Fotograf: Leo Pompinon
Hochbegabungspresse Immer mehr Angebote der Bibliotheken sind online verfügbar. Mit dem PC
oder Smartphone können die Nutzer Ausleihfristen verlängern, Zeitschriften
lesen oder E-Books herunterladen. Doch das kostet Geld, das viele Öffentliche
Bibliotheken nicht haben. Sie könnten den Anschluss an die moderne
Internet-Gesellschaft verlieren.
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Flavia ist zwar erst elf Jahre alt. Doch in der Chemie hat sie es
bereits zur Meisterschaft gebracht. Vor allem todbringende Substanzen,
indianische Pfeilgifte etwa oder Arsen, haben es ihr angetan. Als Flavias
Vater eines Tages des Mordes verdächtigt wird, entdeckt sie ein zweites
Talent, die Detektivarbeit. Der Schriftsteller Alan Bradley hat mit „Mord im
Gurkenbeet“ einen spannenden Krimi geschrieben. Lesen muss man ihn aber
nicht. Die Schauspielerin und Tatort-Kommissarin Andrea Sawatzki, eine
fachkundige Expertin also, liest ihn auch vor – als Hörbuch-Krimi.
„Mord im Gurkenbeet“ ist eines von tausenden Angeboten, die auf den
Internet-Seiten deutscher Bibliotheken zum Download bereit stehen. Krimis
oder Romane als Hörbücher, Fachbücher als E-Books, die aktuelle Ausgabe des
Nachrichtenmagazins „Spiegel“ oder der Wochenzeitung „Die Zeit“ – dies und
vieles mehr steht Bibliotheksnutzern mit wenigen Klicks auf dem eigenen
Computer zur Verfügung. Im Zeitalter der Digitalisierung kommt die Bibliothek
per elektronischer Ausleihe zu ihnen nach Hause. Rund 500 Bibliotheken bieten
dieses virtuelle Ausleihsystem mittlerweile an. Gut 600 sollen es bis Ende
des Jahres sein, also nahezu jede vierte mit hauptamtlichen Mitarbeitern
besetzte Öffentliche Bibliothek.
Keine zusätzlichen Kosten für die
Nutzer
„Das Internet eröffnet uns die Möglichkeit, unseren Nutzern eine Reihe
interessanter neuer Angebote zu machen“, sagt Barbara Schleihagen, die
Geschäftsführerin des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv). „Neben der
elektronischen Ausleihe können sie online in den Beständen der Bibliotheken
nach Medien suchen, Buchbestellungen aufgeben oder Ausleihfristen
verlängern.“ Gerade in ländlichen Gebieten, in denen die Wege zur Bibliothek
mitunter lang sein können, sei das ein enormer Fortschritt. Zusätzliche
Kosten fallen dafür nicht an. Die Nutzer zahlen lediglich die vielerorts
üblichen Bibliotheksausweisgebühren.
Dass sich Bibliotheksbesucher klassische Medien wie Bücher oder CDs
ausleihen, wird nach Meinung vieler Experten in den kommenden Jahren weiter
abnehmen. Im Gegenzug soll die digitale Ausleihe stark zunehmen. Derzeit sind
es bundesweit etwa eine Million Ausleihen jährlich. Diese Zahl steigt
kontinuierlich.
Doch um die elektronische Ausleihe anbieten zu können, benötigen die
Bibliotheken zunächst eine technische Erstausstattung, die mehrere tausend
Euro kostet. Zudem müssen sie entsprechende Lizenzen für die Inhalte, die sie
anbieten wollen, erwerben. „Das alles müssen sie aus ihrem Budget zusätzlich
zu ihrem ,physischen‘ Bestand finanzieren“, sagt Barbara Schleihagen, „für
viele ein Ding der Unmöglichkeit.“ Die Mittel für den Bestandsaufbau müssten
deshalb dringend erhöht werden. Die aktuellen Zahlen des dbv zeigen jedoch
ein anderes Bild: Bei jeder fünften Bibliothek werden derzeit die Zuweisungen
gekürzt. Probleme bereiten zudem einige Verlage. Gerade bei aktuellen
Bestsellern sind sie vielfach nicht bereit, über entsprechende
Bibliothekslizenzen zu verhandeln.
Dabei entwickeln sich die technischen Möglichkeiten schon heute rasant.
Smartphones und Tablet-PCs machen das Internet-Angebot der Bibliotheken
zunehmend mobil. In der Bahn, im Wartezimmer oder am Strand können sich die
Nutzer Lektüre herunterladen oder nachsehen, ob die Bibliothek um die Ecke
die neuesten Bestseller im Angebot hat.
Auf den Spuren des Märchenkönigs
Die Bayerische Staatsbibliothek zählt zu den Vorreitern der digitalen
Bibliothekswelt. Sie zeigt in vielen Projekten, welche Möglichkeiten sich in
diesem Bereich eröffnen. Eine ihrer Smartphone-Applikationen trägt den Titel
„Ludwig II.“. Sie ermöglicht es, auf den Spuren des Märchenkönigs zu wandeln.
Dazu zeigt sie auf dem Smartphone der Nutzer beispielsweise Infos zu 140
Orten in Bayern und Europa mit Ludwig II.-Bezug. Apps seien erst der Anfang
für die vielfältige Nutzung digitaler Inhalte, sagt Dr. Klaus Ceynowa, der
stellvertretende Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek. „Die
kontinuierliche technische Weiterentwicklung wird auch für uns neue
Möglichkeiten der Nutzung schaffen.“
Immer öfter kann man Smartphones auch in den Bibliotheken nutzen. So
genannte QR-Codes (Quick Response) sind an Regalen angebracht und können von
den Mobilgeräten gelesen werden. Sie geben den Nutzern hilfreiche
Zusatzinformationen. Das können weitere Lektüre-Tipps sein oder Hinweise zu
Datenbanken.
Anders als man denken könnte, sinkt die Zahl der Bibliotheksnutzer durch
die digitale Bereitstellung vieler Werke nicht. Im Gegenteil. Sie bleiben ein
wichtiger Treffpunkt und Arbeitsplatz. „Die besondere Arbeitsatmosphäre
beispielsweise zieht die Nutzer an“, meint Klaus Ceynowa. „Bibliotheken sind
semi-öffentliche Plätze am Schnittpunkt zwischen Privatem und Öffentlichem.“
Zudem gebe es ein Grundbedürfnis nach sozialem Kontakt. Bibliotheken böten
dazu das passende Umfeld.
(Autor: dbv, Text mit
Leerzeichen: 4855 Zeichen)
Kasten:
Wie die elektronische Ausleihe
funktioniert
Bibliothekskunden haben die
Möglichkeit, elektronische Titel über die Website ihrer Bibliothek auf ihren
eigenen Computer, ihren Tablet-PC, ihr Smartphone oder E-Book
herunterzuladen. Jede Datei enthält durch einen technischen Schutz ein
„Verfallsdatum“, so dass sie nach dem Download nur für einen bestimmten
Zeitraum nutzbar ist. Anschließend steht der Titel anderen Nutzern wieder zur
Verfügung.
Die DiViBib GmbH in Wiesbaden zum
Beispiel handelt mit den Verlagen Lizenzen zur Nutzung elektronischer Inhalte
aus. Diese Lizenzen bietet das private Unternehmen den Bibliotheken an. Sie
können dann aus einer Datenbank auswählen, welche Titel sie ihren Nutzern
anbieten wollen. Derzeit bietet die DiViBib GmbH den Bibliotheken etwa 40.000
elektronische Titel an.
(Autor: dbv, Kasten-Text: 761
Zeichen)
Die bundesweite Aktionswoche „Treffpunkt Bibliothek“
wird bereits zum fünften Mal vom Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv)
koordiniert. Vom 24. bis 31. Oktober 2012 präsentieren sich Bibliotheken in
ganz Deutschland als Partner für Medien- und Informationskompetenz sowie für
Bildung und Weiterbildung. Sie veranstalten Lesungen, Ausstellungen,
Workshops, Events, Bibliotheksnächte und viele weitere Aktionen, die im
gemeinsamen Terminkalender zu finden sind: www.treffpunkt-bibliothek.dewww.treffpunkt-bibliothek.de.
Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Im Deutschen
Bibliotheksverband e.V. (dbv) sind ca. 2.000 Bibliotheken aller Sparten und
Größenklassen Deutschlands zusammengeschlossen. Der gemeinnützige Verein
dient seit mehr als 60 Jahren der Förderung des Bibliothekswesens und der
Kooperation aller Bibliotheken. Sein Anliegen ist es, die Wirkung der
Bibliotheken in Kultur und Bildung sichtbar zu machen und ihre Rolle in der
Gesellschaft zu stärken. Zu den Aufgaben des dbv gehört auch die Förderung
des Buches und des Lesens als unentbehrliche Grundlage für Wissenschaft und
Information, sowie die Förderung des Einsatzes zeitgemäßer
Informationstechnologien.
Kontakt: Deutscher Bibliotheksverband e.V.
Barbara Schleihagen,
Geschäftsführerin, Tel.: 0 30/644 98 99 12
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