Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der geschädigten Ependymschicht innerhalb eines Hirnventrikels nach Verlust des Mpdz-Gens. Quelle: Anja Feldner, Manfred Ruppel, DKFZ |
Ein defektes Gen führt zu Veränderungen in der
Zellschicht zwischen Hirnflüssigkeit und dem eigentlichen Hirnnervengewebe und
verursacht so einen Flüssigkeitsstau im Gehirn. Mit diesem Zusammenhang haben
Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg nun
erstmals einen Mechanismus für genetisch bedingten Wasserkopf entdeckt.
Etwa eines von 2000 Neugeborenen hat einen Wasserkopf, in
der Fachsprache als Hydrocephalus bezeichnet. Dabei kann die Hirnflüssigkeit
nicht in Richtung Rückenmark abfließen und staut sich stattdessen in den
Flüssigkeitsräumen des Gehirns. Dadurch schwillt der Kopf ballonartig an und
Hirngewebe wird verdrängt. Es drohen verschiedene neurologische Folgen wie
Kopfschmerzen, Erbrechen, Seh- und Bewegungsstörungen, Krampfanfälle oder
geistige Behinderungen. Die möglichen Ursachen für die Entstehung eines
Hydrocephalus sind vielseitig. In einigen Fällen ist die Störung genetisch
bedingt.
Das Team um Andreas Fischer, Deutsches
Krebsforschungszentrum Heidelberg, entdeckte bereits 2013, dass ein Defekt in
einem Gen namens Mpdz bei Mäusen einen Wasserkopf verursacht. Im selben Jahr
machten Wissenschaftler aus Saudi Arabien das menschliche Pendant dazu als eine
genetische Ursache für Hydrocephalus beim Menschen aus.
Nun ist es Fischer und seinem Team gelungen, den
Mechanismus hinter diesem Gendefekt aufzudecken. Die Wissenschaftler haben
beobachtet, dass bei neugeborenen Mäusen mit defektem Mpdz-Gen das Ependym, die
trennende Zellschicht zwischen Hirnnervengewebe und Hirnflüssigkeit, stark
geschädigt ist. Um diese lebensnotwendige Grenze aufrecht zu erhalten, wandern
andere Zellen, so genannte Astroglia, ein. Sie sorgen für Stabilität der
trennenden Gewebeschicht - jedoch zu einem hohen Preis: Das Ependym vernarbt, wodurch
sich das so genannte Aquädukt, die enge Verbindung zwischen zwei
Hirnventrikeln, verschließt und die Hirnflüssigkeit nicht mehr abfließen kann.
"Es spricht vieles dafür, dass ein Verlust des
Mpdz-Gens die Stabilität der dichten Verbindungen, den so genannten Tight
Junctions, zwischen benachbarten Zellen des Ependyms vermindert", erklärt
Anja Feldner, Erstautorin der Studie. Das Genprodukt von Mpdz kontrolliert
Moleküle, die eine entscheidende Rolle für die Stabilität der Tight Junctions
spielen. Tatsächlich zeigte sich bei Experimenten in der Kulturschale, dass
diese Verbindungen zwischen Ependymzellen mit defektem Mpdz geschwächt sind.
"Damit haben wir einen entscheidenden Mechanismus aufgeklärt, wie ein
genetisch bedingter Hydrocephalus entsteht", erläutert Andreas Fischer.
Anja Feldner, M. Gordian Adam, Fabian Tetzlaff, Iris
Moll, Dorde Komljenovic, Felix Sahm, Tobias Bäuerle, Hiroshi Ishikawa, Horst
Schroten, Thomas Korff, Ilse Hofmann, Hartwig Wolburg, Andreas von Deimling und
Andreas Fischer: Loss of Mpdz impairs ependymal cell integrity leading to
perinatal-onset hydrocephalus in mice. EMBO Molecular Medicine 2017. DOI:
10.15252/emmm.201606430
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass
Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren
präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden
können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes
(KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die
Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat
das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die
Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale
Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben
universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu
10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
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