
Rekonstruktion der neu entdeckten
bezahnten Schildkröte Sichuanchelys
palatodentata aus dem Oberen Jura der
westlichen Wüstenregion Chinas.
Künstlerische Darstellung: Lida Xing
Ein
internationales Forscherteam entdeckt Zahnreste bei einer ausgestorbenen Art
aus der Fundstätte Wucaiwan in China und rekonstruiert die
Verbreitungsgeschichte der Reptiliengruppe
Heute
lebende Schildkröten haben keine Zähne, sondern schneiden ihre Nahrung mithilfe
der harten Kieferleisten. Ihre Vorfahren verfügten jedoch noch über ein Gebiss.
Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Dr. Márton Rabi aus der
Biogeologie der Universität Tübingen hat nun entdeckt, dass noch bis vor 160
Millionen Jahren Schildkröten mit kleinen Zahnresten lebten. Der Nachweis
stammt aus der großen Ausgrabungsstätte in Wucaiwan in der westlichen
Wüstenprovinz Xinjiang in China. Bisher kannten die Forscher nur 30 Millionen
Jahre ältere bezahnte Exemplare. Der neue Fund hilft auch, die
Abstammungslinien und Verbreitung von Schildkrötenarten wie mit Puzzlesteinen
zu einem Gesamtbild über die Jahrmillionen zusammenzufügen. Ihre Ergebnisse
veröffentlichten die Forscher in der Fachzeitschrift BMC Evolutionary
Biology.
Die
Ausgrabungsstätte Wucaiwan ist vor allem bekannt als Fundort von Überresten von
Dinosauriern aus dem Oberen Jura. Zwischen den ausgestorbenen Riesen wurden
jedoch auch zahlreiche Fossilien gefunden, welche die lange
Evolutionsgeschichte der Schildkröten, von denen es heute weltweit rund 350
Arten gibt, beleuchten können. Das Team von Dr. Xing Xu vom Institut für
Wirbeltierpaläontologie und Paläoanthropologie in China, dem Mitautor der
Studie, identifizierte in den Fundstücken eine bisher unbekannte ausgestorbene
Schildkrötenart, die sie mit Sichuanchelys palatodentata benannte – die
Schildkröte mit bezahntem Gaumen. „Wissenschaftler wussten auch zuvor, dass die
frühesten Schildkröten noch Zähne besaßen, ein ursprüngliches Merkmal, das sie
von ihren Reptilienvorfahren geerbt haben“, sagt der Erstautor der Studie Dr.
Walter Joyce von der Schweizer Universität Freiburg. „Allerdings stammte die
zuvor bekannte Schildkröte mit Zähnen aus 30 Millionen Jahre älteren Felsen. Es
war eine große Überraschung, dass die bezahnten Schildkröten noch so lange
überlebten.“
Über
die Einordnung von Sichuanchelys palatodentata in die bisher bekannten
Schildkrötengruppen erfahren die Forscher auch mehr über die
Verwandtschaftsverhältnisse und die geografische Verbreitung der Arten. „Unsere
Analyse offenbarte, dass die neu entdeckte Schildkröte die nächste bekannte
Verwandte einer großen Landschildkröte ist, genannt Mongolochelys efremovi,
die fast 100 Millionen Jahre später in Zentralasien lebte“, sagt Márton Rabi.
„Sie erschien uns merkwürdig. Aber wir erkennen nun, dass sie wohl den letzten
Ausläufer einer langen Abstammungslinie bildet, die vor 70 Millionen Jahren in
Asien bestand.“
„Schildkröten
sind eher ortsgebunden in ihrer Lebensweise. Dennoch haben Wissenschaftler
bisher häufig die Verbindungen zwischen den Orten mit Fossilienfunden und der
geografischen Verteilung heute lebender Schildkröten übersehen. Auch die
frühere und heutige Verteilung der Kontinente muss man in die Betrachtung
einbeziehen“, sagt Dr. James Clark, Mitautor von der US-amerikanischen George
Washington University. Diese Überlegungen seien bei der biogeografischen
Verteilung von Fröschen und anderen Amphibien viel früher angestellt worden.
„Unsere Analyse offenbart, dass sich die Schildkröten durch das
Auseinanderbrechen des Superkontinents Pangäa in die heutigen Kontinente
während des Jura bis zur Kreidezeit in der Evolution aufgespalten haben“, sagt
Walter Joyce. „Auf jedem Kontinent entwickelte sich eine eigene
Schildkrötenfauna.“
Publikation:
Walter G. Joyce, Márton Rabi,
James M. Clark and Xing Xu: A toothed turtle from the Late Jurassic of China
and the global biogeographic history of turtles. BMC Evolutionary Biology,
DOI 10.1186/s12862-016-0762-5; https://bmcevolbiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12862-016-0762-5
Kontakt:
Dr.
Márton Rabi
Universität
Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche
Fakultät
Geowissenschaften
– Biogeologie
und
Universität
Turin
Abteilung
für Geowissenschaften
iszkenderun[at]gmail.com
Eberhard Karls Universität Tübingen
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