Wichtigster
deutscher Forschungsförderpreis / Je 2,5 Millionen Euro für herausragende
Arbeiten aus allen Wissenschaftsgebieten / Verleihung am 15. März 2017 in
Berlin
Die neuen
Trägerinnen und Träger des wichtigsten Forschungsförderpreises in Deutschland stehen
fest: Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannte
heute in Bonn drei Wissenschaftlerinnen und sieben Wissenschaftlern den
Leibniz-Preis 2017 zu. Sie waren zuvor vom zuständigen Nominierungsausschuss
aus 134 Vorschlägen ausgewählt worden. Von den zehn neuen Preisträgerinnen und
Preisträgern kommen jeweils drei aus den Naturwissenschaften und den Geistes-
und Sozialwissenschaften sowie jeweils zwei aus den Lebenswissenschaften und
den Ingenieurwissenschaften. Alle zehn Ausgezeichneten erhalten ein Preisgeld
von jeweils 2,5 Millionen Euro. Diese Gelder können sie bis zu sieben Jahre
lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre
Forschungsarbeit verwenden. Verliehen werden die Leibniz-Preise 2017 am 15.
März in Berlin.
Den
„Förderpreis im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm“ der DFG für das Jahr 2017
erhalten:
· Professor
Dr. Lutz Ackermann, Organische Molekülchemie, Georg-August-Universität Göttingen
· Professor Dr. Beatrice Gründler,
Arabistik, Freie Universität Berlin
· Professor Dr. Ralph Hertwig,
Kognitionspsychologie, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin
·
Professor
Dr. Karl-Peter Hopfner, Strukturbiologie, Ludwig-Maximilians-Universität
München
· Professor Dr. Frank Jülicher,
Theoretische Biophysik, Max-Planck-Institut für Physik komplexer technischer
Systeme, Dresden
· Professor Dr. Lutz Mädler, Mechanische
Verfahrenstechnik, Universität Bremen
· Professor Dr. Britta Nestler,
Materialwissenschaft, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
· Professor Dr. Joachim P. Spatz,
Biophysik, Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Stuttgart, und
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
· Professor Dr. Anne Storch, Afrikanistik,
Universität zu Köln
· Professor Dr. Jörg Vogel, Medizinische
Mikrobiologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Der
Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG verliehen.
Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5
Millionen Euro verliehen werden. Mit den zehn Preisen für 2017 sind bislang
insgesamt 348 Leibniz-Preise vergeben worden. Davon gingen 115 in die
Naturwissenschaften, 101 in die Lebenswissenschaften, 79 in die Geistes- und
Sozialwissenschaften und 54 in die Ingenieurwissenschaften. Da Preis und
Preisgeld in Ausnahmefällen geteilt werden können, ist die Zahl der
Ausgezeichneten höher als die der Preise. Insgesamt haben bislang 374
Nominierte den Preis erhalten, darunter 326 Wissenschaftler und 48
Wissenschaftlerinnen.
Sieben
Leibniz-Preisträger haben nach der Auszeichnung mit dem wichtigsten
Forschungsförderpreis in Deutschland auch den Nobelpreis erhalten: 1988
Professor Dr. Hartmut Michel (Chemie), 1991 Professor Dr. Erwin Neher und
Professor Dr. Bert Sakmann (beide Medizin), 1995 Professor Dr. Christiane
Nüsslein-Volhard (Medizin), 2005 Professor Dr. Theodor W. Hänsch (Physik), 2007
Professor Dr. Gerhard Ertl (Chemie) und zuletzt 2014 Professor Dr. Stefan W.
Hell (Chemie).
Die
Leibniz-Preisträgerinnen und -Preisträger 2017 im Kurzporträt:
Professor
Dr. Lutz Ackermann (43), Organische Molekülchemie, Institut für Organische und
Biomolekulare Chemie, Georg-August-Universität Göttingen
Lutz
Ackermann erhält den Leibniz-Preis 2017 für seine herausragenden Leistungen auf
dem Gebiet der Organischen Chemie. Seine internationale Reputation gründet
insbesondere auf seinen Forschungsarbeiten zur katalytischen Aktivierung von
Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen. Diese in allen organischen Stoffen
vorkommenden Bindungen sind in der Regel äußerst reaktionsträge und lassen sich
nur sehr schlecht und häufig unselektiv transformieren. Die von Ackermann und
seinen Mitstreitern entwickelten Verfahren haben grundlegend neue und
ressourcenschonende Herstellungswege für wichtige chemische Produkte, darunter
Wirkstoffe, Agrochemikalien und Feinchemikalien, ermöglicht. Durch weitere
Arbeiten schuf Ackermann zudem neue Konzepte für eine umweltschonende Synthesechemie.
Lutz
Ackermann studierte in Kiel Chemie, nach Stationen in Rennes und Mülheim/Ruhr
wurde er an der Universität Dortmund promoviert. Als Postdoktorand forschte er
in Berkeley, von wo er 2003 als Leiter einer DFG-geförderten Emmy
Noether-Nachwuchsgruppe nach München ging. Seit 2007 hat Ackermann seinen
jetzigen Lehrstuhl in Göttingen inne und leitet dort seit 2015 das Institut für
Organische und Biomolekulare Chemie. Ackermann gehört zu den weltweit am
häufigsten zitierten Wissenschaftlern seines Fachbereichs.
Professor
Dr. Beatrice Gründler (52), Arabistik, Seminar für Semitistik und Arabistik,
Freie Universität Berlin
Für ihre
Studien zur Vielstimmigkeit der arabischen Poesie und Kultur erhält Beatrice
Gründler den Leibniz-Preis. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihrer
wissenschaftlichen Laufbahn wendete sie sich dem Medium der Schrift in ihrer
grundlegenden Bedeutung für die arabischen Traditionen zu, so in ihrem Buch
„The Development of the Arabic Sricpt“ (1993). Schließlich entwickelte sie anhand
ihrer Forschungen eine komplexe Mediengeschichte der arabischen Welt, die von
der Einführung des Papiers bis zum Buchdruck und darüber hinaus reicht –
Gründler selbst spricht in diesem Zusammenhang von einer „Arabic book
revolution“. Mit ihrem seit 2015 durchgeführten Pilotprojekt einer digitalen
kritischen und kommentierten Edition des „Kalila wa-Dimna“ erschloss Gründler
Text-, Entstehungs- und Wirkungsgeschichte jener Fabelsammlung, die als eine
der frühesten arabischen Prosaschriften und als zentraler Text der arabischen
Weisheitsliteratur gilt. Die Begegnungen arabischer und europäischer
Wissenstraditionen, die Gründler in ihren Arbeiten erforscht, praktiziert sie
in der Weise ihres Arbeitens auf vorbildliche Weise selbst – auch deshalb sind
ihre Forschungsarbeiten so wichtig.
Beatrice
Gründler studierte in Straßburg, Tübingen und Harvard, wo sie 1995 auch
promoviert wurde. Nach einer Zwischenstation am Dartmouth College lehrte sie ab
1996 an der Yale University, zunächst als Assistenzprofessorin, seit 2002 als
Professorin für arabische Literatur. 2014 kehrte sie nach Deutschland zurück,
wo sie seitdem an der Freien Universität Berlin forscht.
Professor
Dr. Ralph Hertwig (53), Kognitionspsychologie, Fachbereich Adaptive
Rationalität, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin
Ralph
Hertwig wird mit dem Leibniz-Preis 2017 für seine wegweisenden Arbeiten auf dem
Gebiet der Psychologie des menschlichen Urteilens und Entscheidens
ausgezeichnet. Sie erweitern unser Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen
menschlicher Rationalität. Hertwig erforscht, mit welchen Strategien Menschen
angesichts begrenzten Wissens, begrenzter kognitiver Ressourcen und oft
begrenzter Zeit trotzdem gute Entscheidungen treffen und ihr Handeln
organisieren. Wesentlich ist dabei die Einsicht, warum in der Begrenzung auch
eine Stärke liegt, wie also adaptive Heuristiken als einfache Faustregeln zur
Problemlösung in einer unsicheren Welt ebenso wirksam sein können wie komplexe
Optimierungsmodelle. Ein weiterer bedeutender Beitrag Hertwigs zur
Entscheidungsforschung ist die Unterscheidung zwischen erfahrungsbasierten und
beschreibungsbasierten Einschätzungen von Risiken. Sie macht nachvollziehbar,
dass etwa die dramatischen Konsequenzen des
Klimawandels in der Bevölkerung systematisch unterschätzt werden, weil zwar zur
Beschreibung des Problems umfassende Informationen vorliegen, eigene
alltägliche Erfahrungen – die Menschen ihren Entscheidungen in erster Linie
zugrunde legen – hingegen kaum.
Ralph
Hertwig ist seit 2012 Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in
Berlin, wo er den Forschungsbereich Adaptive Rationalität leitet. Hertwig
begann seine wissenschaftliche Laufbahn 1995 am Max-Planck-Institut für
Psychologische Forschung in München, 1997 wechselte er an das
Max-Planck-Institut in Berlin. Von 2000 bis 2002 war er Research Fellow an der
Columbia University. 2003 habilitierte sich
Hertwig an der Freien Universität Berlin, 2005 erhielt er einen Ruf als Professor für Kognitionswissenschaft und
Entscheidungspsychologie an der Universität Basel, von wo aus er auf
seine jetzige Position wechselte.
Professor
Dr. Karl-Peter Hopfner (48), Strukturbiologie, Abteilung Biochemie –
Genzentrum, Ludwig-Maximilians-Universität München
Karl-Peter
Hopfner erhält den Leibniz-Preis für seine herausragenden strukturbiologischen
und genombiologischen Arbeiten, mit denen er wegweisende Beiträge auf dem
Gebiet der DNA-Reparatur und der zellulären Erkennung fremder Nukleinsäuren
geleistet hat. Hopfners Forschungsarbeiten fokussierten sich auf die
molekularen Mechanismen von Multiproteinkomplexen, die in der Erkennung
geschädigter oder viraler Nukleinsäuren eine wichtige Rolle spielen. Diese
Erkennungsprozesse sind für den Schutz des Genoms von zentraler Bedeutung, so
zählen Fehler in der Erkennung und Reparatur zu den Hauptgründen für die
Krebsentstehung. Darauf aufbauend hat Hopfner entscheidende Arbeiten zur
DNA-Doppelstrangbruchreparatur geleistet und in den vergangenen Jahren den
Mechanismus des zentralen MRN-Komplexes Mre11-Rad50-Nbs1, eines Sensors für
DNA-Schäden, entschlüsselt. Darüber hinaus konnte er substanziell zur
Beantwortung der Frage beitragen, wie zelluläre Sensoren des angeborenen
Immunsystems bei Infektionen virale oder bakterielle Nukleinsäuren erkennen.
Dabei müssen die Sensoren zwischen eigener und fremder RNA unterscheiden.
Karl-Peter
Hopfner studierte Biologie in Regensburg und im amerikanischen St. Louis. Seine
Promotionszeit verbrachte er am Max-Planck-Institut für Biochemie in
Martinsried in der Gruppe des Nobelpreisträgers Robert Huber. Als Postdoc
arbeitete er zwischen 1999 und 2001 am Scripps Research Institute in La Jolla,
bevor er als Tenure-Track-Professor an das Genzentrum der
Ludwig-Maximilians-Universität in München kam. Dort ist er seit 2007 als
ordentlicher Professor tätig.
Professor
Dr. Frank Jülicher (51), Theoretische Biophysik, Max-Planck-Institut für Physik
komplexer technischer Systeme, Dresden
Mit Frank
Jülicher wird ein weltweit führender Wissenschaftler im Bereich der Biophysik
mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet, der es versteht, universelle physikalische
Prinzipien in der komplexen Welt der lebenden Materie herauszuarbeiten. Bereits
seine frühen Arbeiten zur Physik des Hörens und zur Mechanik der Zellen
erregten Aufsehen. Mit seiner Erforschung der aktiven Materie – deren Bausteine
autonome Aktivität zeigen, wie etwa molekulare Motoren, die eine wesentliche
Rolle bei der Zellbewegung und -teilung spielen – hat Jülicher ein neues
Forschungsfeld eröffnet. Dieses wirft viele grundlegende Fragen der Physik des
Nichtgleichgewichts auf und hat zugleich zahlreiche neue Anwendungen wie auch
biomimetisches Design inspiriert. Gemeinsam mit französischen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erarbeitete der Biophysiker die
Grundlagen der Dynamik aktiver Materie, indem er eine allgemeine
hydrodynamische Theorie der aktiven Materie formulierte. In neuester Zeit
wendete sich Jülicher der Kontrolle und Organisation von Zellen in Gewebe zu.
Mit seinen grundlegenden Arbeiten trägt er zum Verständnis der
Selbstorganisation von Zellen in Gewebe bei. Sie ist bisher weitgehend
unverstanden und sowohl für die Entwicklungsbiologie als auch für die
medizinische Anwendung von größter Bedeutung.
Frank
Jülicher studierte in Stuttgart und Aachen Physik, wurde 1994 an der
Universität zu Köln promoviert und forschte im Anschluss daran zwei Jahre in
den USA und in Kanada. Danach arbeitete er in Paris mit führenden Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern im Bereich der weichen Materie und der Biophysik zusammen
und habilitierte sich 2000 an der Universität Paris VII. Seit 2002 ist Jülicher
Direktor am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden und
Professor für Biophysik an der Technischen
Universität Dresden.
Professor
Dr. Lutz Mädler (45), Mechanische Verfahrenstechnik, Stiftung Institut für
Werkstofftechnik (IWT) und Fachbereich Produktionstechnik, Universität Bremen
Für seine
bahnbrechenden Arbeiten zur gezielten reaktiven Bildung von Nanopartikeln aus
der Gasphase sowie zu deren Wirkung auf lebende Materie wird Lutz Mädler der
Leibniz-Preis zuerkannt. Er entwickelte eine verbesserte Variante der
Flammensprühpyrolyse zur kostengünstigen Synthese von Nanopartikeln. Dabei
werden organische Verbindungen thermochemisch gespalten. Seine Arbeiten machten
die Flammensprühpyrolyse für die Industrie nutzbar. Später konnte Mädler diese
Pyrolysetechnik weiterentwickeln, indem er das Tröpfchen-Explosions-Phänomen in
Flammensprays und seine Auswirkungen auf die Materialsynthese aufdeckte. Mädler
beschäftigte sich aber nicht nur mit der maßgeschneiderten Synthese von
Nanopartikeln, sondern untersuchte zudem, inwiefern diese Partikel giftig für
den menschlichen Körper sind. Dies ist deshalb bedeutsam, weil viele
Anwendungen, etwa in Lacken, Textilien oder Zahnfüllungen, unmittelbare
Auswirkungen auf den Menschen haben. Mädler konnte zeigen, dass durch die
Wechselwirkungen von synthetischen Nanopartikeln mit biologischem Gewebe
reaktive Sauerstoffspezies entstehen, die unerwünschte Reaktionen auslösen
können.
Lutz Mädler
studierte zunächst Technische Physik an der Technischen Hochschule Zwickau und
anschließend Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Bergakademie
Freiberg, wo er 1999 auch promoviert wurde. Seine Habilitationszeit verbrachte
er an der ETH Zürich, danach war er, mit einem DFG-Stipendium ausgestattet,
Senior Researcher an der University of California, Los Angeles. 2008 wurde
Mädler an die Universität Bremen berufen.
Professor
Dr. Britta Nestler (44), Materialwissenschaft, Institut für Angewandte
Materialien – Computational Materials Science, Karlsruher Institut für
Technologie (KIT)
Britta
Nestler erhält den Leibniz-Preis 2017 für ihre maßgeblichen, international
anerkannten Forschungsarbeiten in der computergestützten Materialforschung und
zur Entwicklung neuer Materialmodelle mit multiskaligen und multiphysikalischen
Ansätzen. Nestlers Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie äußerst flexible
und leistungsfähige Simulationsumgebungen zur Mikrostruktursimulation von
Materialien und Werkstoffen für den Einsatz auf Höchstleistungsrechnern
entwickelt. Grundlage hierfür sind Nestlers quantitative Modelle für die
Beschreibung von Mehrkomponentensystemen. Damit konnte sie bei der
thermomechanischen Simulation von Werkstoffen oder auch bei der Simulation von
Erstarrungsvorgängen eine neue Qualität der Mikrostrukturrepräsentation
erzielen und so die Vorgänge erstmals durch realistische 3-D-Simulation
wiedergeben. Mit ihrer kreativen Anwendung und Weiterentwicklung der
Phasenfeldmethode hat Nestler herausragende grundlagenwissenschaftliche
Erkenntnisse erzielen können, die auch große praktische Relevanz haben. Ihre
Simulationsrechnungen helfen etwa bei der Vorhersage der Rissausbreitung in
Konstruktionswerkstoffen wie Bremsscheiben und ermöglichen so, deren
Lebensdauer zu verlängern.
Britta
Nestler studierte Physik und Mathematik in Aachen, wo sie auch promovierte.
Forschungsaufenthalte führten sie ins englische Southampton und nach Paris. Im
Jahre 2001 trat Nestler eine Professur an der Fakultät für Informatik der
Hochschule Karlsruhe an, 2009 übernahm sie ihren jetzigen Lehrstuhl am KIT.
Professor
Dr. Joachim P. Spatz (47), Biophysik, Max-Planck-Institut für Intelligente
Systeme, Stuttgart, und Physikalisch-Chemisches Institut,
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Joachim
Spatz wird für seine herausragenden Forschungen an der Grenze von
Materialwissenschaft und Zellbiophysik mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet.
Seine Forschungen beschäftigen sich mit der Zelladhäsion, also der Haftung und
Bindung von Zellen aneinander und auf Oberflächen. Dank einer beispielhaften
experimentellen Herangehensweise ist es ihm gelungen, präzise Einblicke in die
Kontrolle der Zelladhäsion bis hin zu den physiologischen Prozessen zu
gewinnen. Dazu hat Spatz durch den Einsatz von künstlichen, molekular
strukturierten Grenzflächen mögliche Wechselwirkungen auf ein Minimum an
molekularen Komponenten reduziert. Die wissenschaftliche Leistung von Joachim
Spatz besteht darin, dass er mithilfe origineller materialwissenschaftlicher
und physikalischer Konzepte die Kommunikationsmechanismen zwischen Zellen auf neuartige Weise untersuchen kann. Mit diesen
Mitteln konnte er auch aufklären, wie der molekulare Mechanismus der
kollektiven Zellmigration bei der Schließung von Wunden funktioniert.
Joachim
Spatz studierte in Ulm und an der Colorado State University Physik, schloss in
Ulm seine Promotion in Makromolekularer Chemie ab und habilitierte sich
ebenfalls dort mit einem Thema zur Mechanik von Zellen. Seit 2000 ist er
Professor für Biophysikalische Chemie in Heidelberg. 2004 wurde er zum Direktor
am Max-Planck-Institut für Metallforschung, dem jetzigen Max-Planck-Institut
für Intelligente Systeme, in Stuttgart berufen. Seit 2008 hat er zudem eine
Gastprofessur für Molekulare Zellbiologie am Weizmann-Institut in Rehovot in
Israel inne.
Professor
Dr. Anne Storch (48), Afrikanistik, Institut für Afrikanistik und Ägyptologie,
Universität zu Köln
Der
Leibniz-Preis 2017 für Anne Storch würdigt eine höchst innovative und weltweit
renommierte Afrikanistin, die mit ihren bahnbrechenden Arbeiten zu einer
weitreichenden Neuausrichtung ihres Faches beigetragen hat. So hat Storch der
Afrikanistik in Anlehnung an Fragestellungen und Methoden aus der
Kulturanthropologie und den Sozialwissenschaften in Theorie und Praxis neue
thematische und methodische Dimensionen erschlossen. In exemplarischen
Untersuchungen hat sie zudem gezeigt, wie sprachwissenschaftlich fundierte
Analysen in interdisziplinärer Öffnung für ein kulturanthropologisches
Verständnis des gegenwärtigen Afrika fruchtbar gemacht werden können. Besonders
bedeutsam war etwa Storchs Studie über Tabus und Geheimsprachen in
Zentralafrika aus dem Jahre 2011, die sprachwissenschaftliche Beobachtungen so
beschreibt, dass sie in komplexe soziologische Beschreibungen von
Machtpraktiken und politischen Wirkungsmechanismen führen. Storchs in der
linguistischen Sprachenbeschreibung wurzelnden und weit über diese
hinauswachsenden Fallstudien sind international zu Modellstudien für eine
moderne und selbstkritische Afrikanistik geworden.
Anne Storch ist seit 2004 Professorin für Afrikanistik in Köln. Sie
wurde in Frankfurt/Main und Mainz in Anthropologie, Afrikanistik, Orientalistik
und Archäologie ausgebildet. Von 2006 bis 2009 stand sie dem Fachverband
Afrikanistik, der Vereinigung der Afrikawissenschaften in Deutschland, vor. Seit 2014 ist sie Präsidentin der International
Association for Colonial and Postcolonial Linguistics.
Prof.
Dr. Jörg Vogel (49), Medizinische Mikrobiologie, Institut für Molekulare
Infektionsbiologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Mit Jörg
Vogel wird einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der
Ribonukleinsäure-Biologie mit dem Leibniz-Preis geehrt. Er erhält die
Auszeichnung für seine wegweisenden Beiträge zum Verständnis regulatorischer
RNA-Moleküle in der Infektionsbiologie. Vogel erkannte sehr früh die Bedeutung
der RNA-Biochemie in Prokaryonten und leistete Pionierarbeit mit der Anwendung
und Entwicklung von Hochdurchsatz-Sequenzierungsverfahren für die Analyse von
RNA. Mit diesem Verfahren konnte er den Einfluss von Krankheitserregern auf die
Wirtszelle verfolgen. Vogel entdeckte zudem, wie kleine, regulatorische
RNA-Moleküle die Proteinsynthese und den Abbau von RNA kontrollieren. Dies trug
zur Entwicklung von neuen, gentherapeutisch nutzbaren Methoden bei. Gemeinsam
mit Emmanuelle Charpentier, Leibniz-Preisträgerin 2016, konnte Vogel die
tracrRNA, also trans-aktivierende RNA, und ihre Funktionsweise verstehen, die
eine Anwendung des CRISPR/Cas9-Systems erst ermöglicht. Vogel deckte damit
allgemeine biologische Prinzipien auf, die für das Verständnis von pathogenen
Mikroorganismen eine große Rolle spielen und zu neuen therapeutischen Ansätzen
führen.
Jörg Vogel
studierte an der Humboldt-Universität in Berlin Biochemie, wo er auch zum Thema
des RNA-Spleißens in Pflanzen promovierte. Nach Postdoc-Aufenthalten in Uppsala
und Jerusalem wurde er 2004 Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für
Infektionsbiologe in Berlin. Seit 2009 ist er
Professor an der Universität in Würzburg und leitet dort das Institut für
Molekulare Infektionsbiologie.
Medienkontakt:
Presse-
und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2109, presse@dfg.de
Ansprechpartnerin
in der DFG-Geschäftsstelle:
Annette
Lessenich, Wissenschaftliche Preise, Tel. +49 228 885-2835, Annette.Lessenich@dfg.de
Ausführliche
Informationen zum Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm finden sich unter:
Presse Hochbegabung by Lilli Cremer-Altgeld. News aus aller Welt: Menschen in Gesellschaft, Medizin, Technik, Wissenschaft, Forschung und Hochschulen. Hochbegabte@t-online.de