Hochbegabungspresse
Themen
von Arbeitsproduktivität über Deutungsmacht bis Software-Infrastrukturen /
Erstes deutsch-israelisches Projekt / 39 Millionen Euro Fördermittel für
zunächst viereinhalb Jahre
21.
Mai 2013
Die
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung des
wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland elf neue Graduiertenkollegs ein.
Dies wurde jetzt vom zuständigen Bewilligungsausschuss in Bonn beschlossen. Die
Neueinrichtungen werden zunächst viereinhalb Jahre lang gefördert und erhalten
in dieser Zeit insgesamt etwa 39 Millionen Euro. Zusätzlich zu den elf neuen
Kollegs stimmte der Bewilligungsausschuss der Verlängerung von sechs Kollegs
für weitere viereinhalb Jahre zu. Die Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen
und Doktoranden die Chance, in einem strukturierten Forschungs- und
Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren.
Das
thematische Spektrum reicht dabei von der Untersuchung von Arbeitsproduktivität
über Deutungsmachtkonflikte bis hin zur Dynamik von Quantensystemen. Weitere
Kollegs befassen sich etwa mit der Entwicklung neuer statistischer Methoden und
deren mathematischer Analyse, den Herausforderungen für die Verwirklichung von
Menschenrechten oder mit der Modellierung von Software-Infrastrukturen.
Zwei
der neuen Graduiertenkollegs sind Internationale Graduiertenkollegs (IGK).
Neben einer deutsch-amerikanischen Kooperation wird das erste
deutsch-israelische Graduiertenkolleg eingerichtet: An den Standorten Berlin
und Jerusalem schließen sich dazu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus
den Fachbereichen Kriminologie, Jura, Politikwissenschaft und Philosophie
zusammen.
Die
neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen
(in
alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen)
Das
erste deutsch-israelische Graduiertenkolleg befasst sich mit den dringlichsten
Herausforderungen für die Verwirklichung von Menschenrechten. Unter dem Titel „Menschenrechte
unter Druck – Ethik, Recht und Politik“ will das IGK dazu Menschenrechte
sowohl zu Krisenzeiten und Notlagen als auch in ihrer Beziehung zu Diversität
und Globalisierung betrachten. Insbesondere auch das historische Verhältnis
zwischen Deutschland und Israel soll dabei das eher abstrakte Konzept von Menschenrechten
mit konkreten Inhalten füllen und so – unter Überwindung rein nationaler und
traditioneller Verständnisse von Menschenrechten – Erkenntnisgewinne
ermöglichen.
(Sprecherhochschule:
Freie Universität Berlin, Sprecher: Professor Dr. Klaus Hoffmann-Holland;
Partneruniversität: The Hebrew University of Jerusalem, Israel)
Im
Zusammenhang mit aktuellen Diskursen zu Globalisierung, Wirtschaftskrisen und
Rohstoffknappheiten interessieren auch die ökonomischen Strukturen früherer
Kulturen. Letztgenannte sind das originäre Forschungsinteresse des GRK „Archäologie
vormoderner Wirtschaftsräume“. Dazu sollen Wirtschaftssysteme und
Wirtschaftsräume vormoderner Gesellschaften in ihrer Struktur,
Leistungsfähigkeit und Dynamik erfasst werden. Ausgangspunkt ist die These,
dass wirtschaftliche Prosperitätsphasen zur dynamischen Entwicklung und
Stabilität früher Gesellschaften beitragen, ökonomische Krisen hingegen
Umbruchphasen auslösen können.
(Sprecherhochschulen:
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Universität zu Köln, Sprecher:
Professor Dr. Michael Heinzelmann)
Dem
Konzept der Rollenmodellierung in der Software-Entwicklung widmet sich das GRK „RoSI:
Rollenbasierte Software-Infrastrukturen für durchgängig-kontextsensitive
Systeme“. In den Bereichen Programmiersprache, Datenmodellierung
oder Zugangskontrolle wurden Rollen bislang als Mittel der Kontextmodellierung
zwar singulär eingesetzt, aber nie durchgängig über alle Grenzen der
Software-Entwicklung hinweg. Das Forschungsziel des Kollegs setzt deshalb genau
hier an: Der Nachweis durchgängiger Rollenmodellierbarkeit soll erbracht
werden. So eröffnen sich Chancen für neuartige und innovative
Software-Architekturen, die zum Beispiel wichtig werden bei der
kontextsensitiven Nutzung von natürlicher Energie zum Rechnen (natural energy
based computing) oder Software für cyber-physikalische Systeme in Haus, Verkehr
und Fabrik.
(Sprecherhochschule:
Technische Universität Dresden, Sprecher: Professor Dr.-Ing. Wolfgang Lehner)
Herz
und Gefäße beeinflussen im menschlichen Körper die Funktion anderer Organe, zum
Beispiel der Nieren. So sind etwa mechanische Kräfte, Sauerstoffangebot und
lokal freigesetzte Signalmoleküle wesentliche Faktoren, die in erheblichem Maß
die Zell-Zell-Kommunikation, Zellmigration und Zell-Matrix-Interaktionen im
Herz-Kreislauf-System modulieren. Das deutsch-amerikanische IGK „Intra- and
Interorgan Communication of the Cardiovascular System“ will nun die
funktionellen und molekularen Mechanismen der Kommunikation innerhalb und
zwischen den Zellen des Herz-Kreislauf-Systems als Grundlage einer normalen und
pathologisch veränderten Zell- und Organfunktion erforschen.
(Sprecherhochschule:
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Sprecher: Professor Dr. Axel Gödecke;
Partneruniversität: University of Virginia, USA)
Die
Ungewissheit menschlicher Lebenserfahrungen: In Philosophie und Soziologie wird
dieser Zustand als Kontingenz bezeichnet. Das GRK „Vorsorge, Voraussicht,
Vorhersage: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ beschäftigt sich
nun aus historischer Perspektive mit dem Problem der Kontingenz und stellt die
Frage, wie es durch Handeln bewältigt werden kann. Dabei stehen der Mensch und
sein gegenwärtiges Verhalten in Bezug auf seine unsichere Zukunft im
Mittelpunkt. Der Ansatz des Kollegs unterscheidet sich dabei grundlegend von
früheren Kontingenzanalysen: Nicht die Zukunftsvorstellungen bilden den Kern
des Erkenntnisinteresses, sondern die aktiven Haltungen, die die Akteure zur
Zukunft einnehmen. So soll die Pluralität gesellschaftlicher
Möglichkeitshorizonte herausgearbeitet werden.
(Sprecherhochschule:
Universität Duisburg-Essen, Sprecher: Professor Dr. Stefan Brakensiek)
Nanotechnologie
bietet Möglichkeiten, Materialien auf kleinster Ebene zu strukturieren, was zu
neuen Eigenschaften und Funktionalitäten führt. Dazu werden allerdings moderne
Formen der Nanocharakterisierung sowie die Neu- und Weiterentwicklung von
sogenannten in-situ-Verfahren benötigt. Eben jene erforscht das GRK „In-situ-Mikroskopie
mit Elektronen, Röntgenstrahlen und Rastersonden“ grundlegend. Die
in-situ-Methoden eröffnen die Möglichkeit, die Entstehung, Stabilität und
mechanische Integrität von Nanostrukturen direkt auf nanoskopischer sowie
mikroskopischer Skala zu untersuchen und Zusammenhänge zwischen Struktur und
Funktionalität aufzuklären.
(Sprecherhochschule:
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecher: Professor Dr.
Erdmann Spiecker)
Das
Gebiet der Statistik erfährt derzeit einschneidende Änderungen aufgrund der
immer größeren und komplexeren Datensätze, die in Anwendungen zur Verfügung
stehen – etwa in der Meteorologie oder im Hochfrequenzhandel an Börsen. Die
Entwicklung neuer statistischer Methoden und deren mathematische Analyse ist
das Thema des GRK „Statistische Modellierung komplexer Systeme und Prozesse
– Moderne nichtparametrische Ansätze“. Intention des an den Universitäten
Heidelberg und Mannheim beheimateten Graduiertenkollegs ist, den Doktorandinnen
und Doktoranden eine moderne mathematische Basis für ihre Forschungen an der
vordersten Linie neuer Entwicklungen in der theoretischen Statistik zu bieten.
(Sprecherhochschulen:
Universität Heidelberg, Universität Mannheim, Sprecher: Professor Dr. Enno
Mammen)
Die
Faktoren Arbeitsproduktivität und Lebensstandard in einer Volkswirtschaft sind
unmittelbar miteinander verknüpft. Dies gilt umso mehr angesichts einer
zunehmenden Alterung der Bevölkerung und steigender Ausbildungszeiten. Das GRK „Microeconomic
Determinants of Labour Productivity“ analysiert in diesem Zusammenhang die
Bestimmungsfaktoren der Arbeitsproduktivität auf mikroökonomischer Ebene; dabei
sollen sowohl die Entscheidungen von Individuen berücksichtigt werden als auch
die Rolle von Anreizsystemen und Innovationen und die Arbeitsorganisation.
Insbesondere die Heterogenität der Arbeitsproduktivität soll analysiert werden,
um abschließend Konsequenzen für Beschäftigte, Unternehmen und
Wirtschaftspolitik abzuleiten.
(Sprecherhochschule:
Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprecher: Professor Dr. Carsten Eckel)
Die
Arbeitsgebiete Algebra, Analysis, Topologie und Stochastik sollen mit Blick auf
das zentrale Thema „Kombinatorische Strukturen in der Geometrie“ enger
miteinander verknüpft werden – so die Idee hinter dem gleichnamigen GRK. Der
Brückenschlag zwischen den verschiedenen Themengebieten an der Schnittstelle
von theoretischer und angewandter Mathematik sowie Informatik soll helfen, neue
Methoden zu erarbeiten und neue Sichtweisen zu gewinnen. Gleichzeitig will das
Kolleg einer zu starken Spezialisierung der Kollegiatinnen und Kollegiaten auf
ihr originäres Arbeitsgebiet entgegenwirken.
(Sprecherhochschule:
Universität Osnabrück, Sprecher: Professor Dr. Matthias Reitzner)
Wie
entsteht, funktioniert und vergeht Deutungsmacht? Das GRK „Deutungsmacht.
Religion und Belief Systems in Deutungsmachtkonflikten“ untersucht diese
Fragen exemplarisch im Kontext von Religion und belief systems – die
nicht nur religiöse, sondern auch philosophische oder ideologische Glaubenssysteme umfassen. Anhand
signifikanter Deutungsmachtkonstellationen und -konflikte soll deren
Genese und Geltung in Geschichte und Gegenwart untersucht werden. Besonders in
heutigen pluralisierten Gesellschaften wird länger bestehende Deutungsmacht
zunehmend prekär – denkt man etwa an die Krise der Kirchen. Genau an solchen
Stellen entstehen Deutungsmachtkonflikte, und der Anspruch einer Deutung auf
Macht beziehungsweise Anerkennung und Geltung wird begründungsbedürftig.
(Sprecherhochschule:
Universität Rostock, Sprecher: Professor Dr. Philipp Stoellger)
Die
Anwendungen quantenmechanischer Gesetze durchdringen Wissenschaft und Technik
stärker als je zuvor. So würden beispielsweise weder die Kernspintomografie
noch die Fotovoltaik ohne Kenntnisse der Quantenphysik existieren. Die
grundlegenden quantenmechanischen Gesetze sind zwar als allgemeine
mathematische Gleichungen bekannt, die zu lösen jedoch für konkrete Fälle oft
sehr schwierig ist. Daher können wesentliche, in Anwendungen auftretende
Quantenphänomene häufig nicht mathematisch korrekt beschrieben werden. Dieses
Defizit will das GRK „Spektraltheorie und Dynamik von Quantensystemen“
verringern. Das mathematische Niveau soll vorangetrieben werden, sodass
benachbarten Wissenschaften zukünftig bessere qualitative Einsichten als
Grundlage für ihre Arbeit zur Verfügung stehen.
(Sprecherhochschulen:
Universität Stuttgart, Eberhard Karls Universität Tübingen, Sprecher:
Professor Dr. Marcel Griesemer)
Weiterführende
Informationen
Weitere
Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der
Graduiertenkollegs.
Fachliche
Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle:
Sabine
Mönkemöller, Gruppe Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen, Nachwuchsförderung,
Tel. +49 228 885-2737, Sabine.Moenkemoeller@dfg.de
Ausführliche
Informationen zum Förderprogramm und den geförderten Graduiertenkollegs finden
sich unter: www.dfg.de/gk/