Tomatenzucht unter kontrollierten
Bedingungen
Quelle: DLR (CC-BY3.0)
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Die Umsetzung einer Weltraummission ist wie ein Rennen in
Etappen - nur wenn erste Modelle eines Satelliten erfolgreich getestet wurden,
fällt der Startschuss für den Bau des eigentlichen Flugmodells. Für den
Satelliten Eu:CROPIS des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der
zwei Gewächshäuser im All unter Mond- und Marsbedingungen betreiben wird, ist
dieser nächste Meilenstein nun erreicht: Der Bau des Flugmodells kann beginnen.
Die Ziellinie liegt dabei bereits fest – in der zweiten Jahreshälfte 2017
sollen der Satellit und seine wissenschaftliche Nutzlast mit der Falcon 9 von
Space-X in Richtung All starten. "Bis Frühjahr 2017 werden wir im DLR
Bremen das Flugmodell bauen und ausgiebig für den Flug testen", erläutert
Ingenieur Hartmut Müller, Projektleiter für den Bau des Satelliten am
DLR-Institut für Raumfahrtsysteme.
Mikroorganismen und Augentierchen als Helfer
Der Satellit Eu:CROPIS soll während seiner Mission in 600
Kilometern Höhe rotieren und dabei in seinem Inneren für sechs Monate zunächst
die Schwerkraft von Mond und anschließend sechs Monate lang Mars-Gravitation
erzeugen. Dabei sollen Tomatensamen unter den überwachenden Augen von 16
Kameras keimen und kleine Weltraum-Tomaten entwickeln. Die entscheidenden
Helfer, die dies ermöglichen, fliegen mit ins All: Zum einen wird ein ganzes
Konsortium von Mikroorganismen in einem Rieselfilter dafür sorgen, dass aus
künstlichem Urin ein bekömmlicher Dünger für die Tomaten entsteht, zum anderen
sind Augentierchen – der Einzeller Euglena – mit an Bord, um das geschlossene
System zusätzlich vor überschüssigem Ammoniak zu schützen und zudem Sauerstoff
zu liefern. LED-Licht wird für Augentierchen und Tomatensamen einen Tag- und
Nachtrhythmus liefern, ein Drucktank für irdische Atmosphäre sorgen.
Tomaten für die Astronauten-Crew
"Wir simulieren und testen letztendlich
Gewächshäuser, die auf Mond oder Mars im Inneren eines Habitats stehen könnten
und für eine Crew vor Ort frische Lebensmittel liefern, indem sie in einem
geschlossenen System Abfälle kontrolliert in Dünger umwandeln", sagt
DLR-Biologe Dr. Jens Hauslage, der die Mission wissenschaftlich leitet. In
einem Mondhabitat zum Beispiel wäre das Gewächshaus im Inneren – dort, wo auch
die Astronauten sich in einer erdähnlichen Atmosphäre aufhalten. Einer der Abfälle,
die mit großer Regelmäßigkeit entstehen würde: der Urin der Astronauten.
Anpassen müssten sich die Pflanzen dabei an die verminderte Schwerkraft – auf
dem Mond herrscht etwa ein Sechstel der Erdanziehungskraft, auf dem Mars etwas
ein Drittel.
Abfall zu Dünger – unter kontrollierten Bedingungen
"Ein Komposthaufen zum Recycling wäre aber nicht
kontrollierbar für eine Raumstation oder ein Habitat – deshalb verwenden wir
unseren Rieselfilter C.R.O.P., der wie normaler Boden funktioniert, allerdings
unter kontrollierten Bedingungen." Bevor Eu:CROPIS auf die Reise geschickt
wird, werden die Lavasteine des Rieselfilters deshalb zunächst mit getrockneter
Erde "infiziert". Durch diese Impfung ziehen verschiedene Organismen
in die löchrige, große Oberfläche der Lavasteine ein und nutzen diese als
Habitat. Im All wird dann alle zwei, drei Tage künstlicher Urin versetzt mit
Wasser über dieses Habitat rieseln, in dem ein wahrer Wettbewerb der
Mikroorganismen um diese Nahrung entsteht. Das schädliche Ammoniak wird dabei über
Nitrit zu Nitrat abgebaut und als Dünger zu den Tomatensamen geleitet.
Himmlische und irdische Anwendungen
Ist Eu:CROPIS mit seiner wissenschaftlichen Nutzlast im
All, wird zunächst das Gewächshaus aktiviert, das den Mond-Bedingungen
ausgesetzt wird. Der Satellit wird dabei vom DLR-Kontrollzentrum in
Oberpfaffenhofen (GSOC; Deutsches Raumfahrtkontrollzentrum) gesteuert, das
Gewächshaus erhält seine Kommandos aus dem DLR-Kontrollzentrum in Köln (MUSC;
Nutzerzentrum für Weltraumexperimente). Der Rieselfilter mit seinen hungrigen
Insassen wird vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin betrieben, die
Augentierchen steuert die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
bei. Nach sechs Monaten wird dann das zweite Gewächshaus unter Mars-Gravitation
aktiviert: Mikroorganismen, Tomatensamen
und Euglena waren dann schon ein halbes Jahr der Weltraumstrahlung ausgesetzt –
vergleichbar mit einem Flug zum Mars. Während der gesamten Mission vermisst das
DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin auch die Strahlenbelastung im
Inneren sowie an der Außenseite des Satelliten.
"Die Technologie, die wir mit Eu:CROPIS im All für
Habitate auf anderen Himmelskörpern testen, ist aber auch für die terrestrische
Anwendung geeignet", sagt DLR-Wissenschaftler Dr. Jens Hauslage. So könne
man mit Rieselfiltern Gülle umwandeln und diese effektiver und geruchsärmer
einsetzen. Auch das Recycling von Urin in städtischen Ballungsräumen,
beispielsweise für Gewächshäuser in Hochhäusern ("Vertical Farm"),
wäre eine mögliche Anwendung.
Kontakte:
Manuela Braun
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation, Redaktion Raumfahrt
Tel.: +49 2203 601-3882
Fax: +49 2203 601-3249
Dr. Jens Hauslage
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut
für Luft- und Raumfahrtmedizin
Tel.: +49 2203 601-4537
Hartmut Müller
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut
für Raumfahrtsysteme
Tel.: +49 421 24420-1257