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Forschungsflugzeug A320 ATRA
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
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Wenn Flugzeuge fliegen, entstehen hinter ihnen von den
Tragflügelspitzen ausgehende starke Wirbel, sogenannte Wirbelschleppen. Diese
können sicherheitsrelevante Auswirkungen auf den nachfolgenden Flugverkehr
haben. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat nun in
Flugversuchen die Weiterentwicklung eines Wirbelschleppenausweichsystems
erprobt. Das System kann die potentiell gefährlichen Wirbelschleppen allein aus
Wetterinformationen und den Navigationsdaten des vorausfliegenden Flugzeugs
vorhersagen, mögliche Konflikte ermitteln und dazu Ausweichmanöver vorschlagen.
Darstellung unsichtbarer Wirbel auf dem Display
Bei insgesamt fünf Versuchsflügen im November und
Dezember 2016 war das DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA (Advanced Technology
Research Aircraft) für den Praxistest des neuen Ausweichsystems in der Luft.
"Zunächst haben wir mit Hilfe des gleichzeitig fliegenden
DLR-Versuchsflugzeugs Falcon erprobt, wie präzise die vorgeschlagenen
Ausweichmanöver dessen Wirbelschleppen umgehen", erklärt der Projektleiter
Tobias Bauer vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik. "Dafür haben wir von
der Falcon genaue Informationen über Position, Geschwindigkeit sowie
meteorologische Parameter empfangen, aus denen der Computer berechnet, wie sich
die Wirbelschleppen im Luftraum bewegen." Als Schnittstelle zum Piloten dient
ein Display, das die Position der Wirbelschleppe anzeigt und eine alternative
Flugbahn mit möglichst geringer Bahnabweichung vorschlägt.
Testfall Linienflug
Eine Software zur Wirbelprognose, entwickelt am
DLR-Institut für Physik der Atmosphäre, berechnet unter Berücksichtigung des
Winds, der Temperaturverteilung und der Turbulenz, wie sich die Wirbelschleppen
hinter einem Flugzeug verhalten. Je weniger lokale Wetterdaten dafür
bereitstehen, desto schwieriger wird die Berechnung. "Bei vier von fünf Versuchsflügen
haben wir direkt die Wirbelschleppen von Flugzeugen im Linienverkehr
angesteuert", erzählt Bauer. "Diese senden heute erst einen Teil der
benötigten Daten an umgebende Flugzeuge, so dass wir weitreichende Annahmen für
die Vorhersage der Wirbelschleppen treffen mussten." Die gesammelten Daten
aus dem operationellen Linienverkehr bilden daher eine wertvolle Grundlage, um
das System weiter zu präzisieren, nach dem die Tests mit der Falcon bereits
gezeigt haben, dass der gewählte Ansatz prinzipiell gute Wirbelprognosen
liefert und das Situationsbewusstsein der Piloten schärft.
Exakte Koordination
"Die Testflüge erforderten eine exakte Koordination
mit dem jeweils vorausfliegenden Flugzeug", sagt DLR-Testpilot Jens Heider
von der DLR-Forschungsflugabteilung. "Mit der Falcon war das eingespielt,
aber bei den kurzfristig ausgewählten Linienflugzeugen waren wir auf die
Kooperation mit den Piloten verschiedenster Fluggesellschaften sowie den
Fluglotsen angewiesen, die sehr gut funktionierte." Geflogen wurden die
Ausweichmanöver im Luftraum über Nordostdeutschland. Die Forschungsflugzeuge
starteten und landeten am DLR-Standort Braunschweig.
Aufrollen an den Flügelspitzen
Wirbelschleppen, die auch Wirbelzöpfe oder Randwirbel
genannt werden, sind gegenläufig drehende Luftwirbel hinter fliegenden
Flugzeugen. Ihre Intensität ist von Größe und Gewicht eines Flugzeugs abhängig.
Besonders kräftig fallen daher die Wirbelschleppen der Großflugzeuge wie etwa
des Airbus A380 oder der Boeing 747 aus. Hinter diesen Giganten der Lüfte
müssen kleinere Maschinen einen erweiterten Sicherheitsabstand von bis zu
fünfzehn Kilometern einhalten. Die Lebensdauer von Wirbelschleppen wird von
Windverhältnissen, Turbulenz und Temperaturschichtung in der Atmosphäre
beeinflusst. In der Regel sinken die Wirbel langsam ab, bevor sie sich
auflösen. Wirbelschleppen rühren von der Aerodynamik der Tragflächenspitzen
her. Dort treffen der Unterdruck der Tragflächenoberseite und der Überdruck der
Tragflächenunterseite zusammen, was zu einem Aufrollen der Wirbel führt.
Bordgestütztes Warn- und Ausweichsystem für
Wirbelschleppen
In verschiedenen Projekten, aktuell dem DLR Projekt
Land-Based and Onboard Wake Systems (L-bows), beschäftigen sich
DLR-Wissenschaftler seit 2012 mit den Basisfunktionalitäten des DLR-Warn- und
Ausweichsystems für Wirbelschleppen, genannt WEAA (Wake Encounter Avoidance
& Advisory System). Unter der Leitung des DLR-Instituts für
Flugsystemtechnik wird schrittweise eine Technologie entwickelt, die
Wirbelschleppen entlang der Flugbahn vorhersagt, in ihrer Wirkung einschätzt,
passende Ausweichmanöver vorschlägt und diese bei Bedarf automatisch
durchführt. Das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre hat die Software zur
Zusammenführung der Wetterdaten aus verschiedenen Quellen und zur
Wirbelschleppenvorhersage beigesteuert; ein Teil der Arbeiten wurde im Auftrag
von Airbus durchgeführt. In einem Anschlussprojekt soll die Praxistauglichkeit
der einzelnen Module vorangetrieben und die Technologieerprobung unter
Einsatzbedingungen weiter abgerundet werden.
Kontakte:
Falk Dambowsky
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation, Redaktion Luftfahrt
Tel.: +49 2203 601-3959
Tobias Bauer
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut
für Flugsystemtechnik
Tel.: +49 53 12953-258
Jens Heider
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Flugexperimente
Tel.: +49 53 12952-402
Presse Hochbegabung by Lilli Cremer-Altgeld. News aus aller Welt: Menschen in Gesellschaft, Medizin, Technik, Wissenschaft, Forschung und Hochschulen. Hochbegabte@t-online.de