Hochbegabungspresse
Wirkstoff lässt Mäuse länger leben, bremst aber kaum den
Alterungsprozess
Bonn, 25. Juli 2013 - Der Wirkstoff Rapamycin verlängert
erwiesenermaßen die Lebensspanne von Mäusen. Ein Forscherteam unter Beteiligung
des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) sowie des
Helmholtz Zentrums München hat nun festgestellt, dass Alterungsprozesse dabei
kaum aufgehalten werden. Der lebensverlängernde Effekt könnte vielmehr darauf
zurückzuführen sein, dass Rapamycin das Wachstum von Krebsgeschwüren bremst.
Dadurch wirkt das Präparat einer der Haupttodesursachen von Mäusen entgegen.
Die Wissenschaftler berichten darüber in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins
"Journal of Clinical Investigation" (Online-Veröffentlichung vom 25.
Juli 2013).
Mit dem Alter lassen die Reparaturmechanismen des Körpers
nach. In der Folge mehren sich Verschleißerscheinungen und es steigt das Risiko
für Erkrankungen wie Alzheimer, Diabetes oder Störungen des Herz-Kreislauf-Systems.
"Aktuelle Therapien setzen darauf, solche Erkrankungen gezielt zu
behandeln", sagt Dr. Dan Ehninger, Gruppenleiter am Bonner Standort des
DZNE. "Denkbar wäre aber auch eine breitangelegte Strategie, die
altersbedingte Erkrankungen gewissermaßen bei der Wurzel packt. Das Altern
durch Medikamente zu verlangsamen, das wäre ein solcher Ansatz."
In diesem Zusammenhang ist der Wirkstoff Rapamycin
bemerkenswert. Dieses Präparat wird bei Organtransplantationen eingesetzt, da
es die Immunabwehr in Schach hält und so eine Abstoßung des Fremdgewebes
verhindern kann. US-amerikanische Wissenschaftler konnten 2009 eine weitere
Wirkung nachweisen: Mäuse, die Rapamycin zu sich nahmen, lebten einige Monate
länger als ihre unbehandelten Artgenossen. "Rapamycin ist das erste
Medikament, das einen Effekt auf die maximale Lebensspanne bei Säugetieren
gezeigt hat. Diese Studie hat einiges an Aufsehen erregt", so Ehninger.
Für ein Team um den Bonner Forscher war dieser Befund
Anlass, den Ursachen nachzugehen: "Wir haben uns gefragt, ob Rapamycin das
Altern der Mäuse verlangsamt oder ob die Verlängerung der Lebensspanne
möglicherweise andere Gründe hat."
Kein Jugendelixier
Ehningers Arbeitsgruppe untersuchte gemeinsam mit
Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums München und weiteren Kollegen wie sich
Rapamycin auf Mäuse auswirkte. Das Ergebnis ist ernüchternd. "Unsere
Studie kommt zu dem Fazit, dass Rapamycin das Leben zwar verlängert, aber nur
sehr begrenzte Effekte auf das Altern an sich hat", fasst Ehninger die Befunde
zusammen. "Wir sehen zwar sehr vereinzelt einen positiven Trend, etwa beim
Lernverhalten oder bei manchen Blutwerten. Aber das betrifft gleichermaßen
junge wie alte Mäuse. Rapamycin wirkt also nicht auf das Altern an sich,
sondern nur auf ganz bestimmte Eigenschaften des Organismus."
Darin sehen die Forscher auch die Ursache der
lebensverlängernden Wirkung. "Wir gehen davon aus, dass die Verlängerung
der Lebensspanne dadurch zustande kommt, dass Rapamycin die Tumorbildung hemmt.
Das ist eine bekannte Wirkung, die wir auch bestätigen konnten. Bei den
untersuchten Mausstämmen sind Krebsgeschwüre eine der Haupttodesursachen",
sagt der Molekularmediziner. "Demnach hat Rapamycin zwar einen isolierten
Effekt auf lebensbegrenzende Erkrankung von Mäusen. Wir sehen aber keinen
allgemeinen Einfluss auf die Alterung von Säugetieren."
Umfassende Beurteilung des Alterns
Mehr als 150 Eigenschaften, die sich beim Altern in
typischer Weise verändern, nahmen die Forscher unter die Lupe: Neben
Sehfähigkeit, Reflexen, Funktion des Herz-Kreislauf-Systems sowie Lern- und
Orientierungsvermögen überprüften sie beispielsweise auch das
Bewegungsverhalten der Tiere, ihre Immunreaktion oder suchten nach Anzeichen
für Arterienverkalkung. "Altern ist ein komplexer Vorgang, der sich nicht
an einer Kenngröße festmachen lässt. Das Altern führt zu Veränderungen in den
Zellen, in den Organen und auch im Verhalten", erläutert Ehninger.
"Deshalb haben wir eine große Zahl an strukturellen und funktionellen
Alterungserscheinungen analysiert. Eine Studie, die mögliche Anti-Aging-Effekte
in diesem Umfang untersucht, hat es bislang noch nicht gegeben."
Die Tiere fielen in drei verschiedene Altersgruppen, dazu
gehörten sowohl relativ junge Tiere wie auch solche im
"Seniorenalter". "Die US-amerikanische Studie hat seinerzeit
gezeigt, dass Rapamycin die Lebensspanne verlängert, unabhängig davon, ob die
Behandlung bei jungen oder alten Tieren einsetzt", so der Bonner Forscher.
"Auch wir haben für unsere Studie verschiedene Altersgruppen untersucht.
So konnten wir prüfen, ob mögliche Effekte von Rapamycin mit dem Alter
zusammenhängen, in dem die Behandlung begonnen wurde."
Bei den Tieren handelte es sich um genetisch identische
Zwillingsmäuse. Alle Tiere hatten Rapamycin regelmäßig über den Zeitraum eines
Jahres erhalten. Zu jeder Altersklasse gab es auch eine Kontrollgruppe, die den
Wirkstoff nicht zu sich nahm.
Detaillierte Analysen notwendig
"Grundsätzlich zeigen unsere Untersuchungen, dass
man bei der Beurteilung möglicher Anti-Aging-Effekte viele Paramater
berücksichtigen muss. Es kommt auf deren Kombinationen und auf das Gesamtbild
an. Die Lebensspanne allein ist nicht aussagekräftig", betont Ehninger.
"Die Suche nach Wirkstoffen, die den Alterungsprozess verlangsamen, ist
insofern mühsam, aber eben auch vielversprechend. Denn solche Substanzen würden
der Medizin neue Möglichkeiten eröffnen. Das ist aber noch Zukunftsmusik."
Originalveröffentlichung
"Rapamycin extends murine lifespan but has limited
effects on aging ", Frauke Neff, Diana Flores-Dominguez u. a., Journal of
Clinical Investigation (Online-Veröffentlichung vom 25. Juli 2013), http://dx.doi.org/10.1172/JCI67674
Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen
(DZNE) erforscht die Ursachen von Erkrankungen des Nervensystems und entwickelt
Strategien zur Prävention, Therapie und Pflege. Es ist eine Einrichtung in der
Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren mit Standorten in Berlin,
Bonn, Dresden, Göttingen, Magdeburg, München, Rostock/Greifswald, Tübingen und
Witten. Das DZNE kooperiert eng mit Universitäten, deren Kliniken und
außeruniversitären Einrichtungen. Website: www.dzne.de
/ Twitter: twitter.com/DZNE_de
Kontakt
Dr. Dan Ehninger
Gruppenleiter
DZNE, Bonn
Tel.: 0228/43302-683
E-Mail: dan.ehninger@dzne.de
Dr. Dirk Förger
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit DZNE, Bonn
Tel.: 0228/43302-260
E-Mail: presse@dzne.de