Wissenschaftler
warnen in internationaler Studie vor den ökologischen und sozialen Folgen von
450 geplanten Dämmen an Amazonas, Mekong und Kongo –
Umweltsystemwissenschaftlerin der Universität Tübingen beteiligt
Der globale
Ausbau der Wasserkraft bedroht die artenreichsten Gewässer der Erde. Darauf
weisen Wissenschaftler in einer internationalen Studie hin, in der sie Daten zu
den Flüssen Amazonas, Mekong und Kongo auswerten. Der ökonomische Nutzen von
Staudämmen werde häufig überschätzt, die langfristigen Konsequenzen für
Artenreichtum und Fischerei hingegen unterschätzt, warnen die Autoren. Um die
Auswirkungen auf Umwelt und Mensch zu minimieren, fordern sie überregionale
Analysen zur Risikoabschätzung bei Dammbauten, die sowohl soziale als auch
ökologische Prozesse und ihre Wechselwirkungen berücksichtigen. Die Ergebnisse
wurden am Freitag im renommierten Fachjournal Science veröffentlicht. DOI: http://dx.doi.org/10.1126/science.aac7082
Professorin
Christiane Zarfl vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität
Tübingen hatte gemeinsam mit dem Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie
und Binnenfischerei eine Datenbank von allen großen Wasserkraftanlagen weltweit
zusammengestellt, die sich derzeit im Bau befinden oder geplant sind. Ein
internationales Wissenschaftlerteam kombinierte nun diese Informationen mit
aktuellen Daten zur Verteilung von Fischarten in den drei großen Flusssystemen
und stellte sie in Karten dar.
In den
tropischen Einzugsgebieten von Amazonas, Mekong und Kongo leben mit mehr als
4000 Arten knapp ein Drittel aller Süßwasserfischarten der Erde, die meisten
davon sogar nur hier. Derzeit sind diese Flüsse noch weitgehend unverbaut,
jedoch ist die Errichtung von mehr als 450 großen Dämmen geplant. Dies habe
nicht nur soziale Auswirkungen, wie die Umsiedlung der ansässigen Bevölkerung,
sagen die Autoren. Die besten Stellen für die Elektrizitätsgewinnung seien
zugleich Gebiete, die eine einmalige Artenvielfalt aufwiesen. Es bestehe die
akute Gefahr, dass große Dämme den Fischreichtum reduzierten und Hindernisse
für wandernde Fische darstellten. „Dies kann Fischpopulationen trennen und
deren Lebenszyklen unterbrechen“, sagt Zarfl. „Staudämme schränken die
natürliche Dynamik eines Flusses ein und schaffen somit einheitlichere und
unproduktivere Lebensräume. Das reduziert nicht nur den Artenreichtum, es
beeinträchtigt auch die Fischerei und die von der Dynamik des Gewässers
abhängige Landwirtschaft.“
Mit der
Studie wolle man zeigen, wie wichtig eine abwägende Auswahl des
Staudammstandortes für ein nachhaltiges Gewässermanagement sei, sagt Zarfl. Die
Autoren empfehlen daher mit Nachdruck eine integrative Planung des
Wasserkraftausbaus, die eine Balance zwischen Ausschöpfung des
Wasserkraftpotentials und dem Erhalt natürlicher Ressourcen wahrt. Zur
Risikoabschätzung müssten alle verfügbaren Daten genutzt werden. Vor allem
Geldgeber seien aufgerufen, Analysen zu fordern, die kumulative Effekte
bestehender und geplanter Staudämme berücksichtigen und explizit alternative
Standorte miteinbeziehen: „Nur so können soziale Ziele erreicht und die
Auswirkungen auf die Umwelt reduziert werden.“
Publikation:
K. O.
Winemiller, P. B. McIntyre, L. Castello, E. Fluet-Chouinard, T. Giarrizzo, S.
Nam, I. G. Baird, W. Darwall, N. K. Lujan, I. Harrison, M. L. J.
Stiassny, R. A. M. Silvano, D. B. Fitzgerald, F. M. Pelicice, A. A.
Agostinho, L. C. Gomes, J. S. Albert, E. Baran, M. Petrere Jr., C. Zarfl, M.
Mulligan, J. P. Sullivan, C. C. Arantes, L. M. Sousa, A. A. Koning,
D. J. Hoeinghaus, M. Sabaj, J. G. Lundberg, J. Armbruster, M. L. Thieme,
P. Petry, J. Zuanon, G. Torrente Vilara, J. Snoeks, C. Ou, W. Rainboth, C. S.
Pavanelli, A. Akama, A. van Soesbergen, L. Sáenz: Balancing hydropower and
biodiversity in the Amazon, Congo, and Mekong. Science,
Vol. 351, no. 6269 pp 8. Januar 2016. http://dx.doi.org/10.1126/science.aac7082
Kontakt:
Prof. Dr.
Christiane Zarfl
Universität
Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche
Fakultät
Zentrum für
Angewandte Geowissenschaften
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7071 29-76076
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