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© BirgitH pixelio.de
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Presseportal für Hochbegabung Oxidativer Stress in der Zelle blockiert den normalen
Zuckerstoffwechsel. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)
und im Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) haben nun
herausgefunden: Die lange bekannte Unterbrechung des normalen
Zuckerstoffwechsels unter Stressbedingungen ist keine unkontrollierte Störung,
sondern ganz im Gegenteil, wichtig für das Überleben der Zellen. Dafür sorgt
ein hochspezifischer Mechanismus, der sich in der Evolution früh herausbildete
und sogar schon bei Bakterien nachweisbar ist. Krebszellen profitieren
möglicherweise besonders davon.
Traubenzucker liefert Energie und Bausteine für die
Zellen in unserem Körper. Wissenschaftler wissen schon seit langem, dass unter
oxidativem Stress, wie er etwa bei Entzündungen oder Vergiftungen entstehen
kann, der normale Abbau des Traubenzuckers ins Stocken gerät. Denn eines der
zentralen Enzyme beim Zuckerabbau, GAPDH
(Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase), hat eine besondere Eigenschaft: Es
wird ungewöhnlich schnell und effizient durch Wasserstoffperoxid (H2O2)
oxidiert und dabei inaktiviert. Immunzellen setzten bei chronischen
entzündlichen Reaktionen dauerhaft H2O2 frei - ein charakteristisches
Kennzeichen für den oxidativen Stress.
Doch warum wird GAPDH durch H2O2 so viel leichter und
schneller abgeschaltet als andere Enzyme? Und was bedeutet die Unterbrechung
des Zuckerstoffwechsels für die Zelle? "Bislang dachte man, dass die
oxidative Inaktivierung von GAPDH nur die schicksalhafte Begleiterscheinung seiner
allgemein hohen Reaktivität ist", sagt Privatdozent Dr. Tobias Dick vom
Deutschen Krebsforschungszentrum. "Denn damit GAPDH effizient Zucker
abbauen kann, hat das Enzym ein hochreaktives Zentrum. Dieses reagiert
unspezifisch mit H2O2 und hemmt sich dabei selbst", beschreibt der
Wissenschaftler den gängigen Erklärungsversuch. Will die Zelle aus Zucker
effizient Energie gewinnen, muss sie also zwangsläufig in Kauf nehmen, dass der
Zuckerstoffwechsel bei oxidativem Stress gestört wird - so vermutete man
bislang.
Das Gegenteil ist der Fall, wie nun die Arbeitsgruppe um
Tobias Dick zusammen mit dem Team um Professor Frauke Gräter vom Heidelberger
Institut für Theoretische Studien (HITS) und Kollegen vom Nationalen Institut
für Onkologie in Budapest zeigen konnten: Die Wissenschaftler entdeckten einen
bisher unbekannten Mechanismus, der die Reaktion von GAPDH mit H2O2 ganz
spezifisch herbeiführt.
Wie die Forscher mithilfe von Laborexperimenten und
Computersimulationen herausfanden, ist die hohe Empfindlichkeit von GAPDH für
H2O2, entgegen allen bisherigen Annahmen, kein Nebeneffekt der allgemeinen
GAPDH-Reaktivität. Stattdessen beschleunigt GAPDH seine eigene oxidative
Hemmung, spezifisch und unabhängig von seiner Aktivität im Zuckerstoffwechsel.
"Wir waren überrascht festzustellen, dass sich
dieser spezielle Mechanismus in der GAPDH von fast allen Lebewesen findet, von
Bakterien bis zum Menschen. Alles deutet darauf hin, dass er für das Überleben
unter Stressbedingungen eine grundlegende Rolle spielt", erklärt Tobias
Dick.
Die Wissenschaftler erzeugten daraufhin ein genetisch
verändertes GAPDH, das seiner Rolle im Zuckerstoffwechsel ganz normal
nachkommt, aber ohne dabei durch H2O2 gehemmt werden zu können. In der
Bäckerhefe ersetzten sie das gewöhnliche Enzym durch die
oxidationsunempfindliche Variante. Unter normalen Umständen war kein
Unterschied zu erkennen, der Zuckerabbau und das Wachstum der Zellen verliefen
identisch.
Doch unter oxidativem Stress hatten die Zellen mit dem
normalen, oxidations-empfindlichen GAPDH einen erheblichen Wachstumsvorteil:
Wie die Forscher zeigten, führte die oxidative Blockade von GAPDH zu einer
alternativen Verwendung des Zuckers. Dieser alternative Weg förderte jetzt vor
allem die Bildung von NADPH, ein Molekül, das der Oxidation entgegenwirkt und
der Zelle hilft, mit dem oxidativen Stress fertig zu werden. Auf diese Weise
verschafft die Unterbrechung des normalen Zuckerabbaus der Zelle einen
wichtigen Überlebensvorteil. Dies erklärt auch, warum sich die oxidative Hemmung
der GAPDH in der Evolution der Lebewesen früh herausbildete und seither
erhalten hat.
Als nächstes möchten die Forscher untersuchen, ob auch
Krebszellen von der oxidativen Hemmung der GAPDH profitieren. David Peralta,
der Erstautor der Studie, erläutert: "Krebszellen verwerten besonders viel
Zucker und stehen zudem unter erhöhtem oxidativem Stress. Wir vermuten deshalb,
dass sie sich die oxidative Hemmung der GAPDH für ihre Zwecke zunutze machen.
Diesen Mechanismus abzuschalten, könnte Krebszellen besonders hart
treffen."
David Peralta, Agnieszka K Bronowska, Bruce Morgan, Éva
Dóka, Koen Van Laer, Péter Nagy, Frauke Gräter, Tobias P Dick (2015). A proton
relay enhances H2O2 sensitivity of GAPDH to facilitate metabolic adaptation.
Nature Chemical Biology 2015, DOI: 10.1038/nchembio.1720
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass
Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren
präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden
können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes
(KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die
Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat
das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die
Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale
Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben
universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu
10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
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