stellen
vielversprechende Zielstrukturen für Arzneimittel dar, sodass die neuen
Erkenntnisse auch konsequent zur Entwicklung neuer Therapeutika genutzt werden
sollen.
(Sprecherhochschule:
Goethe-Universität Frankfurt/Main, Sprecher: Professor Dr. Josef M.
Pfeilschifter; außerdem beteiligt: Max-Planck-Institut für Herz- und
Lungenforschung Bad Nauheim)
Um
die Energiewandlung in komplexen Materialien geht es beim Forschungsvorhaben
des SFB „Kontrolle von Energiewandlung auf atomaren Skalen“. Angestrebt
wird hier ein verbessertes mikroskopisches Verständnis der elementaren Schritte
der Energiewandlung in Materialien mit einstellbaren Anregungen und
Wechselwirkungen. Modellhaft wollen die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler Teilschritte der Energiekonversion analysieren; dabei sollen
auch neuartige Ansätze zur Beeinflussung und Steuerung von Energieübergängen
erprobt werden.
(Sprecherhochschule:
Georg-August-Universität Göttingen, Sprecher: Professor Dr. Christian Jooß;
außerdem beteiligt: Technische Universität Clausthal, Max-Planck-Institut für
biophysikalische Chemie Göttingen)
Die
Bedeutung von Pilzinfektionen wurde lange unterschätzt. Sie zählen heute zu den
häufigsten Todesursachen in der industrialisierten Welt. Die starke Zunahme an
schweren Erkrankungen mit pathogenen Pilzen in den letzten zwei Jahrzehnten
sowie die immer noch weitgehende therapeutische Ohnmacht gegenüber diesen
Krankheiten machen die Thematik des SFB/Transregio „Pathogene Pilze und ihr
menschlicher Wirt: Netzwerke der Interaktion“ aktuell und drängend. Am
Beispiel des Hefepilzes Candida albicans und des Schimmelpilzes Aspergillus
fumigatus sollen die Infektionsprozesse ergründet werden, um neue
anti-infektive Strategien zu entwickeln.
(Sprecherhochschule:
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sprecher: Professor Dr. Axel Brakhage;
außerdem beteiligt: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Leibniz-Institut
für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V., Hans-Knöll-Institut (HKI)
Jena)
Die
Wechselwirkungen zwischen der Oberflächenbiosphäre und der Rolle von Organismen
in den tieferen Erdschichten sind wissenschaftlich bislang kaum ergründet
worden. Der neue SFB „AquaDiva: Forschungsverbund zum Verständnis der
Verknüpfungen zwischen der oberirdischen und unterirdischen Biogeosphäre“ will
diesem Forschungsdefizit begegnen. Er konzentriert sich auf den Bereich der
„Kritischen Zone“, der unterhalb der intensiv durchwurzelten Bodenschicht
beginnt. Dabei werden sowohl das Wasser (Aqua) als auch die Biodiversität
(Diva) untersucht, um zu beantworten, welche Organismen dort leben und wie sie
mit ihrem Lebensraum interagieren.
(Sprecherhochschule:
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sprecherin: Professor Dr. Kirsten Küsel;
außerdem beteiligt: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig, Institut für
Photonische Technologien Jena, Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena)
Eine
nanopartikelbasierte Tumortherapie soll innerhalb des SFB „Nanodimensionale
polymere Therapeutika für die Tumortherapie“ entwickelt werden. Die
Forscherinnen und Forscher wollen sich dabei auf die Tumorimmuntherapie
fokussieren, da sie besonders geeignet erscheint, auch minimale
Resterkrankungen, etwa versteckte Metastasen, dauerhaft eliminieren zu können.
Der SFB nähert sich dem Forschungsgegenstand von zwei Seiten: Die Chemikerinnen
und Chemiker befassen sich sowohl mit der synthetischen Machbarkeit als auch
mit den Struktur-Eigenschaftsbeziehungen der Trägermaterialien. Ihre
Kolleginnen und Kollegen aus der Biomedizin wollen Konzepte zur optimalen
Einsetzung solch neuer Träger im Sinne einer Kombinationstherapie zur
Aktivierung des Immunsystems gegen den Tumor entwickeln.
(Sprecherhochschule:
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Sprecher: Professor Dr. Rudolf Zentel;
außerdem beteiligt: Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz)
In
den modernen Materialwissenschaften und ihren technischen Anwendungen spielen
die inneren Grenzflächen zwischen Festkörpern eine maßgebliche Rolle, etwa in
Halbleiterbauelementen. Der SFB „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ will
deshalb ein mikroskopisches Verständnis der Struktur und der Dynamik
vergrabener, innerer Grenzflächen in Materialien erlangen. Die Bedeutung
innerer Grenzflächen wird sogar noch zunehmen, insbesondere in Bezug auf
Hybridmaterialien aus anorganischen und organischen Stoffen. Solche
Hybridmaterialien werden zum Beispiel zur Herstellung neuartiger Solarzellen
und anderer elektronischer Bauelemente verwendet.
(Sprecherhochschule:
Philipps-Universität Marburg, Sprecher: Professor Dr. Ulrich Höfer; außerdem
beteiligt: Donostia International Physics Center San Sebastián, Spanien)
Der
SFB „Chromatindynamik“ erforscht grundlegende Prinzipien dynamischer
Struktureigenschaften des Chromatins, also des Materials, aus dem Chromosomen
bestehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widmen sich den
Mechanismen, die die Vielgestaltigkeit und Flexibilität des Chromatins bedingen
und ihm die notwendige Plastizität verleihen, um auf Signale des Stoffwechsels,
der Umwelt oder im Zuge von Entwicklungsprozessen zu reagieren. Bislang nahm
man an, dass die in Proteine verpackte DNA – das Chromatin – die meiste Zeit in
stabilen Zuständen im Zellkern vorliege. Neue Erkenntnisse gehen jedoch von
einer wesentlich größeren Dynamik aus. Genau hier setzt die Grundlagenforschung
des SFB an.
(Sprecherhochschule:
Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprecher: Professor Dr. Peter Burkhard
Becker; außerdem beteiligt: Helmholtz Zentrum München: Deutsches
Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt Oberschleißheim,
Max-Planck-Institut für Biochemie Planegg)
Was
bedeuten Ressourcen für Dynamiken des menschlichen Zusammenlebens? Diese Frage
ist angesichts endlicher natürlicher Ressourcen wie Erdöl, Metalle oder
Nahrungsmittel von enormer Bedeutung und wird nicht nur in Gesellschaft,
Wirtschaft und Politik, sondern auch in den archäologischen Disziplinen
diskutiert. Der SFB „RessourcenKulturen. Soziokulturelle Dynamiken im Umgang
mit Ressourcen“ unternimmt nun den Versuch, den Ressourcenbegriff alter
Kulturen mit der aktuellen Diskussion zu verknüpfen. Dazu vertreten die
beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Hypothese, dass
Ressourcen in der Regel nicht isoliert auftreten, sondern als Teil von
„Ressourcenkomplexen“, also Kombinationen von Dingen, Personen, Wissen und
Praktiken.
(Sprecherhochschule:
Eberhard Karls Universität Tübingen, Sprecher: Professor Dr. Martin Bartelheim;
außerdem beteiligt: Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie Mannheim, Landesamt für
Denkmalpflege Konstanz)
Weiterführende
Informationen
Weitere
Informationen erteilen die Sprecherinnen und Sprecher der
Sonderforschungsbereiche.
Ansprechpartner
in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr.
Klaus Wehrberger, Leiter der Gruppe Sonderforschungsbereiche,
Forschungszentren, Exzellenzcluster,
Tel.
+49 228 885-2355,
Klaus.Wehrberger@dfg.de
Ausführliche
Informationen zum Förderprogramm und den geförderten Sonderforschungsbereichen
auch unter: www.dfg.de/sfb/