Mikroskopische Ansicht eines Neuroblastoms
Bildquelle: Filip em, Wikimedia Commons
Hochbegabungspresse
13. Mai 2013 (Koh)
Eine Gruppe von Krebsmedikamenten, die HDAC-Inhibitoren,
wirkt in präklinischen Studien auch gegen das bösartige Neuroblastom, eine
aggressive Krebserkrankung des Kindesalters. Wissenschaftler vom Deutschen
Krebsforschungszentrum und vom Universitätsklinikum Heidelberg fanden nun
heraus, dass die Medikamente in den Tumorzellen die Produktion eines
krebshemmenden RNA-Moleküls ankurbeln und so das bösartige Wachstum der
Tumorzellen bremsen.
Neuroblastome, Tumoren des Kindesalters, entstehen aus
Zellen des embryonalen Nervensystems. Die Erkrankungen verlaufen extrem
unterschiedlich, sie können sich spontan zurückbilden, aber auch einen
tödlichem Ausgang nehmen. Die besonders aggressiven Tumoren sind durch eine bis
zu hundertfache Vervielfältigung des Krebsgens MYCN gekennzeichnet.
Seit einigen Jahren setzen Ärzte gegen verschiedene
Krebserkrankungen Wirkstoffe ein, die die Aktivität der HDAC-Enzyme hemmen,
sogenannte HDAC-Inhibitoren. In der Kulturschale und in tumortragenden
Mäusen wirken diese Medikamente auch
gegen das Neuroblastom. Unter der Leitung von Dr. Hedwig Deubzer untersuchte
nun eine Gruppe von Wissenschaftlern im Deutschen Krebsforschungszentrum und im
Universitätsklinikum Heidelberg, auf welche zellulären Strukturen der
Neuroblastomzellen die Medikamente genau wirken. „Nur etwa 20 bis 40 Prozent
der Patienten mit einem Hochrisiko-Neuroblastom überleben die Erkrankung
langfristig. Daher müssen wir dringend bessere Behandlungen gegen diese
aggressive Form der Erkrankung finden. Um die Wirksamkeit von Medikamenten zu
verbessern, ist es extrem wichtig, dass wir genau verstehen, wo sie in der
Zelle ansetzen“, sagt die Kinderärztin.
Die Heidelberger Forscher untersuchten, ob sich die
HDAC-Inhibitoren auf die so genannten mikro-RNAs auswirken, kleine
Steuermoleküle, die in der Zelle vielfältige Funktionen ausüben. Tatsächlich
führte der Wirkstoff zu einem deutlich veränderten mikro-RNA-Profil. „Vor allem
steigerten die Medikamente die Produktion der mikro-RNA 183“, berichtet Dr.
Marco Lodrini, Erstautor der Arbeit.
Um herausfinden, ob die mikro-RNA 183 tatsächlich das
bösartige Verhalten des Neuroblastoms beeinflusst, steigerten die Forscher in
den Krebszellen experimentell die Produktion des kleinen RNA-Moleküls.
Daraufhin lösten die Zellen das Todesprogramm Apoptose aus und wuchsen außerdem
nach Übertragung auf Mäuse nicht mehr zu Tumoren aus. „Das entspricht der
Wirkung, die wir auch mit den HDAC-Inhibitoren erzielen“, erklärt Hedwig
Deubzer.
In jeder Zelle gibt es 18 verschiedene HDAC-Enzyme.
Unterdrücken sie alle gleichermaßen die Produktion der mikro-RNA183? Um diese
Frage zu beantworten, schalteten die Forscher in Neuroblastom-Zellen mit
molekularbiologischen Methoden systematisch die einzelnen Vertreter der
Enzymfamilie aus. Anschließend beobachteten sie den Effekt auf die mikro-RNA
183-Produktion. Eine Blockade von HDAC2 allein erzielte eine ähnliche Wirkung
wie das Medikament, dass die gesamte Enzymfamilie ausschaltet.
HDAC2 ist also offensichtlich aktiv daran beteiligt, die
krebshemmende mikro-RNA 183 in Neuroblastomzellen zu unterdrücken – aber nicht
allein verantwortlich: „Offenbar tun sich das Krebsgen MYCN und HDAC2 zusammen,
um den Schalter des Gens für mikro-RNA183 lahmzulegen“, erklärt die
Wissenschaftlerin und ergänzt: „Das Ergebnis sagt aber nicht aus, dass ein
selektiver Hemmstoff gegen HDAC2 das bessere Krebsmedikament wäre. Denn die
anderen Mitglieder der HDAC-Familie tragen möglicherweise auch zum bösartigen
Verhalten des Neuroblastoms bei.“ Die Abteilung von Professor Olaf Witt im
Deutschen Krebsforschungszentrum arbeitet seit einigen Jahren an der Frage, wie
HDAC-Enzyme die die Bösartigkeit der Krebszellen fördern.
Offenbar beeinflussen die verschiedenen Mitglieder der
HDAC-Familie das Krebsgeschehen auf ganz unterschiedliche Weise. Die
Heidelberger Kinderonkologen um Olaf Witt und Hedwig Deubzer sind besonders
daran interessiert, die genaue Wirkungsweise dieser Medikamente zu verstehen:
Seit einem Jahr prüfen sie in einer klinischen Studie, ob HDAC-Inhibitoren
Kindern mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen helfen können.
Marco Lodrini, Ina Oehme, Christina Schroeder, Till
Milde, Marie C. Schier, Annette Kopp-Schneider, Johannes H. Schulte, Matthias
Fischer, Katleen De Preter, Filip Pattyn, Mirco Castoldi, Martina U.
Muckenthaler, Andreas E. Kulozik, Frank Westermann, Olaf Witt und Hedwig E.
Deubzer: MYCN and HDAC2 cooperate to repress miR-183 signaling in
neuroblastoma. Nucleic Acid Research 2013, DOI: 10.1093/nar/gkt346
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass
Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren
präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden
können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes
(KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die
Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat
das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die
Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale
Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben
universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu
10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
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