Hochbegabungspresse
Im Herbst 2012 hat die Europäische Arzneimittelbehörde
EMA das modifizierte Adeno-assoziierte Virus AAV-LPLS447X als erstes
gentherapeutisches Verfahren überhaupt in der westlichen Welt für den
klinischen Einsatz zugelassen. Die niederländische Biotech-Firma uniQure hatte
AAV-LPLS447X zur Behandlung einer seltenen erblichen Stoffwechselerkrankung entwickelt:
An der Lipoprotein-Lipase Defizienz (LPLD) leiden etwa ein bis zwei unter einer
Million Menschen. Die Krankheit verursacht schwere, lebensbedrohliche
Entzündungen der Bauchspeicheldrüse. Betroffene Personen tragen einen Defekt im
Gen für das fettabbauende Enzym Lipoprotein-Lipase. AAV-LPLS447X soll als
Gentaxi eine intakte Genkopie in die kranken Zellen einschleusen.
Die für die Gentherapie modifizierten Viren können ihr
Erbgut nicht in das Genom der Zelle einbauen, ihnen fehlt das dafür notwendige
Enzym. Dennoch kommt ein solcher Einbau gelegentlich vor. „Wir mussten
ausschließen, dass AAV-LPLS447X sich
bevorzugt in solche Stellen des Erbguts setzt, wo dieser Einbau krebsfördernde
Gene aktivieren könnte. In der Vergangenheit war genau dies bei einem
gentherapeutisch genutzten Virus beobachtet worden“, sagt Dr. Manfred Schmidt.
Der Molekularbiologe leitet eine Arbeitsgruppe im NCT Heidelberg und im DKFZ,
die sich mit der Sicherheit gentherapeutischer Verfahren befasst.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern von uniQure untersuchten
die Heidelberger Forscher das Erbgut von fünf LPLD-Patienten, die mit
AAV-LPLS447X behandelt worden waren.
Außerdem überprüften sie auch Mäuse, die das therapeutische Virus in die Muskulatur
oder die Blutbahn verabreicht bekommen hatten.
Die Untersuchung der Genome mehrerer Millionen einzelner
Zellen von insgesamt fünf behandelten Patienten zeigte, dass AAV-LPLS447X wie
erwartet sehr selten in das Erbgut der Wirtszelle integriert (weniger als 1 von
1000 AAV-LPLS447X-Partikeln). In den meisten Fällen überdauert das Viruserbgut
als eigene Struktur im Zellplasma. Kommt es doch zum Einbau des Viruserbguts,
so geschieht dies an zufälligen Stellen, die Forscher entdeckten keinerlei
Präferenzen für bestimmte Stellen im menschlichen Genom.
Besonders überrascht waren Christine Kaeppel und Raffaele
Fronza, gemeinsame Erstautoren der Arbeit, als sie das AAV-LPLS447X-Erbgut im
so genannten Mitochondrien-Genom entdeckten. Mitochondrien sind kleinste
membranumhüllte Strukturen, die die Zelle mit Energie versorgen. Als einziger
Zellbestandteil neben dem Zellkern enthalten sie DNA. „Dass ein
Adeno-assoziiertes Virus von sich aus ins Mitochondrien-Genom integriert, ist
vorher noch nie beobachtet worden“, berichten die Wissenschaftler.
„Wir haben hier erstmalig bei AAV-behandelten Patienten
umfassend analysiert, ob und wo sich das Virusgenom integriert und können nun
AAV-LPLS447X als sicher ansehen. Die wenigen Fälle, in denen wir in
Muskelzellen einen Einbau des Viruserbguts beobachtet haben, spielen angesichts
all der Umbauten und Rearrangements, die in unserem Erbgut ohnehin ständig
stattfinden, kaum eine Rolle“, so der Studienleiter Manfred Schmidt.
AAV-LPLS447X gilt als ein Prototyp-Vektor für die
Gentherapie. „Wenn sich AAV-LPLS447X bewährt, sind in Zukunft auch Gentherapien
gegen häufigere Krankheiten wie etwa die Huntington‘sche Erkrankung oder auch
Parkinson denkbar", hofft Schmidt. Inzwischen sind auch immer mehr
Krankheiten bekannt, die mit veränderten Mitochondrien-Genen im Zusammenhang
stehen. Die neu entdeckte Eigenschaft des AAV-Vektors könnte sich auch für die
Korrektur von Gendefekten im menschlichen Mitochondrien-Erbgut als nützlich
erweisen.
Christine Kaeppel, Stuart G Beattie, Raffaele Fronza,
Richard van.Logtenstein, Florence Salmon, Sabine Schmidt, Stephan Wolf, Ali
Nowrouzi, Hanno Glimm, Christof von Kalle, Harald Petry, Daniel Gaudet Manfred
Schmidt: A largely random AAV integration profile after LPLD gene therapy.
Nature Medicine 2013, DOI: 10.1038/nm.3230
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Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren
und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs
erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser
diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären
Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs
auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das
Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem
vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen
werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem
der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren
an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
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