Fotograf:
Leo Pompinon
Hochbegabungspresse Deutschland
ist ein Einwanderungsland –
das haben Bibliotheken längst erkannt. Viele von
ihnen haben sich
deshalb auf Nutzer verschiedener Herkunft eingestellt und ihr
Angebot auf sie ausgerichtet.
Die
junge Frau ist tief versunken in ihre Lektüre. Konzentriert schweift ihr Blick
über die schwarzen Buchstaben. Hier in der Bibliothek am Luisenbad in
Berlin-Wedding findet sie, was sie interessiert, gut sortiert – und in ihrer
Muttersprache Türkisch. Im Moment ist das eine Hochzeits-Illustrierte. Die
Bibliothek beherbergt rund 120.000 Medien, davon 5000 in türkischer Sprache.
Dazu gehören CD’s, DVD’s, Zeitschriften, Tageszeitungen und Bücher.
Mit dem
Schwerpunkt Türkisch hat sich die Bibliothek auf einen großen Teil der
Bevölkerung im Stadtteil Wedding eingestellt. 48 Prozent der Bewohner im Kiez
haben einen Migrationshintergrund, 18 Prozent einen türkischen. Für
Bibliotheksleiterin Heidrun Hübner-Gepp ist deshalb nur logisch, dass sich
diese Bevölkerungsgruppe auch in ihrer Bibliothek wiederfinden kann. Schon seit
Jahren hält die Einrichtung ein mehrsprachiges Angebot bereit, neben dem
Schwerpunkt Türkisch finden sich auch größere Bestände in arabischer,
englischer oder französischer Sprache. Darüber hinaus verfügt die Bibliothek
über einen kleineren Bestand von 30 bis 40 weiteren Sprachen, die alle im Kiez
gesprochen werden.
Je mehr
sich der Gedanke durchsetzt, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, desto
mehr stellen sich auch Bibliotheken auf Menschen mit Migrationshintergrund ein.
2006 richtete der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) dafür die Kommission „Interkulturelle
Bibliotheksarbeit“ ein. Sie unterstützt seitdem Bibliotheken deutschlandweit
beim Aufbau eines interkulturellen Medien- und Veranstaltungsangebots.
„Besucher kommen von weit her“
Mit
ihrer Auswahl an Medien in vielen unterschiedlichen Sprachen hat sich die
Bibliothek am Luisenbad auch außerhalb des Bezirks einen Namen gemacht. „Einige
Besucher kommen von weit her, um bei uns Medien auszuleihen, in Ruhe zu lesen
oder zu lernen“, sagt Hübner-Gepp. Das Angebot wird rege genutzt. An den
Tischen sitzen am Nachmittag viele Schüler, die ihre Hausaufgaben machen. In
einem räumlich etwas abgetrennten Teil ist die Kinderbibliothek untergebracht.
Dort geht es besonders lebhaft zu. Dass so viele Menschen unterschiedlicher
Herkunft in die Bibliothek kommen, liegt neben dem fremdsprachigen Angebot auch
an der intensiven Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Kiez. „Wir versuchen,
die Menschen so früh wie möglich an die Bibliothek heranzuführen“, sagt die
Bibliotheksleiterin. Viele Kinder besuchen die Bibliothek schon regelmäßig mit
ihrer Kita-Gruppe. Dort wird beim Vorlesen und mit Spielen der Wortschatz der
Kinder gestärkt. Auch mit Schulsozialarbeitern, Familienzentren und einem
kulturellen Bildungsverbund in der Nachbarschaft arbeitet die Bibliothek
zusammen.
Ebenso
wie die Bibliothek am Luisenbad in Berlin-Wedding setzt auch die Stadtbücherei
Frankfurt am Main intensiv auf die Zusammenarbeit mit anderen Kultur- und
Bildungseinrichtungen, etwa mit der Volkshochschule, Migrantenvereinen,
Mädchentreffs oder Sprachkursanbietern. „Kooperationen und Netzwerke sind ein
wesentlicher Erfolgsfaktor unserer Arbeit“, sagt Birgit Lotz, Leiterin der
Dezentralen Bibliotheken in Frankfurt.
In
Zukunft könnte es sogar mehr Geld für Zusammenarbeit wie diese geben. Für das
Konzept „Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien“ wurden dem dbv
umfangreiche Projektfördermittel durch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung zugesprochen. Damit sollen „Lokale Bündnisse für Bildung“ zwischen
Einrichtungen wie Musikschulen, Stadtteil-Initiativen, Kindergärten oder Schulen
einerseits und Bibliotheken andererseits geschmiedet werden.
Basale Bildungsarbeit
Bis vor
Kurzem hatte Birgit Lotz auch die Leitung der Kommission „Interkulturelle
Bibliotheksarbeit“ beim dbv inne und ist damit Fachfrau auf diesem Gebiet.
Bibliotheken leisteten einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe von Menschen mit
Migrationshintergrund an Kultur und Gesellschaft ihres neuen Heimatlandes, sagt
sie. Nicht nur mit der Bereitstellung von Medien in der Heimatsprache, sondern
zum Beispiel auch beim Deutschlernen helfen sie. „Bibliotheken stellen
Lehrmittel und zunehmend auch eLearning-Angebote bereit. In manchen finden auch
Deutsch-Sprachkurse statt“, sagt Lotz. „Oft stößt man auch auf Menschen, in
deren Heimatländern Bildung nur den Eliten vorbehalten ist. Bei ihnen wird dann
auch ganz basale Bildungsarbeit geleistet.“
Herausforderungen
für die interkulturelle Ausrichtung der Bibliotheken sieht Lotz vor allem bei
der Schulung der Mitarbeiter. „Der zielgruppengerechten Vermittlung, etwa in
speziellen Bibliothekseinführungen und der Veranstaltungsarbeit kommt eine
wichtige Bedeutung zu“, sagt sie. Gleichzeitig zeigt jedoch der aktuelle
Jahresbericht des dbv, dass in vielen Öffentlichen Bibliotheken die Budgets
gekürzt werden.
Auch
Heidrun Hübner-Gepp aus Berlin weiß, dass die Bibliothek ein einladender Ort
sein muss. „Besonders für Menschen, die nicht gut Deutsch sprechen, ist es
manchmal eine große Hürde, die Bibliothek überhaupt zu betreten“, sagt sie.
Manche fühlten sich dann wie in einer Behörde, sobald sie mit den Anmelderegeln
in Berührung kommen, und ergriffen lieber die Flucht. Da sei dann
Fingerspitzengefühl der Mitarbeiter gefragt. Auch Kompetenzen wie das
Beherrschen von Fremdsprachen und das Wissen, wo anderssprachige Bücher besorgt
werden können und ob deren Qualität gut ist, seien in einer Bibliothek, die
sich interkulturell öffnet, gefragt. „Dafür könnten wir gut zusätzliche
Honorarmittel gebrauchen, um ab und zu Muttersprachler zu beschäftigen“, sagt
Hübner-Gepp.
(Autor:
dbv, Text mit Leerzeichen: 5489 Zeichen)
Die bundesweite Aktionswoche
„Treffpunkt Bibliothek“ wird bereits zum fünften Mal vom Deutschen
Bibliotheksverband e.V. (dbv) koordiniert. Vom 24. bis 31. Oktober 2012
präsentieren sich Bibliotheken in ganz Deutschland als Partner für Medien- und
Informationskompetenz sowie für Bildung und Weiterbildung. Sie veranstalten
Lesungen, Ausstellungen, Workshops, Events, Bibliotheksnächte und viele weitere
Aktionen, die im gemeinsamen Terminkalender zu finden sind:
www.treffpunkt-bibliothek.de.
Der
Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv) sind ca.
2.000 Bibliotheken aller Sparten und Größenklassen Deutschlands
zusammengeschlossen. Der gemeinnützige Verein dient seit mehr als 60 Jahren der
Förderung des Bibliothekswesens und der Kooperation aller Bibliotheken. Sein
Anliegen ist es, die Wirkung der Bibliotheken in Kultur und Bildung sichtbar zu
machen und ihre Rolle in der Gesellschaft zu stärken. Zu den Aufgaben des dbv
gehört auch die Förderung des Buches und des Lesens als unentbehrliche
Grundlage für Wissenschaft und Information, sowie die Förderung des Einsatzes
zeitgemäßer Informationstechnologien.
Kontakt:
Deutscher Bibliotheksverband e.V.
Barbara Schleihagen, Geschäftsführerin, Tel.: 030 / 644
98 99 12
E-Mail: dbv@bibliotheksverband.de, http://www.bibliotheksverband.de, http://www.bibliotheksportal.de
E-Mail: dbv@bibliotheksverband.de, http://www.bibliotheksverband.de, http://www.bibliotheksportal.de