Mitbestimmte Unternehmen engagieren sich
stärker in der dualen Ausbildung als andere. Das zeigt eine Analyse mit dem
neuen Mitbestimmungsindex MB-ix. Das Instrument misst, wo und wie stark die
gesetzlich gesicherte Partizipation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
Politik und Performance von Unternehmen beeinflusst. Entwickelt wurde der
Index von den WZB-Forschern Sigurt Vitols
und Robert Scholz
gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung.
Der MB-ix gibt nicht nur Auskunft darüber, ob ein Unternehmen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hat. Er berücksichtigt auch deren Zahl im Verhältnis zu allen Aufsichtsräten, die Besetzung von Ausschüssen oder ob die oder der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitnehmerseite angehört. Auch die Frage, ob Beschäftigte in Auslandsniederlassungen ihre Interessen durch Euro-Betriebsräte oder Betriebsräte der Europäischen Gesellschaft (SE) artikulieren können, fließt in die Berechnung ein. Ebenso berücksichtigt wird die Rechtsform von Unternehmen, denn sie entscheidet unter anderem darüber, welche Befugnisse Aufsichtsräte haben oder ob die Arbeitnehmerbank auf die Unterstützung externer Gewerkschaftsvertreter zählen kann. Schließlich ist es für die Interessen der Beschäftigten von Bedeutung, ob es im Vorstand ein eigenständiges und gleichberechtigtes Personalressort gibt. Bei der 1976er-Mitbestimmung ist dies in der Regel ein Arbeitsdirektor, der mit Zustimmung der Arbeiternehmerseite eingesetzt wird.
Bislang haben die beiden WZB-Forscher Zahlen für alle
in DAX, MDAX, SDAX und TecDAX gelisteten Unternehmen für die Jahre 2006 bis
2013 berechnet. Außerdem sind im Datensatz etwa 50 weitere börsennotierte
Konzerne enthalten, die paritätisch mitbestimmt sind. Was die Ausprägung des
MB-ix betrifft, kommt dabei das ganze Spektrum vor: Es gibt Unternehmen, die
den Maximalwert 100 erhalten, aber auch solche, die in puncto
Arbeitnehmerbeteiligung null Punkte bekommen.
Für die erste praktische Anwendung des neuen Messinstruments
haben die Forscher die Unternehmen ganz am Ende des Feldes in den Mittelpunkt
gestellt. Es zeigt sich: Firmen mit null Punkten bei der Mitbestimmung haben
einen geringeren Anteil von dual Auszubildenden an den Beschäftigten in
Deutschland als mitbestimmte. Im Durchschnitt der untersuchten Jahre von 2006
bis 2013 liegt die Ausbildungsquote bei diesen um ein Viertel höher als bei
den nicht mitbestimmten (4,5 Prozent im Vergleich zu 3,6 Prozent). Im
Gegensatz zur Mitbestimmung haben Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit
keinen messbaren Einfluss auf die Ausbildungsquote.
Gerade die Analyse über den Zeitraum mehrerer Jahre
zeigt Vitols und Scholz zufolge einen klaren Zusammenhang zwischen
Mitbestimmung und nachhaltiger Unternehmensführung: Während der Finanzkrise
haben die mitbestimmten Unternehmen im Interesse ihrer Zukunftssicherung die
Zahl der Auszubildenden nahezu konstant gehalten. Bei ihnen waren die
durchschnittlichen Ausbildungsquoten „durchgängig höher und wiesen eine
höhere Kontinuität auf“ als in Firmen ohne Arbeitnehmerbeteiligung.
Das Projekt ist in mehrere Module
gegliedert. Es werden demnächst weitere Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen
Mitbestimmungsstärke (MB-ix) und anderen Aspekten der nachhaltigen
Unternehmensführung, wie Sachinvestitionen und Managervergütung,
veröffentlicht.
Robert Scholz und Sigurt Vitols: Der
Mitbestimmungsindex
MB-ix, Mitbestimmungsreport der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 22, Mai 2016. Zum Download (PDF)
Robert Scholz und Sigurt Vitols: Corporate
Governance und Nachhaltige Unternehmensführung – der Mitbestimmungsindex
(MB-ix) und Gute Arbeit. Mitbestimmungsreport der Hans-Böckler-Stiftung, im
Erscheinen.
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