Physiker Dr. Wolfgang Seidel bei Einstellungsarbeiten
am Freie-Elektronen-Laser im Helmholtz-Zentrum
Dresden-Rossendorf. Foto:
HZDR/Frank Bierstedt
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Hochbegabungspresse
Freie-Elektronen-Laser sind äußerst vielseitige
Forschungsgeräte, denn mit ihren intensiven und superkurzen Lichtblitzen kann
man neue Materialien oder auch biologische Moleküle besonders gut untersuchen
und so bisher unbekannte Effekte beobachten. Für gepulste Laser im fernen
Infrarot, dem sogenannten Terahertz-Bereich, haben Wissenschaftler im
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) einen robusten und schnellen
Detektor konzipiert, der mit hoher Genauigkeit die Ankunft eines
Terahertz-Pulses messen kann. Mit den in der Fachzeitschrift „Applied Physics
Letters“ (DOI: 10.1002/chem.201204101) publizierten Ergebnissen liefern die
Forscher zugleich eine Bauanleitung für ihren Detektor.
Jeder einzelne Puls vom Freie-Elektronen-Laser (FEL) im
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf besteht aus unzähligen Lichtteilchen. Für
viele Experimente ist es extrem wichtig, die genaue Ankunftszeit dieser Lichtpulse
zu kennen. Die Zeitdauer zwischen den nur zehn Pikosekunden, also zehn
billionstel Sekunden, kurzen Lichtblitzen beträgt allerdings lange 77.000
Pikosekunden. Auf räumliche Größenvorstellungen übertragen entspräche die
Distanz zwischen zwei Pulsen knapp acht Kilometer. Diese Strecke gilt es zu
durchsuchen, um die Ankunftszeit eines Lichtpulses, der in diesem Vergleich
gerademal einen Meter lang wäre, zu bestimmen.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Regensburg
gelang es dem Physiker Martin Mittendorff und seinen Kollegen vom HZDR, einen
zuverlässigen Detektor für die Zeitmessung an Freie-Elektronen-Lasern im
Terahertz-Bereich zu entwickeln, zu bauen und zu testen. Diese Technik kann an
allen vergleichbaren FELs eingesetzt werden. Sie basiert auf einer winzig
kleinen Flocke aus Graphen, einem Material, um das ein regelrechter
Forschungsboom entstanden ist seit seine Entdeckung im Jahr 2010 mit einem
Nobelpreis belohnt wurde. Die Liste der Anwendungen des für neue Technologien
wie geschaffenen Werkstoffs – einer Schicht aus Kohlenstoff, die genau eine
Atomlage dick ist – wird dabei immer länger.
Graphen ist zugleich dünn, transparent und stabil, es
kann Licht im unsichtbaren Infrarotbereich absorbieren, und die Elektronen
können sich sehr schnell durch das Material bewegen.
„Die Eigenschaft des Graphens, Lichtteilchen in einem
sehr großen Wellenlängenbereich zu absorbieren, war die Voraussetzung für
unseren robusten und auch bei Zimmertemperatur einsatzbereiten Detektor. Die
große Beweglichkeit der Elektronen im Graphen ermöglicht dabei die hohe
Schnelligkeit“, erläutert Martin Mittendorff vom HZDR. Um die Lichtpulse auf
die kaum bleistiftspitzengroße Flocke zu lenken, wird zudem eine spezielle
Antenne benötigt. Nachdem das Detektor-Konzept feststand, fertigte der Physiker
Josef Kamann in der Arbeitsgruppe von Professor Dieter Weiß an der Universität
Regensburg den ersten Prototypen. Bei allen Tests am Freie-Elektronen-Laser des
HZDR erwies sich der Detektor als schnell und beständig. Bislang war die
Abstimmung der Laserpulse mit Schwierigkeiten verbunden, da es keine einfachen
und schnellen Detektoren für FEL-Strahlung im Terahertz-Bereich gab.
Insbesondere sind die meisten schnellen Detektoren auf einen engen
Wellenlängenbereich limitiert und nicht, wie der Detektor auf Graphen-Basis aus
dem HZDR, für große Teile des mittleren und fernen Infrarotbereichs einsetzbar.
Martin Mittendorff und seine Kollegen arbeiten nun an
einer Weiterentwicklung ihres Systems, das einen noch größeren Wellenlängenbereich
abdecken soll, angefangen von ultraviolettem Licht bis hin zum fernen Infrarot.
Vor allem bei sogenannten Pump-Probe-Experimenten
profitieren die Forscher enorm von dem neuen Gerät, denn hierfür benötigen sie
Licht aus zwei unterschiedlichen Laserquellen, die sie supergenau aufeinander
abstimmen müssen. Soll beispielsweise ein vielversprechender Halbleiter für
optoelektronische Anwendungen optimiert werden, so kann man die Elektronen
darin mit einem ersten Laser anregen und danach mit einem zweiten Laser
beobachten, wie schnell sie aus dem angeregten Energiezustand in den
Ursprungszustand zurückkehren. Vielfältige Einsatzmöglichkeiten für das neu
entwickelte Detektorsystem bietet das ELBE-Zentrum für
Hochleistungs-Strahlenquellen in Rossendorf, denn hier sind unter einem Dach
zwei Freie-Elektronen-Laser (FELBE) mit Terahertz- bzw. Infrarotstrahlung sowie
die neuartige TELBE-Quelle vereint, die den im HZDR verfügbaren Spektralbereich
der Terahertz-Strahlung in den nächsten Jahren erheblich erweitern soll.
Die Forschungsarbeiten im HZDR und an der Universität
Regensburg werden unter anderem im Schwerpunktprogramm „Graphen“ der Deutschen
Forschungsgemeinschaft gefördert.
Publikation:
M. Mittendorff, S. Winnerl, J. Kamann, J. Eroms, D. Weiss
u.a., Utrafast graphene-based broadband THz detector, in: Applied Physics
Letters 103,
021113 (2013), DOI-Link: 10.1063/1.4813621
Weitere Informationen:
_Martin Mittendorff
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung im
HZDR
Tel.: 0351 260 - 3522 | m.mittendorff@hzdr.de
_Josef Kamann
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik an der
Universität Regensburg
Tel.: 0941 943 - 2186 | josef.kamann@physik.uni-regensburg.de
Medienkontakte:
_Dr. Christine Bohnet, Pressesprecherin im HZDR Tel. 0351
260 - 2450 oder 0160 969 288 56 | c.bohnet@hzdr.de
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_Alexander Schlaak, Pressereferent
Universität Regensburg | Universitätsstraße 31 | 93053
Regensburg
Tel.: 0941 943 - 5566 | Alexander.Schlaak@uni-regensburg.de
| www.uni-regensburg.de
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht
auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen
stehen hierbei im Fokus:
* Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher
und nachhaltig?
* Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert,
charakterisiert und wirksam behandelt werden?
* Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem
Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen werden
fünf Großgeräte mit einzigartigen Experimentiermöglichkeiten eingesetzt, die
auch externen Nutzern zur Verfügung stehen.
Das HZDR ist seit 2011 Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Es
hat vier Standorte in Dresden, Leipzig, Freiberg und Grenoble und beschäftigt
rund 1.000 Mitarbeiter – davon ca. 450 Wissenschaftler inklusive 160
Doktoranden.