© Benjamin BardiauxNMR-spektroskopische Daten und ein Rechenalgorithmus führen zur Darstellung der hochauflösenden Struktur.
Befallen
Bakterien und Viren den Körper, werden sie vom Immunsystem als Fremdkörper
erkannt. Es sendet dann eine entsprechende Immunantwort aus, um die
Krankheitserreger zu bekämpfen. Um die Angriffsmechanismen der Erreger genau zu
verstehen und passende Wirkstoffe zu entwickeln, müssen Forscher die Struktur
der Proteine auf molekularer Ebene aufklären. Nur so kann man erkennen, welche
Strukturen attackiert werden und wie diese im Detail aussehen. Wissenschaftler
am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben nun
eine neue Methode entwickelt, um die Struktur von sehr großen Proteinkomplexen
hochauflösend darzustellen. Dazu kombinierten sie ein bekanntes Verfahren, die
Festkörper-NMR-Spektroskopie, mit einem eigens entwickelten Rechenalgorithmus.
Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift
„Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).
Wenn wir uns mit
einem Virus infizieren, erkennt unser Körper bestimmte Virusmoleküle als
„fremd“ und startet eine Signalkaskade, um die Eindringlinge zu bekämpfen. Ein
zentraler Knotenpunkt dieser Kaskade ist das „Mitochondrial antiviral signaling
protein“ (MAVS), das sich die Braunschweiger Forscher nun genauer angeschaut
haben. „Wir haben uns für MAVS-Proteine entschieden, da sie eine wichtige Rolle
für die Signalübertragung unseres angeborenen Immunsystems spielen. Diese
Proteine reagieren auf viele verschiedene Viren, vor allem auf RNA-Viren wie
Hepatitis, Influenza oder Dengue“, sagt Prof. Christiane Ritter, die am HZI die
Kernspinresonanzspektroskopie-Plattform, kurz NMR, leitet. Das Protein kommt
auf der Mitochondrienhülle, die unsere Zellen mit Energie versorgt, vor und ist
somit maßgeblich an der Abwehr von Infektionen beteiligt.
Bei der Infektion
mit einem Virus, lagert sich das Protein zu einer spiralförmig angeordneten
Superstruktur zusammen, deren hochaufgelöste dreidimensionale Darstellung
bislang schwierig war. Durch die Kombination von NMR-Daten mit dem
Rechenalgorithmus konnten die Forscher beim MAVS-Protein nun die Symmetrie
einzelner Moleküle auf schraubenförmigen Filamenten hochauflösend aufklären.
Prinzipiell misst
die NMR-Spektroskopie Distanzen zwischen einzelnen Atomkernen, aus denen sich
ein Bild errechnen lässt. Um die Struktur korrekt bestimmen zu können, müssen
bei Proteinkomplexen aber zusätzlich noch die Kontaktstellen zwischen den
Einzelbausteinen zugeordnet werden. Dazu müssen die einzelnen Proteinmoleküle
voneinander getrennt betrachtet werden. „Das haben wir über biochemische Ansätze
und besondere Probenvorbereitung gelöst“, sagt Ritter. Der neu entwickelte
Algorithmus überprüft systematisch alle Möglichkeiten der Symmetrie. Er gleicht
dabei die Ergebnisse dieser Überprüfung mit den NMR-spektroskopischen Daten ab
und liefert so eine genaue bildliche Darstellung des Proteins.
Doch das
Darstellungsverfahren funktioniert nicht nur bei MAVS-Proteinen. Zukünftig
könnten es Forscher bei allen Proteinkomplexen einsetzen, die symmetrische und
filamentartige Stukturen aufweisen. Neben weiteren Signalproteinen könnten mit
dem Verfahren auch viele Moleküle auf der Oberfläche von Bakterien untersucht
werden. Die neue Strukturanalyse legt den Grundstein für die
Wirkstoffforschung, hilft aber auch dabei das Immunsystem und dessen Reaktion besser
zu verstehen. Das ist essentiell, um beispielsweise Wirkstoffe entwickeln zu
können, die in die Regulierung unseres Immunsystems eingreifen. „Die
Kombination von NMR-Daten mit einem Rechenalgorithmus zur Strukturbestimmung
von helikalen Superstrukturen ist sowohl ein technischer, als auch biologischer
Fortschritt“, sagt Ritter.
Originalpublikation:
http://m.pnas.org/content/early/2016/01/04/1513119113.abstract?sid=d7c5210d-5ab1-4831-b266-6c873b45a170
Über das
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die
Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu
Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung
neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. www.helmholtz-hzi.de
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