Im Auftrag der Weltumweltorganisation UNEP haben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für
Umweltforschung (UFZ) und der Universität Kassel in den letzten zwei Jahren
Wissen zusammengetragen und analysiert, das einen ersten Einblick gibt, wie
es um die Qualität der Fließgewässer und Seen weltweit bestellt ist und
welche Folgen das hat. Die Vorstudie zu einem Word Water Quality Assessment
(WWQA), an der weltweit mehr als 40 Autorinnen und Autoren mitgewirkt
haben, wird heute, am 19. Mai 2016, anlässlich eines Science-Policy Forums
in Nairobi der Öffentlichkeit vorgestellt.
Hunderttausende
Datensätze zur weltweiten Wasserqualität gibt es bereits - nur: Sie
beinhalten völlig unterschiedliche Messgrößen und lassen auf der Weltkarte
etliche weiße Flecken erkennen. Das hierzu verfügbare Material zu
analysieren und aufzubereiten, war eines der wichtigen Ziele für die
Vorstudie zum World Water Quality Assessment (WWQA), an der im Auftrag der
Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) Forscher vom UFZ gemeinsam
mit Kollegen vom Center for Environmental Systems Research (CESR) der
Universität Kassel gearbeitet haben. Schon während dieser Studie konnten
sie dank aufwendiger daten- und modellbasierter Analysen neue Rückschlüsse
auf die weltweite Wasserqualität ziehen.
"Bei
allen internationalen Studien stand bislang vor allem die Wasserquantität
im Mittelpunkt", erläutert Prof. Dr. Dietrich Borchardt, der als
Leiter des UFZ-Departments Aquatische Ökosystemanalyse für die Studie
verantwortlich ist. Wie schnell sich die Schere zwischen der Menge an
verfügbarem Süßwasser und dem Bevölkerungswachstum öffnet - das ist die
Leitfrage, an der sich bislang die Wissenschaftler orientiert haben. Beim
WWQA wurde eine weiterreichende Perspektive eingenommen: "Wir lenken
den Blick auf die Wasserqualität, die Ursachen nachteiliger Veränderungen
und stellen die Verbindung zur menschlichen Gesundheit, der
Nahrungssicherheit sowie zum Einfluss auf die Ökosysteme her. Und wir
benennen wirksame Maßnahmen. Ein so angelegtes, weltweites Assessment hat
es bisher noch nicht gegeben", sagt Borchardt.
Die
Studie, die in mehr als zweijähriger Arbeit entstanden ist, wird jetzt auf
dem Science-Policy
Forum in der kenianischen Hauptstadt Nairobi vorgestellt. Auf
dieser Tagung, die ein wichtiger Bestandteil der United Nations Environment
Assembly ist, kommen bis zum 27. Mai Wissenschaftler, Politiker
und Akteure aus der Zivilgesellschaft zusammen, um die ökologische
Dimension von nachhaltiger Entwicklung zu debattieren. Das Forum soll unter
anderem aufzeigen, wie wissenschaftliche Ergebnisse besser für künftige
politische Entscheidungen innerhalb der 2030
Agenda für Nachhaltige Entwicklung berücksichtigt werden
können.
Gerade
die Informationen zur Wasserqualität sind hochgradig relevant, um eine
sinnvolle Wasserpolitik zu gestalten. "Schon heute leben mehr Menschen
mit einem Mobiltelefon als mit einer sicheren Wasserversorgung", so
Dietrich Borchardt. Im nächsten Schritt sollen deshalb auch
Sozialwissenschaftler eingebunden werden, um den Bereich der Politikberatung
mit abzudecken. "Viele der betroffenen Länder bekommen Geld von
internationalen Gebern, um ihre Wasserinfrastruktur aufzubauen. Da geht es
also konkret um die Frage, wie internationale Programme gestaltet sein
müssen, um Fehler zu vermeiden - und beispielsweise auch darum, wie sich
Nachbarstaaten am selben Flusslauf absprechen sollten", erläutert
Borchardt.
Das
WWQA soll eine Brückenfunktion übernehmen: Bei den Vereinten Nationen sind
eine ganze Reihe von Organisationen für ihre Arbeit auf Informationen zur
Wasserqualität angewiesen, von der Weltgesundheitsorganisation bis zur
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation. Sie alle benötigen indes
spezifische Daten. Bei der Vorstudie, die nun präsentiert wird, war es
deshalb eines der wichtigen Ziele, in der Fülle des vorhandenen
Datenmaterials jene Parameter ausfindig zu machen, die für die
anschließende konkrete Arbeit am dringendsten benötigt werden. Denn im Global Environmental Monitoring
System (GEMS) der Vereinten Nationen laufen Umweltinformationen
aus vielen tausend Messstationen weltweit zusammen, aber enthalten sind
häufig unterschiedliche Messgrößen und Zeitreihen.
Bei der
Arbeit zur jetzt vorgelegten Studie haben sich die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler zunächst auf Lateinamerika, Afrika und Asien konzentriert,
weil die Probleme hier besonders groß sind. Das sind ausgerechnet aber die
Regionen, in denen vielfach die größten Lücken in den verfügbaren Messdaten
bestehen. "Es gibt noch echte weiße Flecken", sagt Dr. Ilona Bärlund,
die als Managerin an dem Projekt mitarbeitet. Um dennoch eine
flächendeckende Aussage treffen zu können, haben die Forscher eine
Methodenkombination gewählt: Wo Daten vorliegen, haben sie
analytisch-statistische Auswertungsmethoden eingesetzt. Zugleich haben sie
ein integriertes globales Modellierungssystem verwendet, das die
Oberflächenwassersysteme mit hoher räumlicher Auflösung abbildet. Mithilfe
der Modellberechnungen können so Aussagen dann auch für Regionen abgeleitet
werden, aus denen keine konkreten Messdaten verfügbar sind.
Neben
den methodischen Klärungen hat die Vorstudie aber auch greifbare Ergebnisse
zutage gefördert. In Lateinamerika ist etwa ein Viertel aller
Flusskilometer durch Abwasser verschmutzt, also etwa 300.000 Kilometer. In
Afrika sind es zwischen zehn und 25 Prozent und in Asien fast die Hälfte,
was etwa 800.000 Kilometern entspricht. Gewaltig groß ist auch die Zahl der
Menschen, die dadurch gefährdet sind: Zwischen 8 und 25 Millionen sind es
in Lateinamerika, 32 bis 164 Millionen in Afrika und 31 bis 134 Millionen
in Asien - "wobei die große Spannweite der Schätzungen zeigt, dass es
noch eine Rechnung mit vielen Unbekannten ist", wie es in der
Vorstudie heißt.
Mit
diesen methodischen und inhaltlichen Ergebnissen der Vorstudie sind alle Weichen
für eine Hauptstudie gestellt, die sich jetzt anschließen und zum Erreichen
der Nachhaltigkeitsziele unter der 2030
Agenda für Nachhaltige Entwicklung beitragen soll.
Publikation:
UNEP 2016. A Snapshot of the World’s Water Quality: Towards a global assessment.
United Nations Environment Programme, Nairobi, Kenya.162pp.
Report: http://www.wwqa-documentation.info/report.html
Policy-Brief: http://www.wwqa-documentation.info/assets/policy_brief_unep_wwqa_web.pdf
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