Berlin, 06. Januar 2017. Das
Gesundheitssystem im vom Krieg gebeutelten Jemen steht vor dem Kollaps. Das
stellt eine neue Analyse von Save the Children fest, in der auch Ärzte und
Eltern zu Wort kommen. Mehr als die Hälfte aller geschätzten 3.500
medizinischen Einrichtungen des Landes sind wegen des Konflikts geschlossen
oder nur teilweise funktionsfähig. Somit haben laut UN [1] 8 Mio. Kinder
keinen Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung.
Der Bericht „Der Kampf ums Überleben: Geschichten von Jemens kollabierendem Gesundheitssystem“ belegt, dass die Kindersterblichkeit im Jemen steigt. Mindestens 1.219 Kinder sind direkt durch die Kampfhandlungen zu Tode gekommen. Der dauerhafte Mangel an medizinischer Ausrüstung und Personal führen allerdings zu weiteren 10.000 vermeidbaren Todesfällen, die die Studie als die „unsichtbaren Opfer des jemenitischen Kriegs“ („invisible casualties of Yemen’s war") bezeichnet.
Im ganzen Land fehlt es an qualifiziertem Personal, da viele Ärzte
entweder Jemen verlassen oder als Binnenvertriebene von ihren Heimatort fliehen
müssen. „Schon vor dem Krieg starben Zehntausende Kinder an vermeidbaren
Ursachen“, klagt Edward Santiago, Länderdirektor von Save the Children im
Jemen. „Aber jetzt ist die Situation dramatisch schlechter: Wir verlieren
wöchentlich ca. 1.000 Kinder an Durchfall, Mangelernährung und
Atemwegsinfektionen – alles Todesfälle, die wir normalerweise verhindern
könnten.“
„Eltern verlieren durch das Kriegschaos ihre Arbeit und ihre
Lebensgrundlage. Viele haben uns erzählt, dass sie ihren Schmuck, Fahrzeuge,
Benzinkanister und Land verkaufen müssen, nur um sich die Fahrt in ein
Krankenhaus leisten zu können. Andere machen Schulden, nur um im Krankenhaus
festzustellen, dass sie sich die Arznei, die ihre Kinder dringend bräuchten,
trotzdem nicht leisten können oder dass die Klinik gar keine lebensrettenden
Medikamente mehr hat.“
Der Vize-Direktor des Al-Sabeen Krankenhauses in Sanaa, Hilel
Mohammed al-Bahri, bestätigt einen 300%igen Kostenanstieg für Medikamente seit
dem Beginn des Kriegs im März 2015. Für die meisten Familien ist das
unbezahlbar. „Wir können weder Medikamente noch Ärzte und Angestellte bezahlen.
Wir hängen von den geringen Gebühren ab, die uns unsere Patienten bezahlen. Für
Wartung oder Ersatzteile haben wir kein Geld, ohnehin macht die Blockade alles
unmöglich. Wir können nur Babys unter neun Monaten auf der Intensivstation
unterbringen, für die älteren haben wir keinen Platz. Überhaupt haben wir nur 20
Plätze auf der Intensivstation, dabei sind wir das einzige Kinderkrankenhaus
weit und breit.“
Zahlreiche
Kinder müssen abgewiesen werden oder, wie im Al-Sabeen-Krankenhaus, sich die
Station mit hochinfektiösen Kindern teilen. Für Masern oder andere ansteckende
Krankheiten hat die Klinik weder Isolationsräume noch die entsprechende
Ausrüstung.
Save
the Children fordert die Konfliktparteien daher auf, den Import von wichtigen
Handelswaren und humanitären Lieferungen nicht weiter zu behindern, sondern humanitärer
Hilfe sofort und ungehindert Zugang in ganz Jemen zu verschaffen. Außerdem
müssen die Parteien ihren Verpflichtungen zur Einhaltung von internationalem
Völker- und Menschenrecht nachkommen und sofort Maßnahmen ergreifen, um
grobe Vergehen gegen Kinder zu beenden und verhindern.
Dazu
zählen das Morden, Verletzen und Verstümmeln von Kindern, das Angreifen von
Krankenhäusern und die Rekrutierung und Ausbeutung von Kindern für militärische
Zwecke.
Save
the Children unterstützt 60 ärztliche Einrichtungen mit entscheidenden
Apparaturen, Medikamenten und Schulungen im Jemen. Die Kinderrechtsorganisation
hat auch mobile medizinische Teams, die Ernährungsunterstützung leisten. 2016
haben wir so 400.000 Menschen erreicht, wovon mehr als die Hälfte Kinder waren.
Kontakt:
Save the Children Deutschland e.V.
Pressestelle – Diane
Nakschbandi
Tel.: +49 (30) 27 59 59 79 –
120