Bestrahlungen der Lunge führen oft zu irreversiblen
bindegewebigen Veränderungen, die die Funktionsfähigkeit des Lungengewebes
einschränken. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum konnten
diesen Prozess nun bei Mäusen mit einem Antikörper verhindern und sogar
rückgängig machen.
Bei etwa zwei Dritteln aller Krebskranken gehört die
Strahlentherapie heute zur Behandlung. Meist vertragen die Patienten die
Therapie gut, doch kann es auch zur Schädigung der mitbestrahlten gesunden
Gewebe kommen. Besonders belastend ist die so genannte Strahlenfibrose. Dabei
handelt es sich um narbige Umbildungen, bei denen das gesunde Gewebe durch
weniger elastisches Bindegewebe ersetzt wird, dadurch verhärtet und in seiner
Funktion eingeschränkt ist.
Das betrifft insbesondere die empfindliche Lunge, wenn
Lungenkrebs mit Strahlen behandelt wird. Die Fibrose erschwert den
Gasaustausch, die Betroffenen leiden unter Atemnot.
"Wir wissen, dass eine ganze Reihe von
Wachstumsfaktoren und entzündungsfördernden Botenstoffen bei der Entstehung
einer Fibrose eine Rolle spielen. Aber bisher konnten Wirkstoffe gegen diese
Zielmoleküle nur unzureichend einer Lungenfibrose vorbeugen und deren Symptome
kaum verbessern. Schon gar nicht ließ sich eine einmal bestehende Fibrose wieder
rückgängig machen", sagt Peter Huber vom Deutschen Krebsforschungszentrum.
"Wir suchen daher dringend nach molekularen Zielstrukturen, über die wir
diesen unheilvollen Prozess unterbrechen, abbremsen und möglicherweise sogar
rückgängig machen können."
Huber und Kollegen erprobten nun an Mäusen einen
Antikörper, der den Bindegewebe-Wachstumsfaktor (CTGF, connectiv tissue growth
factor) blockiert. CTGF gilt als zentraler Signalgeber bei der bindegewebigen
Umwandlung des Lungengewebes. Die Forscher verabreichten Mäusen den Antikörper
über acht Wochen, beginnend zu verschiedenen Zeitpunkten vor oder nach einer
Bestrahlung.
Alle Therapieschemata schützen bis zu 80 Prozent der
Tiere vor einer Fibrose. Bei einem Start der Behandlung 16 Wochen nach der
Bestrahlung machte der Antikörper eine fibrotische Umwandlung wieder
rückgängig: Die Dichte des Lungengewebes verringerte sich um über 50 Prozent,
die Lungenfunktion und die Sauerstoffversorgung verbesserten sich. Auch nach
Abschluss der Behandlung blieb der Gesundheitszustand der Tiere stabil und sie
überlebten deutlich länger als unbehandelte Mäuse.
Begann die Antikörperbehandlung 20 Tage nach der
Bestrahlung, so überlebten sogar 70 Prozent der Mäuse eine ansonsten tödliche
Strahlendosis.
Der Antikörper, den die Heidelberger Forscher einsetzten,
erkennt neben dem CTGF der Maus auch die menschliche Version des
Bindegewebe-Wachstumsfaktors. Er wird basierend auf den in dieser Arbeit
gewonnenen Daten bereits in klinischen Studien gegen andere Fibroseerkrankungen
untersucht.
"Der fibrotische Gewebeumbau nach der Bestrahlung
verläuft bei Mäusen und Menschen sehr ähnlich", sagt Sebastian
Bickelhaupt, der Erstautor der Studie. "Das spricht dafür, dass unsere
Ergebnisse auch für fibrosekranke Menschen relevant sind."
Die Bestrahlung eines Tumors kann nicht nur in der Lunge,
sondern auch in vielen anderen Organen zur Fibrose führen, die für die
Patienten erhebliche Einschränkungen bedeuten. Besonders häufig kommt dies bei
Brustkrebs, bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich und der Speiseröhre vor, aber auch
bei gynäkologischen Tumoren.
"Der Schutz vor einer Fibrose, den wir mit dem
Antikörper gegen CTGF bei Mäusen erzielen konnten, war beeindruckend", so
Huber. "Daher halten wir es für vielversprechend, den Antikörper auch bei
Patienten zu erproben, die sich einer Strahlentherapie unterziehen müssen.
Möglicherweise können darüber hinaus auch Patienten mit anderen, nicht
strahlenbedingten fibrotischen Erkrankungen von einer CTGF-Blockade
profitieren. Und vielleicht verbessern sich sogar die Heilungschancen: Wenn wir
die strahlenbedingten Nebenwirkungen reduzieren, können wir die Strahlendosis
im Tumor steigern."
Sebastian Bickelhaupt, Christian Erbel, Carmen Timke, Ute
Wirkner, Monika Dadrich, Paul Flechsig, Alexandra Tietz, Johanna Pföhler,
Wolfgang Gross, Peter Peschke, Line Hoeltgen, Hugo A. Katus, Hermann-Josef
Gröne, Nils H. Nicolay, Rainer Saffrich, Jürgen Debus, Mark D. Sternlicht, Todd
W. Seeley, Kenneth E. Lipson, Peter E. Huber: Effects of CTGF Blockade on
Attenuation and Reversal of Radiation-Induced Pulmonary Fibrosis. Journal of
the National Cancer Institute 2017, DOI 10.1093/jnci/djw339
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass
Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren
präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden
können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes
(KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die
Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat
das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die
Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale
Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben
universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu
10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
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