Die Dosis macht‘s: Eisen könnte die frühen Cyanobakterien
vergiftet und den Start der Evolution von sauerstoffatmenden Tieren verzögert
haben
Hochbegabungspresse Vor drei
Milliarden Jahren bestand die Erdatmosphäre zu weniger als einem Promille aus
Sauerstoff. Dass es heute etwa 20 Prozent sind, verdanken wir frühen Lebewesen
in den Urozeanen, die trotz ihrer Winzigkeit diese umwälzende Entwicklung
herbeigeführt haben. Cyanobakterien, die es in ähnlicher Form auch heute noch
gibt, haben wahrscheinlich schon vor 3,5 Milliarden Jahren mithilfe der Energie
des Sonnenlichts Fotosynthese betrieben und damit einen kleinen Teil des
vorhandenen Kohlendioxids der frühen Atmosphäre in organische Stoffe umgesetzt.
Sauerstoff entstand dabei als Abfallprodukt. Er machte nach rund zwei
Milliarden Jahren die Evolution der zahlreichen heute lebenden Tiere, die
Sauerstoff benötigen, erst möglich.
Nach
Einschätzung von Wissenschaftlern hätte die massenhafte Sauerstofffreisetzung
durch die Cyanobakterien eigentlich sehr viel schneller ablaufen können. Die
Geomikrobiologen Dr. Elizabeth Swanner und Professor Andreas Kappler und Kollegen
vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen haben in
Zusammenarbeit mit Kollegen von der University of Alberta im kanadischen
Edmonton erforscht, was die frühen Bakterien an einer schnelleren Ausbreitung
gehindert hat. Sie haben eine Erklärung gefunden, über die sie in der neuesten
Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Geoscience berichten: Sie gehen davon
aus, dass sich lösliches Eisen in den Urozeanen mit dem Sauerstoff schnell zu
Rost umsetzte und als Nebenprodukt sogenannte Sauerstoffradikale bildete. Diese
schädigen biologische Gewebe und bremsten Wachstum und Tätigkeit der
sauerstoffproduzierenden Bakterien beträchtlich.
Heute ist
Eisen im Meerwasser oft Mangelware. Doch in den Ozeanen der frühen Erde war es
in viel größeren Mengen vorhanden. Zum einen war der Sauerstoff, der das
reduzierte Eisen zu Rost ausfällt, noch nicht bis in die Tiefen des Ozeans
vorgedrungen. Zum anderen enthielt der Meeresboden zu dieser Zeit reiche
Eisenvorkommen, die durch hydrothermale Aktivität ins Wasser freigesetzt
wurden. „In diesen Perioden fanden wir regelmäßig keine Hinweise auf
Sauerstofffreisetzung mehr“, sagt Elizabeth Swanner, die Erstautorin der
Studie. Gemeinsam mit ihren Kollegen überprüfte sie im Labor, ob zwischen hohen
Eisenkonzentrationen und geringem Wachstum der Cyanobakterien ein Zusammenhang
bestehen könnte. Tatsächlich konnte das Eisen, das auch die Cyanobakterien zum
Leben benötigen, in größeren Mengen die Fotosynthese hemmen und so die
Energieversorgung der Bakterien abschneiden. „Zu viel Eisen in Anwesenheit von
Sauerstoff wirkte schädlich. So gesehen haben sich die frühen Cyanobakterien
selbst vergiftet“, sagt Andreas Kappler.
Die neuen
Ergebnisse helfen den Wissenschaftlern, die globalen Kreisläufe von Kohlenstoff
und Sauerstoff in den wiederkehrenden Perioden mit hoher Eisenkonzentration zu
verstehen. Sie beleuchten auch die Vorgänge, bei denen Eisen für Cyanobakterien
und andere Fotosynthese treibende Organismen vom Nährstoff zum Gift wird.
Außerdem haben die neu erkannten Zusammenhänge Einfluss auf die Rekonstruktion
der zeitlichen Abläufe in der Entwicklung von Tieren, die große Mengen an
Sauerstoff verbrauchen.
Originalpublikation:
Swanner, E.D., Mloszewska, A.M., Cirpka, O.A., Schoenberg, R.,
Konhauser, K.O., Kappler, A. (2015). Modulation of oxygen production in Archaean oceans by
episodes of Fe(II) toxicity. Nature
Geoscience, in press.
Kontakt:
Prof. Dr.
Andreas Kappler und Elizabeth D. Swanner
Universität
Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche
Fakultät
Zentrum
für Angewandte Geowissenschaften (ZAG) – Geomikrobiologie
Telefon
+49 7071 29-74992
andreas.kappler[at]uni-tuebingen.de
und elizabeth.swanner[at]ifg.uni-tuebingen.de
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