Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum
fanden heraus, dass ein Rezeptor für den Neurotransmitter Dopamin Wachstum und
Ausbreitung des gefährlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs fördert. Medikamente
gegen Schizophrenie, die die Funktion dieses Rezeptors blockieren,
verlangsamten in Mäusen das Tumorwachstum und bremsten die Metastasierung.
Krebs der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist eine extrem
aggressive Erkrankung: Fast ebenso viele Menschen, wie jedes Jahr an diesem
Tumor erkranken, versterben auch daran. Betroffen sind in Deutschland jährlich
9100 Männer und 9500 Frauen (Prognose für 2016, Robert Koch Institut). Während
bei den meisten anderen Krebsarten Fortschritte in der Vorbeugung,
Früherkennung und Therapie die Sterblichkeitsraten senken konnten, steigen sie
bei Bauchspeicheldrüsenkrebs kontinuierlich an.
"Die Tumoren verursachen lange Zeit keine Symptome
und werden deshalb erst spät entdeckt. Dazu kommt eine aggressive
Tumorbiologie, d.h. der Krebs streut schon sehr früh Metastasen. Und zu allem
Überfluss entwickelt Pankreaskrebs sehr schnell Resistenzen gegen vorhandene
Chemotherapeutika", sagt Jörg Hoheisel vom Deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ).
Dringend gesucht werden daher neue molekulare
Angriffspunkte, über die sich Bauchspeichdrüsenkrebs bekämpfen lässt. Dazu
unternahmen Hoheisel und seine Kollegen aus Heidelberg, Tübingen, Liverpool,
Verona, Toronto und Montreal an insgesamt 195 Fällen von Pankreaskrebs eine
großangelegte Analyse der Genaktivität. "Dabei haben wir uns unter den
annähernd 3000 Genen, deren Aktivität in den Krebszellen gesteigert oder
gedrosselt war, besonders auf solche Erbanlagen konzentriert, die bei mehreren
krebsrelevanten Signalwegen zugleich eine Rolle spielen", erklärt Yasser
Riazalhosseini von der McGill Universität in Toronto, der gemeinsam mit
Hoheisel die Studie geleitet hat.
Mit dieser Taktik kamen sie auf die Spur des
Dopamin-Rezeptors D2 (DRD2). Das DRD2-Gen war in Krebszellen deutlich aktiver
als im gesunden Pankreas, vom DRD2-Rezeptorprotein enthielten die Krebszellen
sogar das Vierfache der normalen Menge.
Dopamin-Rezeptor-Blockade hemmt Krebswachstum
Im Gehirn vermittelt der Dopamin-Rezeptor die Wirkung des
wichtigen Neurotransmitters Dopamin, der Motivation und Antrieb steigert. Wie
kann ein Rezeptorprotein, das Medizinern hauptsächlich im Zusammenhang mit
Schizophrenie und Psychosen bekannt ist, die bösartigen Eigenschaften von
Krebszellen beeinflussen? Das prüften die Forscher an Pankreaskrebs-Zelllinien,
in denen sie das DRD2-Gen ausgeschaltet hatten: Tatsächlich wuchsen diese
Zellen langsamer und bildeten, auf Mäuse übertragen, kleinere Tumoren aus.
Als Schlüsselmolekül bei vielen psychotischen
Erkrankungen ist DRD2 die Zielstruktur zahlreicher Psychopharmaka. Medikamente,
die die DRD2-Funktion blockieren ("Dopamin-Antagonisten") stehen seit
den1950er Jahren zur Verfügung. Dazu zählt etwa das Medikament Pimozide: Mit
dieser Substanz konnten die Forscher um Hoheisel tatsächlich das Wachstum von
Pankreaskrebs-Zelllinien verlangsamen und ihre Beweglichkeit wesentlich
einschränken.
Die Forscher übertrugen menschliche Pankreaskrebszellen
auf Mäuse und ließen sie zu Tumoren heranwachsen. Nach Behandlung der Tiere mit
einem anderen Dopamin-Antagonisten - Haloperidol, einem häufig gegen Schizophrenie
verschriebenen Medikament - entwickelten sich kleinere Tumoren und vor allem
weniger Metastasen als in den unbehandelten Tieren.
"Wir wissen derzeit noch nicht, ob Haloperidol oder
die verwandten Medikamente bei Bauchspeicheldrüsenkrebs-Patienten die gleiche
Wirkung haben wie bei Tumorzellen in Kultur oder in Mäusen", sagt Jörg
Hoheisel. Interessant sei in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass
Schizophrenie-Patienten, die oft langfristig mit Dopamin-Antagonisten behandelt
werden, insgesamt eine niedrigere Rate an soliden Tumoren haben als die
Allgemeinbevölkerung. Möglicherweise ist der krebshemmende Effekt also nicht
auf die Bauchspeicheldrüse beschränkt.
Die DKFZ-Forscher wollen nun möglichst rasch prüfen, ob
die Medikamente aus der Gruppe der Dopamin-Antagonisten bei Patienten mit
Bauchspeichdrüsenkrebs den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Sie
kooperieren dazu, wie auch bei den bisherigen Studien, eng mit Markus W.
Büchler vom Universitätsklinikum Heidelberg, um in möglichst naher Zukunft
erste Bauchspeicheldrüsenkrebs-Patienten zu behandeln. "Wir haben großes
Glück, dass wir auf bereits zugelassene Medikamente gestoßen sind - das sollte
die erforderlichen, aufwändigen Sicherheitsprüfungen vereinfachen", so
Hoheisel.
Dopamin-Rezeptor schützt Krebszellen vor biochemischem
Stress
Die DKFZ-Forscher wollten darüber hinaus auch auf
molekularer Ebene verstehen, wie der Dopamin-Rezeptor das Krebswachstum
antreibt. Normalerweise verhindert DRD2 über ein wichtiges intrazelluläres
Signalmolekül ("cAMP"), dass Zellen in biochemischen Stress geraten.
Nach DRD2-Blockade sind insbesondere die sich schnell teilenden Krebszellen
diesem Stresszustand ausgesetzt, was den Zellteilungszyklus unterbricht und zum
Zelltod Apoptose führt.
Bereits bei chronischer Pankreasentzündung, die als
Vorläufer von Bauchspeicheldrüsenkrebs gilt, fanden die Forscher überaktivierte
DRD2-Gene. Andere Autoren haben auch in Krebsstammzellen erhöhte Aktivität des
DRD2-Gens beschrieben. Daher gehen Hoheisel und Kollegen davon aus, dass es
bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Krebsentstehung zu dieser
Veränderung kommt.
Pouria Jandaghi, Hamed S. Najafabadi, Andrea S. Bauer,
Andreas I. Papadakis, Matteo Fassan, Anita Hall, Anie Monast, Magnus von Knebel
Doeberitz, John P. Neoptolemos, Eithne Costello, William Greenhalf, Aldo
Scarpa, Bence Sipos, Daniel Auld, Mark Lathrop, Morag Park, Markus W. Büchler,
Oliver Strobel, Thilo Hackert, Nathalia A. Giese, George Zogopoulos, Veena
Sangwan, Sidong Huang, Yasser Riazalhosseini, Jörg D. Hoheisel: Expression of
DRD2 is Increased in Human Pancreatic Ductal Adenocarcinoma and DRD2 Inhibitors
Slow Tumor Growth in Mice.Gastroenterology 2016,
DOI10.1053/j.gastro.2016.08.040
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass
Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren
präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden
können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes
(KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die
Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat
das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die
Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung
(DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält
das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die
Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung
eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von
Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg
finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher
Forschungszentren.
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