Die Teilnehmer der Frühjahrsexpedition 2013
vor
der neuen Samoylov-Forschungsstation.
Foto: Niko Bornemann,
Alfred-Wegener-Institut
Hochbegabungspresse
Bremerhaven, 23. April 2013.
Permafrost-Experten des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar-
und Meeresforschung, führen derzeit eine mehrwöchige Frühjahrsexpedition in das
Lena-Delta durch. Dabei untersuchen sie in der Tundra das Zusammenspiel von
Atmosphäre, Schneedecke und dem gefrorenen Erdboden. Ermöglicht wird das Leben
und Forschen bei wenig frühlingshaften Temperaturen von bis zu minus 30 Grad
Celsius durch die neu erbaute russische Forschungsstation „Samoylov“. Das
imposante Gebäude ist auf Initiative des russischen Staatsoberhauptes Wladimir
Putin errichtet worden und ersetzt seit dieser Woche die alte deutsch-russische
Station aus dem Jahr 1998. An ihr hatten Wissenschaftler nur im kurzen
sibirischen Sommer arbeiten können.
Der Frühling in der Tundra gehört
aus Sicht der Permafrost-Forscher des Alfred-Wegener-Institutes noch immer zu
den großen Unbekannten. „Im April und Mai klettern die Temperaturen über die
Null-Grad-Marke. Das Eis auf den Seen und Tümpeln bricht auf und die
Schneedecke beginnt zu schmelzen. Schmelzwasser sickert nun in nahezu jede Pore
und verteilt auf diese Weise Wärme und Stoffe im Boden. Es kommt also zu engen
Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, der Schneedecke und dem
darunterliegenden Permafrostboden. Wer hier jedoch auf wen in welchem Maße
einwirkt, konnten wir bisher nicht untersuchen, weil unsere alte
Forschungsstation auf der Insel Samoylov zu klein war. Sie konnte nur von Juli
bis September betrieben werden. Die neue Station bietet nun so viel Platz, dass
kein Wissenschaftler mehr im Zelt schlafen muss und Untersuchungen der Schnee-
und Eisschmelze möglich werden“, sagt Expeditionsleiter Dr. Moritz Langer von
der Potsdamer Forschungsstelle des Alfred-Wegener-Institutes (AWI). Er und 13
Kollegen haben am Mittwoch, den 17. April 2013, als erstes Forscherteam
überhaupt Quartier in der neuen russischen Samoylov-Station bezogen.
Deren Bau war vom russischen
Staatsoberhaupt Wladimir Putin in Auftrag gegeben worden, nachdem dieser im
Sommer 2010 die alte Station besucht hatte. Putin war damals beeindruckt von
den Arbeiten des deutsch-russischen Wissenschaftlerteams und hatte versprochen,
ihre Arbeitsbedingungen durch den Bau einer neuen Station zu verbessern. Die
Verantwortung für den Betrieb und die Versorgung des Neubaus trägt die
Sibirische Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften (SBRAS) – einem
langjährigen Partner des Alfred-Wegener-Institutes. Vertreter beider
Forschungseinrichtungen hatten erst im vergangenen Jahr in Novosibirsk einen
Kooperationsvertrag zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit in der Arktis
geschlossen. Im März dieses Jahres unterzeichneten sie dann ein Abkommen zum
Betrieb der neuen Samoylov-Station.
Die AWI-Wissenschaftler arbeiten und
leben nun als Gäste an der modern eingerichteten russischen Forschungsstation.
Sie bietet den Forschern nicht nur ausreichend Labor- und Schlafplätze, sondern
verfügt zudem über einen Besprechungsraum, eine leistungsfähige
Internetverbindung, mehrere Maschinen, mit denen Bodenproben auch aus großer
Tiefe genommen werden können, sowie über einen kleinen Technik- und Fuhrpark.
Zu letzterem zählen unter anderem Quads und Motorschlitten, ein Kettenfahrzeug
und mehrere Boote. Beste Voraussetzungen also für erkenntnisreiche
Feldforschung im Lena-Delta.
Die AWI-Permafrostforscher werden
sich in diesem Frühjahr auf eine Fragestellung konzentrieren: „Wir wollen
verstehen, auf welche Weise Wärme aus der Atmosphäre in den Boden gelangt.
Dafür werden wir zum Beispiel genauer untersuchen, wie sich der Schnee auf der
Insel verteilt, welches Profil, welche Dichte und welche Kristallstruktur die
Schneedecke aufweist und wie der Tauprozess vonstatten geht“, sagt Moritz
Langer. Die Antworten auf diese Fragen sollen helfen, die physikalischen
Prozesse im Permafrostboden besser zu verstehen und die zukünftige Entwicklung
der dauergefrorenen Regionen genauer vorhersagen zu können.
Die Permafrostgebiete der Arktis
rücken seit einigen Jahren immer stärker in den Fokus der Klimaforschung. Der
Grund: Sobald der Boden auftaut, werden die Treibhausgase Methan und
Kohlendioxid freigesetzt. Der Auslöser dafür wiederum sind Bakterien, die
beginnen, die im Boden vorhandenen Tier- und Pflanzenreste zu zersetzen. Dabei
entstehen wie beim Stoffwechsel fast aller Tiere Kohlenstoffdioxid und Methan.
Taut der Boden nun im Zuge des Klimawandels auch in den tieferen Schichten auf
oder verschwindet der Permafrost sogar vollständig, können die Bakterien auch
jene Überreste abbauen, die schon seit Jahrtausenden tiefgefroren im Erdreich
lagern. Ein Fakt, der den Permafrostboden zu einem wissenschaftlich sehr
interessanten Element des globalen Klimasystems macht. Je mehr Treibhausgase
nämlich durch das Auftauen des Bodens in die Atmosphäre gelangen, desto stärker
erwärmt sich diese und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die
Temperatur in Regionen mit Permafrost steigt und der Dauerfrostboden noch
weitreichender taut. Wissenschaftler sprechen in diesem Fall von einer
„positiven Rückkopplung“.
Forscher des
Alfred-Wegener-Institutes untersuchen seit nunmehr 15 Jahren die Veränderungen
des Permafrostbodens in der russischen Tundra. Die aktuellen Forschungsarbeiten
sind unter anderem Teil des großen EU-Permafrostprojektes PAGE21 (http://www.page21.eu), das vom AWI koordiniert
wird.
Hinweise für Redaktionen:
Druckbare Bilder von den
Permafrost-Forschungsprojekten des Alfred-Wegener-Institutes im russischen
Lena-Delta finden Sie in der Onlineversion dieser Pressemitteilung unter: http://www.awi.de/de/aktuelles_und_presse/pressemitteilungen/
Das AWI-Forscherteam wird von dieser
Expedition auf englisch bloggen. Die Einträge gibt es hier: http://www.page21.eu/blogs/87-tundra2
Blogberichte auf deutsch sowie Fotos
und kleine Videosequenzen von der Sommerexpedition 2012 finden Sie hier: http://www.awi.de/de/infrastruktur/stationen/samoilov_station/aktuelles_von_der_station/expeditionsblog_tundra_stories/
Ihr wissenschaftlicher
Ansprechpartner am Alfred-Wegener-Institut ist Prof. Dr. Hans-Wolfgang
Hubberten, Leiter der AWI-Forschungsstelle Potsdam (Tel. 0331 288-2100, E-Mail:
Hans-Wolfgang.Hubberten@awi.de).
Die Wissenschaftler auf der Samoylov-Insel sind nur per Email zu erreichen.
Bitte kontaktieren Sie bei Nachfragen an Dr. Moritz Langer und sein
Expeditionsteam Sina Löschke in der Abteilung Kommunikation und Medien (Tel.
0471 4831-2008, E-Mail: medien@awi.de).
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