Bild der Sonne aus dem Jahr 2012. Quelle: NASA/SDO |
HZDR-Forscher stellen eine Verbindung zwischen dem Sonnenzyklus und der Gezeitenwirkung von Venus, Erde und Jupiter her.
Die Sonnenaktivität wird vom
Magnetfeld der Sonne bestimmt. Für dieses sind zwei gekoppelte Effekte
verantwortlich: Der Omega-Effekt beruht auf der unterschiedlich schnellen
Rotation des heißen und leitfähigen Plasmas, aus dem die Sonne besteht. So
bildet sich ein Magnetfeld in Form zweier Ringe nördlich und südlich des
Äquators. Aus diesen wiederum erzeugt der Alpha-Effekt ein Magnetfeld, das
entlang der Längenkreise der Sonne verläuft. Wo und wie genau der Alpha-Effekt
entsteht, gilt als ungeklärt. Forscher des Helmholtz-Zentrums
Dresden-Rossendorf (HZDR) stellen hierzu nun eine neue Theorie in der
Fachzeitschrift „Solar Physics“ vor. Ihre Berechnungen legen nahe, dass die
Gezeitenkräfte von Venus, Erde und Jupiter die Sonnenaktivität direkt
beeinflussen können.
Viele Fragen zum Magnetfeld der
Sonne sind noch offen. „Wie bei der Erde auch, haben wir es mit einem Dynamo zu
tun. Durch Selbsterregung entsteht das Magnetfeld quasi aus dem Nichts, wobei
die komplexe Bewegung des leitfähigen Plasmas als Energiequelle dient“, so der
Physiker Dr. Frank Stefani vom HZDR. Der sogenannte Alpha-Omega-Dynamo der
Sonne unterliegt einem regelmäßigen Zyklus. Etwa alle elf Jahre polt das
Magnetfeld der Sonne um; mit derselben Periode durchläuft die Sonnenaktivität
ein Maximum. Dieses zeigt sich an der Zunahme der Sonnenflecken – dunklen
Stellen auf der Sonnenoberfläche, die von stark konzentrierten Magnetfeldern
herrühren.
„Interessanterweise stehen alle
11,07 Jahre die Sonne und die Planeten Venus, Erde und Jupiter etwa auf einer
Linie. Wir haben uns gefragt: Ist es Zufall, dass der Sonnenzyklus mit dem
Zyklus von Konjunktion beziehungsweise Opposition der drei Planeten
zusammenfällt?“, führt Stefani aus. Dabei ist die Fragestellung selbst
keineswegs neu. Bisher konnten Wissenschaftler jedoch keinen physikalisch
plausiblen Mechanismus dafür identifizieren, wie die sehr schwachen
Gezeitenwirkungen von Venus, Erde und Jupiter den Sonnendynamo beeinflussen
könnten.
Verstärkung durch Resonanz
„Auch wenn man einer Schaukel immer
nur einen kleinen Schubs gibt, kommt sie mit der Zeit immer mehr in Schwung“,
erläutert Frank Stefani das Prinzip der Resonanz. Er und sein Team fanden in
aktuellen Berechnungen heraus, dass der Alpha-Effekt unter bestimmten
Bedingungen zu Schwingungen neigt. „Die Anregung dieser Alpha-Oszillationen
benötigt fast keine Energie. Dafür könnten die Gezeiten der Planeten als
Taktgeber ausreichen.“ Für dieses Mitschwingen des Sonnendynamos spielt die
sogenannte Tayler-Instabiltität eine entscheidende Rolle. Sie entsteht immer
dann, wenn ein genügend starker Strom durch eine leitfähige Flüssigkeit oder
ein Plasma fließt. Ab einer bestimmten Stärke erzeugt die Wechselwirkung des
Stroms mit seinem eigenen Magnetfeld eine Strömung – im Falle der riesigen
Sonne mit turbulentem Charakter.
Nach allgemeiner Auffassung beruht
der Sonnendynamo auf einem Zusammenspiel zweier Induktionsmechanismen.
Weitgehend unstrittig ist der Omega-Effekt, der in der Tachokline entsteht. So
heißt ein schmales Band zwischen der inneren Strahlungszone der Sonne und den
äußeren Bereichen, in denen Konvektion stattfindet, also Wärme über die
Bewegung des heißen Plasmas transportiert wird. In der Tachokline treffen
unterschiedlich schnell rotierende Bereiche aufeinander. Diese differentielle
Rotation generiert das sogenannte toroidale Magnetfeld in Form zweier nördlich
und südlich des Sonnenäquators gelegener „Rettungsringe“.
Neues Rezept für den
Sonnendynamo
Große Unklarheiten bestehen
hinsichtlich der Lage und Ursache des Alpha-Effektes, der aus dem Toroidalfeld
ein Poloidalfeld erzeugt – letzteres verläuft entlang der Längengrade der
Sonne. Einer weit verbreiteten Theorie zufolge hat der Alpha-Effekt seinen
Ursprungsort in der Nähe der Sonnenflecken, also an der Sonnenoberfläche. Die
Dresdner Forscher haben einen alternativen Ansatz gewählt, der den Alpha-Effekt
mit der Rechts- oder Linkshändigkeit der Tayler-Instabilität in Zusammenhang
bringt. Die Tayler-Instabilität wiederum entsteht aufgrund der stark
aufgewickelten Toroidalfelder im turbulenten Gebiet der Tachokline. „Damit
können wir im Prinzip auch den Alpha-Effekt in der Tachokline verorten“, sagt
Frank Stefani.
Nun haben die HZDR-Forscher
erstmals Belege dafür gefunden, dass die Tayler-Instabilität auch zwischen
Rechts- und Linkshändigkeit hin- und herpendeln kann. Das Besondere: Der
Umschlag erfolgt faktisch ohne Änderung der Strömungsenergie. Dadurch reichen
schon sehr kleine Kräfte aus, um eine Schwingung des Alpha-Effekts anzuregen.
„Unsere Berechnungen zeigen, dass planetare Gezeitenkräfte hier wie winzige
Taktgeber von außen wirken. Die etwa alle elf Jahre angestoßene Oszillation des
Alpha-Effekts könnte die Umpolung des Magnetfeldes der Sonne bewirken und
letztlich den 22-Jahres-Zyklus des Sonnendynamos bestimmen“, so der Physiker.
Die Wissenschaftler rund um Frank
Stefani beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit Magnetfeldern im
Kosmos und auf der Erde. So ist es ihnen als erster Gruppe weltweit gelungen,
sowohl die Tayler- als auch die Magneto-Rotations-Instabilität im
Laborexperiment nachzuweisen. Im Jahr 1999 waren die Spezialisten für
Magnetohydrodynamik zudem am erstmaligen Nachweis des homogenen Dynamoeffekts
in Riga beteiligt.
Tayler-Instabilität begrenzt
neuartige Flüssigmetall-Batterien
„Interessanterweise sind wir auf
die Tayler-Instabilität im Rahmen unserer Forschung zu neuartigen
Flüssigmetall-Batterien gestoßen, die zurzeit als mögliche preiswerte Speicher
für die stark fluktuierende Sonnenergie untersucht werden“, erklärt Frank
Stefani. Das Grundprinzip einer Flüssigmetall-Batterie ist äußerst einfach. Sie
besteht aus zwei unterschiedlich schweren, flüssigen Metallen – den Elektroden
–, die nur durch eine dünne Salzschicht getrennt sind. Die Vorteile: ein extrem
schneller Ladungsvorgang, eine zumindest theoretisch unendliche Anzahl von
Ladungszyklen sowie geringe Kosten, wenn es denn gelingt, eine Batterie in
Quadratmetergröße herzustellen. „Für diese Batterien stellt die
Tayler-Instabilität eine ernstzunehmende Gefahr dar, weil sie unweigerlich dann
auftritt, wenn die Zellen größer und größer werden. Ohne gewisse technologische
Tricks, die wir bereits patentiert haben, würde die Tayler-Instabilität die
stabile Schichtung der Batterie zerstören“, fügt Stefani hinzu.
__Publikation:
F. Stefani, A. Giesecke, N. Weber, T. Weier: „Synchronized Helicity Oscillations: A Link Between Planetary Tides and the Solar Cycle?”, in Solar Physics, Online-Veröffentlichung am 01. September 2016 (DOI:10.1007/s11207-016-0968-0); Link: http://link.springer.com/article/10.1007/s11207-016-0968-0
F. Stefani, A. Giesecke, N. Weber, T. Weier: „Synchronized Helicity Oscillations: A Link Between Planetary Tides and the Solar Cycle?”, in Solar Physics, Online-Veröffentlichung am 01. September 2016 (DOI:10.1007/s11207-016-0968-0); Link: http://link.springer.com/article/10.1007/s11207-016-0968-0
__Weitere Informationen:
Dr. Frank Stefani
Institut für Fluiddynamik am HZDR
Tel. 0351 260-3069
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Christine Bohnet | Pressesprecherin &
Leiterin HZDR-Kommunikation
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Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf | Bautzner Landstr. 400
| 01328 Dresden | www.hzdr.de
__Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht
auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende
Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und
Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert,
charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem
Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen werden
Großgeräte mit teils einmaligen Experimentiermöglichkeiten eingesetzt, die auch
externen Nutzern zur Verfügung stehen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der
größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Es hat fünf
Standorte (Dresden, Grenoble, Freiberg, Leipzig, Schenefeld) und beschäftigt rund 1.100
Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 150 Doktoranden.