Hochbegabungspresse
02. Mai 2013 (Koh)
Bei Krebs im Mund- und Rachenraum weist ein spezifisches
Muster von chemischen Markierungen am Erbgut der Tumorzellen auf eine günstige
Prognose hin. Diese so genannte "epigenetische Signatur" sagt den
Krankheitsverlauf zuverlässiger voraus als die bisher eingesetzten
Vorhersagekriterien. Patienten, bei denen ein günstiger Krankheitsverlauf
anzunehmen ist, könnten mit geringerer Intensität therapiert werden. Dies
veröffentlichten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und
dem Universitätsklinikum Heidelberg.
Bei Krebserkrankungen des Mund-Rachenraumes handelt es
sich meist um so genannte Plattenepithelkarzinome, die aus Zellen der
Schleimhäute entstehen. Bekannte Risikofaktoren für diese Erkrankung sind
Alkohol und Zigaretten. Jedoch steigen die Fallzahlen, auch bei Menschen, die
weder trinken noch rauchen. "Bei diesen Patienten liegt häufig eine Infektion mit krebserregenden Typen
der humane Papillomviren (HPV) vor", sagt PD Dr. Jochen Hess, der im
Deutschen Krebsforschungszentrum eine Nachwuchsgruppe und an der
Universitäts-HNO-Klinik Heidelberg eine Forschergruppe leitet. "Insgesamt
sind bis zu 60 Prozent aller Plattenepithelkarzinome im Mund-Rachenraum positiv
für HPV16, den Erreger, der auch Krebs am Gebärmutterhals auslöst."
Krebsforscher interessieren sich besonders für die Gruppe
der HPV-assoziierten Tumoren des Mund-Rachenraums, weil sie einen weitaus
günstigeren klinischen Verlauf nehmen als die Erkrankungen, die sich auf die
klassischen Risikofaktoren zurückführen lassen. In der Mehrheit sprechen
HPV-assoziierte Tumoren des Mund-Rachenraums besonders gut auf Strahlen- und
Chemotherapie an, dadurch haben die Patienten eine längere Lebenserwartung.
Allerdings gibt es auch bei den HPV-assoziierten Tumoren Ausnahmen, in denen
die Erkrankung ungünstig verläuft. Die molekularen Gründe dafür sind unbekannt.
"Onkologen sind daher sehr an einem Marker
interessiert, der Tumoren mit günstiger Prognose zuverlässig identifiziert. Bei
diesen Patienten könnte man die Intensität der Therapien reduzieren und damit
die Nebenwirkungen deutlich verringern", erklärt Jochen Hess. Der Forscher
hatte die Idee, dass abweichende epigenetische Markierungen im Erbgut von
Tumoren eine mögliche molekulare Ursache für den unterschiedlichen
Krankheitsverlauf sein könnten. "Besonders die Markierung mit
Methylgruppen beeinflusst die Aktivität vieler Gene und damit das Verhalten
einer Zelle", sagt Hess.
Gemeinsam mit Kollegen um Dr. Efterpi Kostareli und Dr.
Dieter Weichenhan aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum, Ärzten der
Universitätskliniken Heidelberg und Leipzig sowie der Universität Chicago
suchte Hess' Team nach Unterschieden der Methylierungsmuster in Zellen von
Mund-Rachen-Tumoren mit und ohne HPV-Beteiligung. Sie entdeckten, dass ein sehr
günstiger Krankheitsverlauf mit einem spezifischen Markierungsmuster
korrelierte: Drei bestimmte Gene sind durch schwache Methylierung in ihrer
Aktivität gesteigert, zwei andere dagegen stumm geschaltet.
Das Ergebnis wurde zunächst an 100 Tumorproben aus
Heidelberg erzielt und im Anschluss daran an Tumorgewebe von insgesamt 120
weiteren Patienten aus Leipzig und Chicago bestätigt. Vier der fünf betroffenen
Gene regulieren den Retinolsäure-Stoffwechsel, der sich auf das Wachstum, die
Differenzierung und den Tod von Zellen auswirkt. Dass sich die epigenetischen
Veränderungen auch tatsächlich auf die Biologie der Krebszellen auswirkten,
wiesen die Forscher ebenfalls nach: Die Menge an RNA-Abschriften der fünf Gene
entsprach dem, was die veränderte Methylierung des jeweiligen Gens erwarten
ließ.
Die Abweichungen im epigenetischen Profil traten in
Patienten mit einer HPV-Infektion besonders häufig auf. Zusätzlich dazu konnten
in der Studie aber auch HPV-negative Tumorpatienten mit dem prognostisch
günstigeren Methylierungsmuster identifiziert werden. Daher lässt sich der
Verlauf der Erkrankung anhand der Signatur mit größerer Sicherheit voraussagen
als durch den Nachweis der Viren allein. "Die Signatur kann gleich bei der
Erstdiagnose geprüft werden und den Ärzten dabei helfen zu unterscheiden,
welcher Patient sofort intensive Chemo- und Strahlentherapie braucht und bei
wem dagegen weniger aggressive Behandlungen ausreichen könnten."
Efterpi Kostareli, Dana Holzinger, Olga Bogatyrova,
Thomas Hielscher, Gunnar Wichmann, Michaela Keck, Bernd Lahrmann, Niels Grabe,
Christa Flechtenmacher, Christopher R. Schmidt, Tanguy Seiwert, Gerhard
Dyckhoff, Andreas Dietz, Daniela Hoefler, Michael Pawlita, Axel Benner, Franz
X. Bosch, Peter Plinkert, Christoph Plass, Dieter Weichenhan und Jochen Hess:
HPV-related methylation signature predicts survival in oropharyngeal squamous
cell carcinomas Journal of Clinical Investigations 2013, DOI: 10.1172/JCI67010
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr
als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren
und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs
erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser
diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären
Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs
auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das
Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem
vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen
werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem
der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren
an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist
ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das
DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu
10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
Diese Pressemitteilung ist abrufbar unter www.dkfz.de/pressemitteilungen
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