Psychologen der Universität Tübingen testen in Studie
unterschiedliche Therapieformen
Ein verhaltenstherapeutisches Gruppentraining erzielt als Therapieform bei
einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) genauso gute
Erfolge wie ein Neurofeedback-Training: Beide Methoden führen zu einer
vergleichbaren Abnahme der Symptome. Die Verhaltenstherapie erweise sich dabei
aber als insgesamt effizienter, schlussfolgern Dr. Michael Schönenberg
und sein Team aus der „Klinischen Psychologie und Psychotherapie“ an der
Universität Tübingen in einer Studie, in der sie mit erwachsenen Probanden
verschiedene Therapieformen vergleichend getestet hatten. Die Ergebnisse wurden
im Fachmagazin The Lancet Psychiatry veröffentlicht.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine bereits
im Kindes- und Jugendalter beginnende psychische Störung, die bei bis zu 60
Prozent der Fälle auch im Erwachsenenalter fortbesteht und zu Schwierigkeiten
im Berufs- wie auch Privatleben führen kann. Betroffene berichten von Symptomen
wie Impulsivität, geringe Stresstoleranz, innerer Ruhelosigkeit und
Getriebenheit. Dazu kommen Schwierigkeiten in Planung und Organisation sowie
die Unfähigkeit, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren und diese
zum Abschluss zu bringen. Mit Medikamenten lassen sich die Symptome gut
behandeln, ähnliche Erfolge werden auch für nicht pharmakologische
Therapieformen berichtet.
Kontrovers diskutiert wird vor allem das sogenannte Neurofeedback, bei dem
Patienten lernen sollen, ihre Hirnströme gezielt zu beeinflussen und so einen
Rückgang der Symptome zu erreichen. Frühere Studien konnten überzeugend zeigen,
dass ADHS-Symptome tatsächlich nach einem solchen Training abnehmen. Dennoch
ist umstritten, ob die Verbesserung tatsächlich auf die spezifische Wirkung des
Trainings zurück zu führen ist oder eher der Wirkung unspezifischer
Placebo-Effekte zugeschrieben werden muss.
In einer aktuellen Studie testeten die Tübinger Psychologen gemeinsam mit
Wissenschaftlern aus Bamberg, Bayreuth und Budapest vergleichend ein
Neurofeedbacktraining, ein Placebotraining (die Teilnehmer bekamen nicht die
eigenen Hirnströme rückgemeldet) und ein verhaltenstherapeutisches
Gruppenprogramm, bei dem unter anderem spezifische Strategien zur
Handlungsplanung, ein verbessertes Zeitmanagement und
Stressbewältigungstechniken eingeübt werden. 118 Erwachsene mit
ADHS-Symptomatik erhielten dafür über einen Zeitraum von 15 Wochen entweder
insgesamt 30 Sitzungen Neurofeedback oder 15 Sitzungen Placebotraining und im
Anschluss daran 15 Sitzungen Neurofeedback. Eine weitere Vergleichsgruppe
erhielt über 12 Wochen insgesamt 12 Sitzungen verhaltenstherapeutische
Gruppentherapie. Verglichen wurden Veränderungen in der Symptomschwere, in
objektiven Tests zur Konzentrationsfähigkeit und in zugrundeliegenden
Hirnstrommustern über vier Messzeitpunkte von vor Beginn der Intervention bis
zu sechs Monaten nach Trainingsende.
Es habe sich herausgestellt, dass die Effekte einer
Neurofeedbackintervention denen eines Placebotrainings nicht überlegen waren,
berichten die Wissenschaftler. Beide Trainings hätten eine gute Wirkung
gezeigt, einen spezifischen Effekt des Neurofeedbacks auf die Hirnströme habe
man jedoch nicht nachweisen können. Es habe sich außerdem gezeigt, dass das
verhaltenstherapeutische Gruppentraining ebenfalls zu einer vergleichbaren Abnahme
der Symptome führe, sagt Projektleiter Michael Schönenberg. „Und dies bei
wesentlich geringerem Aufwand der Methode. Unter anderem braucht es weniger
Sitzungen, statt Einzeltraining ist ein Gruppentraining möglich und es
entstehen keine Zusatzkosten durch Anschaffung und Unterhaltung der technischen
Voraussetzungen.“ Die Befunde der Studie fasst er so zusammen: „Die Ergebnisse
unserer Studie zeigen, dass verhaltenstherapeutische Ansätze sehr effektiv und
effizient in der Behandlung von ADHS-Symptomen im Erwachsenenalter sind. Bevor
andere Methoden für die Therapie empfohlen werden können, müssen diese erst
ihre Überlegenheit gegenüber verhaltenstherapeutischen Standardmethoden unter
Beweis stellen.“
Publikation:
Michael Schönenberg, Eva Wiedemann,
Alexander Schneidt, Jonathan Scheeff, Alexander Logemann, Philipp M. Keune,
Martin Hautzinger: Neurofeedback, sham neurofeedback, and cognitive-behavioural
group therapy in adults with attention-deficit hyperactivity disorder: a
triple-blind, randomised, controlled trial. The Lancet Psychiatry, Published
Online, August 9, 2017; http://dx.doi.org/10.1016/S2215-0366(17)30291-2
The Lancet Psychiatry Podcast: http://www.thelancet.com/journals/lanpsy/onlineFirst
Kontakt:
PD Dr. Michael Schönenberg (Derzeit am besten per Mail erreichbar)
Universität Tübingen
Abteilung für Klinische Psychologie
Telefon: +49 7071 29-78355
Eberhard Karls Universität Tübingen
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