Fotograf: Leo Pompinon
Hochbegabungspresse Die
Beschäftigten in Bibliotheken verwalten schon lange nicht mehr nur Bücher. Sie
vermitteln Inhalte. Diese in unterschiedlichen Medien zu finden und den Nutzern
zugänglich zu machen, wird im digitalen Zeitalter immer mehr zur Kernkompetenz
der modernen Informations-Experten. Der Job, in dem nach wie vor besonders
viele Frauen tätig sind, wird damit immer anspruchsvoller – und spannender denn
je.
Sie sitzen inmitten verstaubter Bücherreihen,
katalogisieren ihre Bestände, blättern ab und zu in einer Zeitschrift und
wachen streng darüber, dass niemand etwas mitgehen lässt. Das Klischee über den
Alltag von Bibliothekaren hält sich hartnäckig – vornehmlich bei all denen, die
Bibliotheken nur von außen kennen. Gerade im digitalen Zeitalter nämlich
wandelt sich das Aufgabenfeld besonders schnell und tiefgreifend. Der moderne
Beruf des Bibliothekars verlangt Aufgeschlossenheit für Technik und Menschen,
Flexibilität und viele weitere Kenntnisse. Als Gegenleistung bietet er
aufregende Tätigkeiten.
„Die Vorstellung, dass eine Bibliothek nur ein Raum
ist, in dem eine Lehrbuchsammlung oder ein paar Romane in Regalen stehen, hat heute
nichts mehr mit der Realität zu tun“, sagt Cornelia Vonhof, Professorin für
Public Management an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Genauso verhalte
es sich mit dem Beruf des Bibliothekars, den man heute teilweise auch schon
ganz anders nennt: Information Professional zum Beispiel. Dieser Titel weist
schon darauf hin, was die Grundqualifikation von Bibliothekaren heute ist: die
Vermittlung von Informationen.
In unserer Wissensgesellschaft ist jeder auf
Informationen angewiesen. Doch in dem Maße, wie deren Verfügbarkeit in den
vergangenen Jahren vor allem durch das Internet zugenommen hat, ist auch die
Unübersichtlichkeit gestiegen. Menschen, die dieses Dickicht durchschauen, die
Informationen ordnen und für andere zielgerecht bereitstellen, sind da gefragt
– Menschen, wie die Bibliothekare. In Stadtbüchereien wie in großen
wissenschaftlichen Universitätsbibliotheken weisen sie den Nutzern den Weg
durch den Informationsdschungel.
Einen
niedrigschwelligen Zugang zu Bildung und Kultur schaffen
Der klassische Ausbildungsberuf ist der zum
Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste. „Junge engagierte
Menschen, die mindestens einen mittleren oder Realschulabschluss mitbringen,
erhalten hier eine hochqualifizierte Ausbildung“, sagt Monika Ziller, die
Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv). Im Laufe von drei
Jahren erlernen sie die Grundlagen für die Arbeit in einer Bibliothek. „Das ist
vor allem die Fähigkeit, kundenorientiert zu arbeiten“, sagt Ziller.
„Bibliothekare eröffnen den Nutzern einen öffentlichen Zugang zu Bildung und
Kultur. Neben ihrem bibliothekarisch-handwerklichen Wissen müssen sie also ein
hohes Maß an sozialer Kompetenz mitbringen.“
Die Wissensexperten unterstützen Erzieher und
Lehrer, wenn diese die Lesefreude bei ihren Zöglingen fördern. Sie helfen
Jugendlichen bei der Internet-Recherche für ihre Hausaufgaben und haben
Weiterbildungstipps für Berufstätige. „In den vielen öffentlichen oder
kirchlich getragenen Bibliotheken beispielsweise arbeiten die Informations-Spezialisten
mit Kitas, Schulen, Stadtteil-Initiativen und vielen anderen Akteuren vor Ort
zusammen“, sagt Monika Ziller. „So garantieren sie einen niedrigschwelligen
Zugang zu unseren kulturellen Angeboten.“
Der Anteil weiblicher Mitarbeiter in Bibliotheken
ist ungewöhnlich hoch. „Das Berufsfeld kann immer noch als ein von Frauen
geprägtes gelten“, sagt Monika Ziller. „Das liegt sicherlich auch daran, dass
vielen Männern die Bezahlung nicht reicht.“ In diesem Punkt bestehe dringender
Verbesserungsbedarf.
Informationskompetenz
stärken
An der Hochschule der Medien in Stuttgart werden
Studenten durch ein Studium im Bibliotheks- und Informationsmanagement dafür
qualifiziert, in Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen zu
arbeiten. „Die späteren Arbeitsplätze unserer Studierenden sind neben
Bibliotheken etwa Bibliotheksservicezentren oder Verlage. Sie arbeiten im
Kulturmanagement oder in den Research-Abteilungen großer Unternehmen“, sagt
Vonhof. So vielfältig wie die späteren
Arbeitsgebiete sind deshalb auch die Kompetenzen, die im Studium vermittelt
werden müssen.
Zur Grundlage eines modernen Bibliothekars gehört
zunächst eine breite Kenntnis des Medienmarktes. Wer passende Informationen an
seine Kunden weitergeben will, muss schließlich wissen, wo es sie gibt und wie
man sie erhält. „Die große Herausforderung für Bibliotheken ist es, deutlich zu
machen, dass sie viel mehr Qualität bieten können als Google und das Internet“,
sagt Cornelia Vonhof. Viele Informationen findet man mit Google gar nicht, und
bei weitem nicht alles ist im Netz frei verfügbar. Bibliothekare müssen also
einerseits in unterschiedlichen Katalogen und Datenbanken suchen können und
andererseits ihre Nutzer in die Lage versetzen, sich selbst dieser Techniken
der Informationserschließung zu bedienen. In der Bibliothek wird also auch
Informationskompetenz vermittelt. Darüber hinaus können sie dem Nutzer diese
Informationen direkt in der Bibliothek verfügbar machen, sei es digital oder
analog. Ein gut ausgebildeter Bibliothekar sollte außerdem die Qualität der
Informationen beurteilen können – eine Fähigkeit, die dem Besucher viel
Recherchezeit ersparen kann, weiß Vonhof.
Um mit den unterschiedlichsten Kunden und ihren
vielfältigen Anfragen umzugehen, muss ein Bibliothekar auch Kommunikationsgeschick
beweisen. „Es kommen vom Grundschüler bis zum Firmengründer alle Menschen in
die Bibliothek. Manchmal geht es im ersten Schritt darum, überhaupt
herauszubekommen, was derjenige eigentlich braucht“, erklärt Vonhof.
Wie die Arbeit in einer modernen Bibliothek heute
aussehen kann, zeigt das Wissenschaftskolleg zu Berlin. 40
Gastwissenschaftler haben dort jedes Jahr die Möglichkeit, ein akademisches
Jahr lang an selbst gewählten Projekten zu arbeiten. „Unsere Fellows bilden
eine Lerngemeinschaft auf Zeit, die durch Fächervielfalt, Internationalität und
Interkulturalität gekennzeichnet ist “, sagt Dr. Sonja Grund, die Leiterin der
hauseigenen Bibliothek. „Die Herausforderung für eine kleine Bibliothek wie
unsere besteht vor allem darin, ein breites, jährlich wechselndes
Fächerspektrum abzudecken und Wissenschaftler mit unterschiedlichsten
Arbeitsgewohnheiten und -methoden individuell zu betreuen.“
Zwar gibt es im Wissenschaftskolleg eine
Handbibliothek mit wichtigen Nachschlagewerken aller Fachdisziplinen sowie eine
stetig wachsende Fellow-Bibliothek mit Publikationen ehemaliger und aktueller
Gastwissenschaftler. Doch der Aufbau eines eigenen Bestands ist nicht das
vornehmliche Konzept der Bibliothek. „Bei uns geht es vielmehr um die
kurzfristige und individuelle Bereitstellung von Forschungsliteratur“, sagt
Grund. „Durch Kooperationen mit Bibliotheken und Forschungseinrichtungen in
aller Welt machen wir unseren Fellows gedruckte sowie elektronische
wissenschaftliche Bestände zugänglich, stellen die gewünschten Medien
gegebenenfalls vor Ort bereit und kümmern uns um den gesamten
Verwaltungsprozess der Ausleihen und Fristen.“ Für allgemeine
Literaturrecherchen und gezielte Fachinformation nutzt die Bibliothek Zugänge
zu nationalen und internationalen Datenbankanbietern sowie elektronischen
Zeitschriften.
Die
digitale Information ist nicht mehr ortsgebunden
Einen Blick in die Zukunft der Bibliotheken wirft
Stefan Gradmann. Er ist Professor für Bibliotheks- und Informationswissenschaft
an der Humboldt Universität in Berlin. Gradmann prophezeit einen tiefgreifenden
Wandel des gesamten Bibliothekswesens. Das Zeitalter, in denen Bibliotheken
exklusiv Printmedien in Beständen vorhielten, sei vorbei. In Zukunft werde
alles, was derzeit noch in Büchern steht und vieles darüber hinaus, digital
verfügbar und miteinander verlinkt sein.
„Die Frage, die sich stellt, ist, wie viele
Institutionen, wie die heutigen Bibliotheken, wir dann noch brauchen“, sagt
Gradmann. Denn digitale Informationen sind nicht mehr ortsgebunden, sie lassen
sich in Sekundenschnelle vervielfältigen und abrufen. Wer alles, was er an
Informationen braucht, auf seinen Bildschirm bekommen kann, muss sich von dort
nicht mehr wegbewegen. Bedeutet das auch das Aus der Bibliothek? Stefan
Gradmann glaubt das nicht. „Es braucht auch in Zukunft Räume, in denen sich
Menschen treffen können, um miteinander zu sprechen, sich auszutauschen und zu
arbeiten“, sagt er. Die Bibliothek wird seiner Meinung nach zunehmend die
Funktion eines sozialen Raumes einnehmen.
Doch nur, wenn sie sich nicht mehr hundertprozentig
über Bücher als Medium identifizieren, haben Bibliotheken auch in Zukunft eine
Chance. „Begriffe wie Katalog oder Bestand können Sie dann vergessen“, erklärt
Gradmann. Ins Zentrum der Informationsbeschaffung trete der Kern all dessen:
der Inhalt. Der sei über Ländergrenzen hinweg und unabhängig von der äußeren
Form zugänglich zu machen. „Wenn es die Bibliotheken schaffen, sich auf die
Informationsbeschaffung und den Umgang mit Inhalten zu spezialisieren, dann
könnten sie Teil einer neuen digitalen Hilfswissenschaft werden“, erklärt der
Professor. Diese Kompetenz vermittle der Studiengang Bibliotheks- und
Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität seinen Studenten. Eine
Idee, wie die Zukunft der Bibliothek aussehen könnte, geben Projekte wie die
Deutsche Digitale Bibliothek oder die Europäische Digitale Bibliothek
„Europeana“.
„Der Bibliothekar wird im Zeitalter der digitalen
Informationsvermittlung ein anderer sein als er es davor war“, sagt Gradmann.
„Von ihm wird verlangt, dass er viel vernetzter und extrovertierter wird“,
erklärt er. Sie sind nicht länger die Herren der Bücher, die ihre Standards und
Regelwerke, etwa für die Katalogisierung, selbst bestimmen, sondern sie werden
mit den Standards umgehen müssen, die von anderen gemacht werden und
international gelten. Das habe mit Ländergrenzen nichts mehr zu tun.
Bei all dem darf eine Fähigkeit eines modernen
Informationsspezialisten nicht in den Hintergrund treten: die kaufmännische
Kompetenz. „Finanz- und Personalressourcen sind in Bibliotheken schon immer
knapp“, sagt Cornelia Vonhof. Deshalb werden in ihrem Studiengang auch
klassische betriebswirtschaftliche Inhalte gelehrt, wie Controlling und
strategisches Management. Bibliotheken können immer seltener alle Zielgruppen
bedienen und müssen sich daher auf eine oder wenige spezialisieren. Das wenige
Geld muss effizient eingesetzt werden, um die Bibliothek immer weiter zu
modernisieren und um sie den Erfordernissen angemessen zu gestalten.
Die Anforderungen, die in dieser Entwicklung an
einen modernen Bibliothekar gestellt werden, sind hoch. Noch höher ist die
Erwartung an seine Flexibilität: Alle fünf bis zehn Jahre kann er damit
rechnen, dass er sein komplettes Wissen umpflügen muss: eine große
Herausforderung für die Bibliothekare der Zukunft, aber auch „extrem
aufregend“, verspricht Stefan Gradmann.
(Autor: dbv, Text: 10.552 Zeichen, inkl.
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Ausbildungswege:
Es gibt
verschiedene Berufe und Ausbildungsmöglichkeiten für Tätigkeiten in
Bibliotheken. An zahlreichen Fachhochschulen und Universitäten werden
Bibliothekare in verschiedenen Bachelor- und Master-Studiengängen auf
Tätigkeiten im gehobenen oder höheren Dienst beziehungsweise auf Tätigkeiten
mit Leitungsfunktionen vorbereitet. Die Internetseite www.hochschulkompass.de
gibt eine Übersicht über alle in Deutschland angebotenen Grund- und
Aufbaustudiengänge.
Wissenschaftliche
Bibliothekare arbeiten vorwiegend in den Bibliotheken von Hochschulen. Sie
müssen einen Studienabschluss in einem Fach mitbringen, damit gewährleistet
ist, dass sie fachlich mit Wissenschaftlern kommunizieren können. Zusätzlich zu
ihrem Fachstudium müssen sie eine bibliothekarische Ausbildung absolvieren.
Diese besteht entweder aus einem Referendariat beziehungsweise Volontariat oder
aus einem zusätzlichen Masterabschluss im Bereich Bibliotheks-und
Informationswissenschaft.
Die
klassische duale Ausbildung ist die zum Fachangestellten für Medien- und
Informationsdienste. Die Voraussetzung für diese Ausbildung ist mindestens der
mittlere oder Realschulabschluss. Die Ausbildung hat die Fachrichtungen Bibliothek, Bildagenturen, Archive,
Information und Dokumentation oder Medizinische Dokumentation. Die Ausbildung
dauert drei Jahre. Im öffentlichen Dienst arbeiten die Fachangestellten in der
Regel im mittleren Dienst.
Weitere
Informationen unter: www.bibliotheksportal.de/themen/beruf/berufsverbaende.html
(Autor:
dbv, Kasten-Text: 1488 Zeichen, inkl. Leerzeichen)
Die bundesweite Aktionswoche
„Treffpunkt Bibliothek“ wird bereits zum fünften Mal vom Deutschen
Bibliotheksverband e.V. (dbv) koordiniert. Vom 24. bis 31. Oktober 2012
präsentieren sich Bibliotheken in ganz Deutschland als Partner für Medien- und
Informationskompetenz sowie für Bildung und Weiterbildung. Sie veranstalten
Lesungen, Ausstellungen, Workshops, Events, Bibliotheksnächte und viele weitere
Aktionen, die im gemeinsamen Terminkalender zu finden sind: www.treffpunkt-bibliothek.de.
Der
Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv) sind ca.
2.000 Bibliotheken aller Sparten und Größenklassen Deutschlands
zusammengeschlossen. Der gemeinnützige Verein dient seit mehr als 60 Jahren der
Förderung des Bibliothekswesens und der Kooperation aller Bibliotheken. Sein
Anliegen ist es, die Wirkung der Bibliotheken in Kultur und Bildung sichtbar zu
machen und ihre Rolle in der Gesellschaft zu stärken. Zu den Aufgaben des dbv
gehört auch die Förderung des Buches und des Lesens als unentbehrliche
Grundlage für Wissenschaft und Information, sowie die Förderung des Einsatzes
zeitgemäßer Informationstechnologien.
Kontakt:
Deutscher Bibliotheksverband e.V.
Barbara Schleihagen, Geschäftsführerin, Tel.: 030 / 644
98 99 12
E-Mail: dbv@bibliotheksverband.de , http://www.bibliotheksverband.de, http://www.bibliotheksportal.de
E-Mail: dbv@bibliotheksverband.de , http://www.bibliotheksverband.de, http://www.bibliotheksportal.de