Ein großer Schritt zum ersten
direkten Nachweis von Gravitationswellen
Presseportal für Hochbegabung Am 19. Mai weiht die LIGO Scientific Collaboration (LSC) die
neue Generation der Gravitationswellen-Observatorien (aLIGO) ein, zu denen
Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover und Potsdam entscheidende Beiträge
geleistet haben: Sie steuerten die für die Präzisionsmessung erforderliche
maßgeschneiderten Hochleistungslaser, effiziente Datenanalyse-Methoden und ihre
Implementierung auf leistungsfähigen Computerclustern sowie genaue Modelle der
Signalwellenformen zur Gravitationswellen-Detektion und Messung
astrophysikalischer Eigenschaften bei. Das AEI ist damit ein führender Partner
in der internationalen Forschergemeinschaft auf dem Weg zum ersten direkten
Nachweis von Gravitationswellen. Die feierliche Inbetriebnahme der zweiten
Detektorgeneration findet am Standort Hanford im Bundesstaat Washington (USA)
statt.
Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen wird ein
neues Fenster zur sonst unsichtbaren „dunklen“ Seite des Universums öffnen und
den Beginn der Gravitationswellen-Astronomie markieren. Gravitationswellen sind
Kräuselungen der Raumzeit, die bei kosmischen Katastrophen ausgesendet werden –
beispielsweise von explodierenden Sternen, verschmelzenden schwarzen Löchern
oder Neutronensternen und schnell rotierenden, kompakten Sternresten. Albert
Einstein sagte die Existenz dieser Wellen bereits im Jahr 1916 vorher, doch sie
wurden bislang noch nie direkt beobachtet. Die aLIGO-Instrumente sollten bei
Erreichen der Design-Empfindlichkeit jährlich mehrere
Gravitationswellen-Ereignisse nachweisen.
GEO600 trägt fortschrittliche Detektortechnik bei
Wissenschaftler des AEI entwickelten und installierten
gemeinsam mit dem Laser Zentrum Hannover die Hochleistungslaser, die im
deutsch-britischen GEO600-Detektor in der Nähe von Hannover getestet wurden.
Jetzt werden sie in beiden aLIGO-Detektoren eingesetzt und bilden das Herz der
hochpräzisen Messtechnologie. „Mit unseren britischen Kollegen entwickelten und
betreiben wir den Gravitationswellen-Detektor GEO600. Wir nutzen ihn als
Ideenschmiede und Prüfstand für fortschrittliche Detektortechnik”, sagt
AEI-Direktor Prof. Karsten Danzmann, der auch Direktor des Instituts für
Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover ist. „Viele dieser
neuartigen Methoden werden nun in den aLIGO-Detektoren eingesetzt,
beispielsweise Signalüberhöhung und monolithische Spiegelaufhängungen.“ Die
Abteilung von Danzmann am AEI spielt eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung
und Anwendung von nicht-klassischem Licht in Gravitationswellen-Detektoren.
GEO600 ist der weltweit einzige Detektor, der sogenanntes gequetschtes Licht
einsetzt, um die Empfindlichkeit über die durch die Quantennatur des Lichts
gesetzten Grenzen hinaus zu steigern.
Führende Partner in der Datenanalyse mit leistungsfähigen
Supercomputern
Forscher am AEI entwickeln und implementieren
fortschrittliche und effiziente Methoden der Datenanalyse für die Suche nach
schwachen Gravitationswellen-Signalen in den aLIGO-Daten. „Das AEI ist ein
führender Partner bei der weltweiten gemeinsamen Datenanalyse der LSC“, sagt
Prof. Bruce Allen, Direktor am AEI. „Für diesen Zweck betreiben wir Atlas, den
leistungsfähigsten speziell für die Gravitationswellen-Datenanalyse gebauten
Computercluster der Welt.“ Während der ersten wissenschaftlichen Messkampagne
Ende 2015 wird Allens Abteilung die Messdaten mit Atlas durchsuchen. Zusammen
mit US-amerikanischen Partnern betreibt die Abteilung auch Einstein@Home, ein
globales, verteiltes Rechenprojekt zur Gravitationswellen-Datenanalyse. Rund
400.000 Freiwillige aus aller Welt haben in der vergangenen Dekade Rechenzeit
auf ihren Heimcomputern, Laptops und Smartphones für das Projekt zur Verfügung
gestellt.
Entwicklung genauer Wellenform-Modelle und Suchen nach
verschmelzenden schwarzen Löchern
„Wir haben die bislang genauesten Modelle für
Signalwellenformen für verschmelzende schwarze Löcher entwickelt. Zusammen mit
unseren LSC-Kollegen werden wir auf dem Atlas-Computercluster eine Suche nach
diesen Signalen in den aLIGO-Daten durchführen. Die Gravitationswellen dieser
Systeme zu beobachten wird uns komplett neue Erkenntnisse über diese
anderweitig unsichtbaren Objekte liefern“, sagt Prof. Alessandra Buonanno,
Direktorin am AEI in Potsdam. „Die neue Suche ist die erste, die den Einfluss
der Eigendrehungen der schwarzen Löcher berücksichtigt. Dies wird die
Suchempfindlichkeit erhöhen und so unsere Chance auf einen Nachweis erhöhen.“ AEI-Wissenschaftler
haben zusammen mit LSC-Kollegen auch einen zweiten Analyse-Schritt für die
erste wissenschaftliche Messkampagne vorbereitet, der astrophysikalische
Eigenschaften der verschmelzenden schwarzen Löcher bestimmen wird.
Nächster Schritt: erste Messkampagne
aLIGO wird die erste wissenschaftliche Messkampagne „O1“
(observation run 1) im Herbst 2015 beginnen. Damit rückt das Zeitalter der
Gravitationswellen-Astronomie einen großen Schritt näher – mit entscheidenden
Beiträgen aus dem Albert-Einstein-Institut.
Hintergrundinformation:
Das Albert-Einstein-Institut ist
ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft mit Teilinstituten in Potsdam-Golm und
Hannover. Seit seiner Gründung im Jahr 1995 hat sich das Max-Plack-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) als international führende
Forschungseinrichtung etabliert. Fünf Abteilungen und mehrere unabhängige
Forschungsgruppen bearbeiten am AEI das gesamte Spektrum der
Gravitationsphysik: von den gewaltigen Dimensionen des Universums bis zu den
winzigen Strings. Das AEI ist die einzige Forschungseinrichtung weltweit, die
all diese Felder unter einem Dach vereint. Drei der fünf Abteilungen sind Teil
der LIGO Scientific Collaboration und arbeiten daran, den ersten direkten
Nachweis von Gravitationswellen Realität werden zu lassen.
Gravitationswellen sind eine wichtige Vorhersage von
Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie. Danach erzeugen beschleunigte
Bewegungen großer Massen Kräuselungen in der Raumzeit, die sich noch in großer
Entfernung als winzige Abstandsänderungen zwischen Objekten nachweisen lassen.
Doch selbst Gravitationswellen, die von astrophysikalischen Quellen – wie
Sternexplosionen oder verschmelzenden schwarzen Löchern – erzeugt werden,
verändern die Länge einer einen Kilometer langen Messstrecke nur um den
Tausendstel Durchmesser eines Protons (10-18 Meter). Erst jetzt haben die
Detektoren die erforderliche Empfindlichkeit erreicht, um Gravitationswellen zu
messen. Die Beobachtung des bislang dunklen „gravitativen Universums“ wird ein
neues Zeitalter der Astronomie einläuten. Die Kooperation umfasst
interferometrische Gravitationswellen-Detektoren wie aLIGO (in den USA), GEO600
(in Deutschland) und Virgo (in Italien) sowie die geplanten Detektoren in Japan
und Indien.
Advanced LIGO (aLIGO) besteht aus
interferometrischen Gravitationswellen-Detektoren an zwei Standorten, einer in
Hanford (Washington State, USA) und einer in Livingston (Louisiana, USA).
Obwohl sie derzeit noch nicht im wissenschaftlichen Messbetrieb sind, ist ihre
Empfindlichkeit bereits jetzt höher als je zuvor. aLIGOs erste abgestimmte
Messkampagne wird im Herbst 2015 beginnen. Die Design-Empfindlichkeit sollte
zehnmal höher liegen als die des Vorläufers initial LIGO. Dies sollte den
Nachweis von mehreren Gravitationswellensignalen pro Jahr ermöglichen.
GEO600 ist ein interferometrischer
Gravitationswellen-Detektor bei Hannover mit 600 Meter langen Röhren für die
Laserstrahlen. Entwicklung und Betrieb wurden und werden von Wissenschaftlern
des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und der Leibniz Universität
Hannover zusammen mit Partnern in Großbritannien durchgeführt. Die Finanzierung
tragen das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Land Niedersachsen,
die Max-Planck-Gesellschaft, der Science and Technology Facilities Council und
die VolkswagenStiftung. GEO600 ist Teil des weltweiten Netzwerks von
Gravitationswellen-Detektoren und ist derzeit der einzige Detektor, der
durchgängig Messdaten aufnimmt. GEO600 ist außerdem eine Ideenschmiede für
fortschrittliche Detektortechnologien wie nicht-klassisches (gequetschtes)
Licht, Signal- und Leistungsüberhöhung und monolithische Aufhängungen für die
Optik.
Atlas ist ein großer Computercluster am
Albert-Einstein-Institut in Hannover mit enormer Rechenkraft. Atlas besteht aus
mehr als 14.000 CPU- und 250.000 GPU-Rechenkernen. Dies macht Atlas zum
leistungsfähigsten speziell für die Gravitationswellen-Datenanalyse gebauten
Computercluster der Welt.
Kontakte:
Dr. Benjamin Knispel
Pressereferent AEI Hannover
+49 (0)511 762-19104
Dr. Elke Müller
Pressereferentin AEI Potsdam
+49 (0)331 567-7303
Prof. Dr. Bruce Allen
Direktor am AEI, Abteilung “Beobachtungsbasierte Relativität
und Kosmologie”
+49 (0)511 762-17148
Prof. Dr. Alessandra Buonanno
Direktorin am AEI, Abteilung “Astrophysikalische und
Kosmologische Relativität”
+49 (0)331 567 7220
Prof. Dr. Karsten Danzmann
Direktor am AEI, Abteilung “Laserinterferometrie und
Gravitationswellen-Astronomie”
+49 (0)511 762-2356
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